Große Reisen, kleines GeldVon Tübingen in die weite WeltVang Vieng, LaosDu hast das Gefühl, alle deine Freunde sind zur Zeit in der Weltgeschichte unterwegs? Während dufür Prüfungen lernst und in der UB schwitzt, posten sie Bilder von fernen Orten? Das würdest duauch gerne tun, doch du kannst es dir nicht leisten? Mit ein paar kleinen Tipps kannst auch du balddeine Koffer packen.von Saskia DekkerViele Studierende hegen den Wunsch,einfach mal eine Auszeit zu nehmenund drauf los zu reisen. Ihnen fehlt aberhäufig das nötige Kleingeld, dies in dieTat umzusetzen.Locals kennenlernenlohnt sichMit ein paar Tricks kannst du aberbereits bei der Reiseplanung Geldsparen. Einige Reisebüros haben sichdarauf spezialisiert, extra für Studierendegünstige Reisen anzubieten. InZusammenarbeit mit verschiedenenFluglinien kannst du so zum Beispiel imSTA Travel-Büro neben der Stiftskirchebillige Flugreisen buchen. Außerdembieten Onlineplattformen wie mitfahrgelegenheit.de,meinfernbus.de undurlaubspiraten.de die Gelegenheit, imIn-und Ausland billig von einem Ortzum anderen zu kommen. Auch vor Ortfindest du auf eigeneKoh Phi Phi. Thailand | Fotos: Saskia DekkerwFaust oft billige Angebotefür Busreisenodersogenannte Rideshares(in Australien zB.Gumtree.com.au). Dieabenteuerlichere undbilligste Variante desTransports ist natürlichnach wie vor dasTrampen. Hierbei istes allerdings wichtig,dass du dich zuvordarüber informierst,ob dies in dem jeweiligenLand noch üblichund sicher ist.Einmal angekommen, muss es nichtimmer gleich das teuerste Hotel sein.Couchsurfing.org vermittelt gratis Schlafplätzeauf der ganzen Welt, häufigwichtig: die richtigeVorbereitunglassen sich billige Campingplätzefinden, wo du dein Zelt aufschlagenkannst. Zur Not hast du immer noch dieMöglichkeit, dir das Hochbett im Hostelzu teilen. Ansonsten sind Nachtbusse,-züge und -flüge auch immer einegute Gelegenheit, sich die Kosten einerÜbernachtung zu sparen.Vor Ort empfiehlt es sich, den Lebensweisender Locals zu folgen und sich aufderen (Ess-)Kulturen einzulassen. Vorallem in Asien, Afrika und Südamerikabieten Restaurants lokale Spezialitätenzu Spottpreisen an. Hier kannst du alsobesser und billiger als in der Mensa inder Wilhelmstraße essen.Außerdem wissen Einheimische oft vontollen Orten, die den Touristen normalerweiseverborgen bleiben. Ob mit demverrückten Taxifahrer, dem Kameltreiberoder dem ausgewanderten Hostelbesitzer– so ein Gespräch lohntsich immer! So kannst du nach einerReisebuchung in die Halongbucht inVietnam schon einmal mit einem Mitarbeiterdes lokalen Reisebüros beimKamel, Tanger, MarokkoBadmintonspielen in Ha Noi landen,kriegst in Kambodscha gratis Kochkurseoder in Marokko 3000 Kameleangeboten.Arbeiten ist natürlich auch eine guteAlternative, ein bisschen Geld dazu zuverdienen.Wenn du jedoch, verständlicherweise,nicht den ganzen Tag schuften, sondernauch etwas von der Umgebung sehenwillst, bieten sich sogenannte WwoofingProgramme an (www.wwoof.net).Hier arbeitest du einige Stunden am Tagfür eine freie Unterkunft und kostenloseVerpflegung auf Farms und Ähnlichemund hast den Rest des Tages zum Entdeckenzur Verfügung. Diese Möglichkeitbieten übrigens auch viele Hostels undBars in Backpackerorten an.Es ist sowieso immer von Vorteil, bereitsLeute vor Ort zu kennen, die einem einpaar Insider Tipps geben können. Alsohalte auch in Deutschland die Augennach Leuten aus fernen Ländern offen.Wer weiß, vielleicht zeigt auch dir schonbald ein Austauschstudent, den dubeim International Coffee Hour oderaufStudIT Veranstaltungen kennengelernthast, wie er zu Hause wohnt.Es gibt ein berühmtes Zitat von AureliusAugustinus: „Das Leben ist wie einBuch. Wer nie reist sieht nur eine Seitedavon.“ Also pack deine Pflichtlektürenweg und deinen Rucksack ein. Ein neuesKapitel wartet auf dich.1818
„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“Wie folgt eigentlich ein hörgeschädigter Studierender einer Vorlesung? Oder wie liest ein blinderStudent seine Lektüre? Wo sich für andere Studierende keine Probleme ergeben, müssen sie einenAlltag mit Herausforderungen meistern. Das gibt es auch an der Uni Tübingen...von Alexander LinkPia studiert im fünften SemesterGermanistik und im Nebenfach seitletztem Jahr Philosophie – weil ihr dasNebenfach vorher „zu nichtssagend“war. Ein leseintensives und anspruchsvollesStudium hat sich die selbstbewussteStudentin ausgesucht, die seitihrer Geburt blind ist.Dennoch hat sie sich damals bewusstder Herausforderung eines Studiumsgestellt. „Ich habe mir selbst undallen anderen Leuten gezeigt, dassich es kann!“ erzählt sie heute stolz.Etwa zwei Prozent aller Studierenden inDeutschland haben wie Pia eine erheblichekörperliche Beeinträchtiung. InTübingen geht man etwa von einemähnlichen Verhältnis aus, weiß dasjedoch nicht genau. „Die Angabe, objemand eine Behinderung oder chronischeErkrankung hat, ist freiwillig“,erklärt Klaus Heinrich, Beauftragter fürStudierende mit körperlicher Beeinträchtigungder Uni Tübingen.Pia aber geht souverän mit ihrer offensichtlichenBehinderung um und hatsich am Neckar eingelebt: „Richtig wohlfühle ich mich erst hier an der Uni.“Doch auch sie brauchte Anlauf, umso zufrieden zu sein wie heute. Textelesen kann sie über einen PC, den siemit Sprachausgabesoftware bedient -das kannte sie bereits aus der Schule.Außerdem machte Pia als sie nachTübingen kam ein „Mobilitätstraining“.Dort lernte sie, mit einem Coach diewichtigsten Wegezum Einkaufen oderzur Uni. Inzwischenfühlt sie sich sicher:„In den Gebäuden,in denen ichUni habe, kenne ichmich schon sehr gutaus.“ Nur an einemschlechten Tag hat sie noch Probleme.Oder in der verflixten Innenstadt, wojede Gasse fast gleich heißt! Doch auchhier hat sie Selbstbewusstsein entwickelt:„Einmal war ich mir nicht ganzsicher, ob ich richtig bin. Da habe ichnach dem Weg gefragt und ein Mannmeinte, ich sei in einer anderen Gasse,als ich dachte,“ erzählt sie. „Hinterherstellte sich heraus: Ich lag richtig.“Pia lacht. Sie ist allgemein zufrieden mitihrem Studium in Tübingen. Doch gehtes allen so? Klaus Heinrich, der sichfür Belange Studierender mit körperlicherBehinderung einsetzt, sieht dasdifferenziert: „Jede Behinderungsarthat spezifische Einschränkungen.“Es bleiben Defizite, vor allem in baulicherHinsicht. Eine Markierung vonTreppenstufenmit neonfarbigenBändern für Sehgeschädigtelehntedas Amt für Vermögenund Bau ab,da sich das abnützenwürde. Auch„Ich habe mir selbstund allen anderenLeuten gezeigt, dassich es kann!“Barrierefreiheit istin manchen Bereichennicht gegeben. Teilweise, weil sichdas bei alten Gebäuden der Uni kaumändern lässt, teilweise wegen andersgesetzten Prioritäten bei Sanierungen.„Im baulichen Bereich hat die Unigroßen Stau. Und da fällt bei Altbausanierungendie Idee von barrierefreiemZugang oft unter den Tisch“, bemängeltKlaus Heinrich.Damit kennt sich auch Viviane aus.Die angehende Psychologin sitzt imRollstuhl. Mit ihrem Handicap gehtsie selbstbewusst um: „So schlimmist das eigentlich gar nicht, ich kannsogar High Heels anziehen, ohne nachStunden vor Schmerzen zu jammern!“,sagt sie augenzwinkernd. Sie vermisstzum Beispiel einen Fahrstuhl im Theologicum,wo sie dann nicht zur Toilettein einem anderen Stock kann. Außerdemärgert sie in Vorlesungen hintensitzen zu müssen. Das Lesen von Folienoder undeutlich sprechende Dozentenmachen es ihr ausder Distanz nichtimmer leicht. Dochauch Ersti Vivianegefällt es bisher inTübingen gut. „DieLeute an der Uni sindalle nett und hilfsbereit“,sagt sie.In den letzten Jahren ist das sozialeUmfeld an der Uni für behinderteStudierende besser geworden, findetauch Klaus Heinrich. „Außerdemnehme ich auch ein hohes Entgegenkommender Dozenten wahr.“Doch ob das für alle gilt, die mit einerBenachteiligung ihr Studium meistern,ist zweifelhaft. „Eine Sache liegtmir noch auf dem Herzen,“ möchtePia dazu loswerden: „Blindheit ist jaoffensichtlich und erkenntlich, welcheBedürfnisse man damit hat. Ich habejedoch eine Studentin kennengelernt,die kleinere Kinder und somit teilweisesehr große Probleme mit dem Studium„Je weniger offensichtlichetwas ist,desto weniger Toleranzhaben einige Leute.“hat.” Beklagt sich Pia über die offenbarungleiche Behandlung zwischenStudierenden, die es schwer haben.„Da habe ich mirauch nur gedacht:‚Lebe ich eigentlichin einer anderenWelt?‘ Ich glaube,je weniger offensichtlichetwas ist,desto weniger Toleranzhaben einigeLeute.“ Toleranz istwohl nicht gegenüber allen Beeinträchtigungen(psychischen Problemen oderkaum erkennbaren Krankheiten) gleichgegeben. Pia wünscht sich hier einfachmehr Fairness: „Jeder hat doch irgendwieso sein Päckchen zu tragen.“ Unddas sind wieder andere Geschichten,die es genau so wert sind, erzählt zuwerden…Pia auf dem Weg zur Uni | Foto: Andrej Stern19