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sprungbrett uni? - Kupferblau

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hinter dem Rücken. Das Schauspielwirkt bizarr, wenn man Bilder wie beiOlympia erwartet hat: Keiner bewegtsich von der Stelle, nur die Schlägersirren durch die Luft, klirren gegeneinander,treffen dumpf auf ArmoderKopfschutz. Im Gegensatz zumanchen anderen Verbindungen wieder nichtschlagenden Alamannia istdie Ulmia eine pflichtschlagende Verbindung.Das heißt: Jedes Mitglied musswährend seiner Aktivenzeit mindestenszwei Partien fechten. „AkademischesFechten ist aber etwas ganz anderes alsDuellfechten“, erklärt Marcel. „Mensurfechtenhat den Zweck der Charakterbildung,es ist ein sportliches Miteinandermit scharfen Waffen.“„Jeder mussmindestens zwei Malfür den Bund den Kopfhinhalten.“In der Landsmannschaft Schottlandgehört die Mensur ebenfalls zur Tradition.„Sie schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl“,sagt Robin überzeugt.„Jeder bei uns muss mindestens zweiMal für den Bund den Kopf hinhalten.Das schweißt unglaublich zusammen.“Aus dem Kneipsaal hinaus geht es dieTreppe hinunter. Unterwegs eine Tür,auf der die Aufschrift „Herrentoilette“prangt. Das weibliche Pendant danebensucht man vergeblich. „Wir sind einreiner Männerbund“, sagt Marcel.Darin stimmt Robin mit ihm überein:Bei den Schotten habe man keinProblem mit Frauen, jeder könneweibliche Freunde auf das Verbindungshausmitbringen – nur weiblicheMitglieder will man dort nicht. Obder Vorwurf des Sexismus, der Verbindungenhäufig gemacht wird, damitnicht bestätigt würde? Robin schütteltden Kopf: „Es gibt getrennte Fußballmannschaftenund getrennte Toiletten.Genau so gibt es Männerverbindungen,gemischte Verbindungen undFrauenverbindungen.“Auch in der katholischen VerbindungAlamannia sieht man das ähnlich. Axel,ein Alamanne, erklärt: „Bisher sehenDer kleine Kneipsaal der Landsmannschaft Schottland (Fotos von Andrej Stern)Marcel vor dem Haus der Ulmia: schwarz-weißgelbsind die Farben seiner Verbindungwir keinen Grund, weibliche Mitgliederaufzunehmen. Es ist einfach so, dassviele Frauen gar nicht in eine so vonMännern besetzte Vereinigung eintretenwollen.“Eine Frage bleibt aber: Wie viel Wahrheitsteckt in dem Vorwurf, viele Verbindungenbewegten sich politisch nah amrechten Rand? Es ist das erste Mal, dassMarcel verärgert wirkt. „Es nervt mich,dass wir immer mit dem DachverbandDeutsche Burschenschaft über einenKamm geschoren werden!“ Der Dachverbandder Burschenschaften standin den vergangenen Jahren immerwieder in der Kritik für seine Kontaktezur rechtsradikalen Szene. Alle TübingerBurschenschaften kritisieren dierechte Verbandspolitik jedoch und sindmittlerweile ausgetreten, teils schonvor Jahrzehnten. „Wir haben hier Mitgliederaus CDU und FDP und sogar ausder SPD“, sagt Marcel.Damit endet die Hausführung. DieFlaggen auf dem Österberg wehenimmer noch im Wind und die Lichterhinter den Fenstern sind immer nochan. Tübingens Verbindungslandschaftlebt hier fort, ein wenig abseits vomStrom der Zeit. Marcel verabschiedetsich und hinter ihm fällt die Tür insSchloss.Zwangsnostalgieein Kommentarvon Konstantin von EssenWer sich eingehend mit Studentenverbindungenbeschäftigt, der stellteines sehr schnell fest: Es gibt gewaltigeUnterschiede von Verbindung zuVerbindung, insbesondere zwischenden verschiedenen Verbindungstypen.Nicht alle pflegen die archaischeTradition der Mensur oder desexzessiven Bierkonsums, ebensowenig singen alle die geächteteerste Strophe der deutschen Nationalhymneoder tragen Farben. Auchder Vorwurf, man orientiere sich anrechtsradikalem Gedankengut undGruppierungen, trifft mit Sicherheitnur auf einen kleinen Teil der Verbindungenzu.Aber ihnen allen liegt ein Prinzip zuGrunde, dass sie verbindet: Elitarismus.Die Exklusivität, die einer Verbindungeigen ist, kann auf manchedurchaus eine große Anziehungskraftausüben. Es geht für einige Verbindungenvor allem auch darum,einen kleinen harten Kern darzustellen,der dem Rest der Gesellschaftnicht nur intellektuell, sondern moralischüberlegen ist. Denn Werte undTraditionen scheinen bei vielen Verbindungen,besonders den Burschenschaften,das absolut Wichtigste zusein. Freiheit, Ehre und Vaterland sinddie Prinzipien, denen sich viele Burschenschaftenverschrieben haben.Es sind Werte, die aus einer anderenZeit stammen. Einer Zeit, zu der Studentenihre Konflikte mit der Pistoleoder dem Säbel austrugen, undFrankreich unter Napoleon Deutschlandbesetzte. Hier hat die Mensurihren Ursprung.Erst neulich verglich ein Dozent Studentenverbindungen,insbesondereBurschenschaften, mit der Erziehungder Jungen im klassischen Sparta.Die jungen Männer lebten vor allemuntereinander und pflegten Günstlingsbeziehungenzu den älterenMännern aus der Gesellschaft. Diesewurden zu Mentoren und Gönnern.Sobald sie Vollbürger waren, übernahmenauch sie diese Aufgaben –Stichwort Lebensbundprinzip. Diesesbildet das Fundament für die Exklusivitäteiner Verbindung. Einmal inder Verbindung, immer in der Verbindung.Das heute noch Menschenauf diese Grundsätze pochen, stößtbei großen Teilen der Gesellschaft fürUnverständnis – und das zu Recht.Handelt es sich also um zeitlose Werteund Traditionen, wie häufig behauptet?Wohl kaum. Eher um einen Fallvon Zwangsnostalgie.17

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