Ausgabe Herbst - 2005 - Patientenliga Atemwegserkrankungen e.V.
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Interview<br />
wird, die wissenschaftlichen Grundlagen der von Spezialisten<br />
in Kenntnis der gesamten wissenschaftlichen Literatur<br />
erarbeiteten Empfehlungen aus eigener Anschauung<br />
nachzuvollziehen, wird die Patientenversion sicher deutlich<br />
kürzer sein, als die Vollversion.<br />
Luftpost: Können Sie noch einmal zusammenfassen, warum<br />
die Dreigliederung der Leitlinie sinnvoll ist?<br />
Dr. Kardos: Die Dreigliederung ist eine Voraussetzung für<br />
die Nutzbarkeit der Leitlinie: Der Wissenschaftler braucht<br />
eine Art Monographie, in der er nicht nur einzelne Artikel<br />
und Meinungen über Asthma wieder findet, sondern auch<br />
eine ausgewogene Wichtung als Konsensusmeinung.<br />
Der Praktiker wäre zeitlich mit den 60-70 Druckseiten<br />
der Vollversion überfordert und benötigt eine Übersicht<br />
der wichtigsten Aussagen. Für Patienten ist es schwierig,<br />
die Fachtexte zu verstehen und nachzuvollziehen. Für<br />
Patienten brauchen wir daher eine verständliche<br />
Zusammenfassung.<br />
Luftpost: Haben Leitlinien rechtliche Konsequenzen?<br />
Dr. Kardos: Leitlinien haben keine Gesetzeskraft, wie<br />
Richtlinien. In Kenntnis des „State of the Art“ hat der<br />
behandelnde Arzt das Recht und ggf. die Pflicht,<br />
beim individuellen Patienten hiervon in begründeten<br />
Fällen abzuweichen. Um aber abweichen zu können,<br />
muss man wissen, was Standard ist. Dazu dient die<br />
Leitlinie in erster Linie. In diesem Sinne ist auch ihre rechtliche<br />
Auswirkung zum Beispiel bei Schadenersatzansprüchen<br />
zu sehen. Im Rahmen der Pflicht, die Patienten<br />
nicht nur ausreichend, sondern auch wirtschaftlich zu versorgen,<br />
wertet diese moderne Asthma-Leitlinie die einzelnen<br />
diagnostischen und therapeutischen Methoden nicht<br />
nur nach ihrer Wirksamkeit, sondern auch nach Kosten-<br />
Nutzen-Verhältnis. So wird die Leitlinie auch „Disease<br />
Management Programmen“ für Asthma zugrunde gelegt.<br />
Luftpost: Haben Leitlinien Auswirkungen auf den<br />
Praxisalltag?<br />
Dr. Kardos: Leitlinien verändern zunehmend unseren<br />
Praxisalltag, sie vereinheitlichen die Versorgung und<br />
legen Qualitätsstandards sowie Methoden zur Kontrolle<br />
der Prozessqualität fest. Andererseits können sie manchmal<br />
als eine „bürokratische Zwangsjacke“ für Arzt und<br />
Patienten empfunden werden. Da bereits die Erstellung<br />
einer Leitlinie bis zu drei Jahre dauert, kann es passieren,<br />
dass Leitlinien vom Fortschritt überholt werden. Um<br />
den Nutzen neuer Verfahren oder Medikamente evidenzbasiert<br />
zu bewerten, müssen entsprechende<br />
Erfahrungen vorliegen, auch das dauert. Auf diese<br />
Weise können Leitlinien u.U. den Einzug echter<br />
Innovationen in die tägliche Praxis hemmen.<br />
Luftpost: Wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
Adresse:<br />
Dr. Peter Kardos<br />
Scheffelstr. 33 ● 60318 Frankfurt/Main<br />
Leitlinien<br />
Leitlinien nennt man die Festlegung und schriftliche<br />
Fixierung der Therapie einer Krankheit nach dem<br />
aktuellen Stand der Wissenschaft. Leitlinien (national<br />
und international) gibt es für alle wichtigen<br />
Erkrankungen, so auch für COPD und Asthma. Die<br />
Leitlinien verfolgen das Ziel, die behandelnden<br />
Ärzte über den aktuellen Stand der Wissenschaft<br />
bezogen auf die Behandlungskonzepte einer<br />
Krankheit zu informieren. Die Dokumentation der<br />
Leitlinien gibt es in einer gerafften Kurzfassung<br />
und einer umfassenden Detailbeschreibung innerhalb<br />
einer Langfassung.<br />
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