18 Kapitel 1: Grundlagen1.2 Automorphismen symbolisch-dynamischer Systeme– Stand der ForschungWir definieren Automorphismen eines Subshifts, geben einige Beispiele und erläutern,warum die Automorphismengruppe ein interessantes, invariant mit dem Subshift verbundenesObjekt ist. Anschließend beschreiben wir den momentanen Kenntnisstand in Bezug aufdie Automorphismen(gruppen) von SFTs und codierten Systemen.Wie in vielen Bereichen der Mathematik studiert man auch Subshifts, indem man ihre innerenSymmetrien untersucht. Den passenden Rahmen hierfür bildet der Begriff des Automorphismus:Sei (X, σ) ein beliebiger Subshift über einem (endlichen oder abzählbar unendlichen)Alphabet. Eine Abbildung ϕ : X → X heißt ein Automorphismus (von σ), falls ϕein Homöomorphismus auf X ist, der zusätzlich mit der Shiftabbildung vertauscht,d.h. ϕ ◦ σ = σ ◦ ϕ.Mit anderen Worten ist ein Automorphismus also eine topologische Konjugation dessymbolisch-dynamischen Systems zu sich selbst.Einfache Beispiele für Automorphismen auf zweiseitigen Subshifts (X, σ) sind die IdentitätId X sowie die Potenzen σ i (i ∈ Z) der Shiftabbildung. Auf dem vollen Shift über demAlphabet A induziert zudem jede Permutation π : A → A einen Automorphismusϕ π : Σ A → Σ A durch ( ϕ(x) ) := π(x i i) für alle x ∈ Σ A und i ∈ Z.Offensichtlich sind mit ϕ, φ auch die zusammengesetzte Abbildung ϕ ◦ φ unddie inverse Abbildung ϕ −1 Automorphismen. Damit induziert die Kompositioneine Gruppenstruktur auf der Menge der Automorphismen Aut(σ) :={ϕ : X → X | ϕ Homöomorphismus ∧ ϕ ◦ σ = σ ◦ ϕ}.Die Automorphismengruppe Aut(σ) ist eine Invariante der topologischen Konjugation.Seien (X, σ X ) und (Y, σ Y ) zwei topologisch konjugierte Subshifts und sei γ : X → Y diezugehörige Konjugation, so vermittelt γ einen Gruppenisomorphismus Aut(σ X ) → Aut(σ Y )durch ϕ ↦→ γ ◦ ϕ ◦ γ −1 .Bereits seit der Arbeit von G. Hedlund [Hed] versucht man die Automorphismengruppen verschiedenerSubshifts zu verstehen, um daraus Informationen über das jeweilige symbolischdynamischeSystem zu erhalten. Interessiert ist man vor allem an der Größe, der Untergruppenstrukturund den algebraischen Eigenschaften von Aut(σ) als abstrakter Gruppe.Daneben stehen Fragen nach speziellen Darstellungen der Automorphismengruppe, d.h. Homomorphismenin kleinere, einfacher strukturierte Gruppen, im Vordergrund. Die Schwierigkeitund Komplexität solcher Fragestellungen zeigt sich unter anderem darin, daß bishermit wenigen Ausnahmen nur Ergebnisse über Automorphismen(gruppen) von Shifts vomendlichen Typ veröffentlicht wurden. Hierfür hat man eine tiefgehende Theorie entwickelt,die ihre Wurzeln in verschiedensten Teildisziplinen (Algebra, Kombinatorik, Zahlentheorie,algebraische Topologie, K-Theorie, Maß- und Ergodentheorie) der Mathematik hat.
1.2 Automorphismen symbolisch-dynamischer Systeme 19Wir geben einen Abriß der wichtigsten, bekannten Resultate über Automorphismen zweiseitigerSFTs, die diese <strong>Dissertation</strong> grundlegend motiviert haben:In einem Übersichtsartikel von 1969 zeigte G. Hedlund [Hed], daß die Automorphismengruppezweiseitiger, nichttrivialer SFTs stets abzählbar unendlich sein muß, da zwischenkompakten Subshifts generell nur abzählbar viele stetige, shiftkommutierende Abbildungenexistieren und offensichtlich jede Potenz der Shiftabbildung zugleich ein Automorphismusist. Insbesondere hat jeder Automorphismus beschränkte Kodierlänge.Ebenfalls auf G. Hedlund geht das wichtigste Verfahren zur Konstruktion von Automorphismen,die sogenannte Marker-Methode zurück: Sei M ∈ B(X) ein Markerblock einesnichttrivialen SFTs (X, σ) und W ⊆ B n (X) (n ∈ N) eine Menge von Blöcken gleicher Länge,so daß jedes Wort der Form M W M mit W ∈ W für X zulässig ist und der Block Mjedes solche Wort nur in trivialer Weise, d.h. auf den ersten bzw. letzten |M| Symbolen,überlappen kann. Zu jeder Permutation π : W → W läßt sich ein Markerautomorphismusϕ π : X → X definieren, der in jedem Punkt aus X alle Blöcke der Form M W M durch die(gleichlangen) Blöcke M π(W ) M ersetzt. Solche Abbildungen sind nach Wahl von M undW wohldefiniert, bijektiv, stetig und sie vertauschen mit der Shiftabbildung. Obwohl dieMenge W bei geeigneter Wahl des Markers M (und wachsendem n) beliebig groß gemachtund damit nach dem Satz von Cayley jede endliche Gruppe in der Automorphismengrupperealisiert werden kann, hat jeder Markerautomorphismus eines SFTs endliche Ordnung.Eine Einschränkung, die durch Komposition aufgehoben wird, wie das in [Hed] beschriebeneBeispiel zweier involutorischer Markerautomorphismen zeigt, deren Produkt unendlicheOrdnung hat.Diese einfachste Form der Marker-Methode und entsprechende Verallgemeinerungen wurdenin den 1980er Jahren dazu benutzt, verschiedenste Untergruppen der Automorphismengruppezu konstruieren. Einen Überblick über die dabei entdeckten, vielfältigen und kompliziertenStrukturen geben [BLR] und [Kit]. Für jeden mischenden, nichttrivialen SFT (X, σ) enthältAut(σ) die direkte Summe jeder abzählbaren Familie endlicher Gruppen, die direkte Summeabzählbar vieler Kopien von Z, die von abzählbar vielen Generatoren erzeugte freie Gruppesowie all deren Untergruppen. Eine spätere Arbeit [KR1] bettet zudem die Fundamentalgruppejeder 2-Mannigfaltigkeit sowie jede abzählbare, residual endliche, lokal-endliche (i.e.jede endliche Teilmenge liegt in einer endlichen Untergruppe) Gruppe in Aut(σ) ein.Als einschränkende Resultate seien die Nichtexistenz von endlich erzeugten Untergruppenmit unlösbarem Wortproblem sowie die residuale Endlichkeit der Automorphismengruppeund damit all ihrer Untergruppen erwähnt [BLR]. Letzteres beruht allein auf der Tatsache,daß Subshifts über einem endlichen Alphabet zu jeder Periodenlänge nur endlich vieleperiodische Punkte enthalten, und daß diese in einem transitiven SFT eine dichte Teilmengebilden. Als direkte Konsequenz dieser algebraischen Eigenschaft lassen sich weder einfacheGruppen unendlicher Ordnung noch nichttriviale, divisionsvollständige Gruppen wieA N,f , PSL n (Q) (2 ≤ n ∈ N), Q, Z(p ∞ ) mit p ∈ N prim in Aut(σ) realisieren. Unbekanntist bis heute allerdings, ob Gruppen der Form Z[ 1 / p ] (p prim) als Untergruppen in Aut(σ)auftreten können.Schließlich bewiesen H. Kim und F. Roush [KR1], daß die Automorphismengruppe jedes mischenden,nichttrivialen SFTs bereits die Automorphismengruppe jedes vollen zweiseitigenShifts enthält. Obwohl dies impliziert, daß die Automorphismengruppen aller vollen Shifts