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1/2013 - Psychotherapeutenjournal

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G. A. Cöppicus Lichsteiner / H. Eickmann / M. PudlatzAustausch über spirituell-religiöse Erfahrungen – jenseits von VorurteilenMeike PudlatzLiebe Redaktion, liebe Autorinnen und Autorendes Titelthemas,zuerst einmal meinen herzlichen Dank,dass Sie dieses so spannende und ausmeiner Sicht dringend zu diskutierendeThema, welchen Platz religiös-spirituelleFragen innerhalb einer Psychotherapie einnehmenkönnen und sollten, ansprechen.Nicht nur mir liegt das schon länger amHerzen. Daher hat für mich das Vorgehenin der Positiven Psychotherapie nach Prof.Dr. Nossrat Peseschkian auch eine besondereAnziehungskraft. Dort werden religiöse,spirituelle, Sinn- und Wertefragen dem„4. Bereich“ des „Balancemodells“ zugeordnetund explizit erfragt (also ähnlichdem Typ II in Prof. Groms Einteilung). Denvier Bereichen des Balancemodells: 1.Körper, 2. Leistung, 3. Kontakt und 4. Fantasie/Zukunft/Sinn(dieser Bereich lässtsich leider schwer mit einem einzigenSchlagwort fassen) entsprechen vier Wege/Mittelder Erkenntnis. Das sind 1. Sinne,2. Verstand, 3. Tradition und 4. Intuition.Indem alle Wege in ihrem je eigenenWert anerkannt und genutzt werden, löstsich der Widerspruch auf bzgl. der in demArtikel von Jürgen Hardt und Anne Springerangesprochenen Frage, worauf sichder Mensch verlassen könne/solle, umsich im Leben zu orientieren (Glaube vs.logischer Verstand/Forschung). In keinemder genannten vier Bereiche wird ein Alleinvertretungsanspruchgesucht oder gefunden.Prof. Peseschkian hat seinen Ansatz undseine Arbeit immer auch als einen Beitragzur Verständigung zwischen Kulturen, Religionenund Traditionen (auch Therapietraditionen)verstanden. In meiner Arbeit mitMenschen unterschiedlicher religiöserÜberzeugungen und Herkunft erweist sichfür mich immer wieder der Wert eines solchenwertschätzenden und die Religiosität/Spiritualitätausdrücklich einbeziehendenModells, in dem zugleich niemandeiner bestimmten religiösen Tradition folgendbelehrt oder bekehrt wird. Es könnenauch Geschichten/Weisheiten unterschiedlichsterTradition eingebracht werden.Die Patienten melden mir zurück,dass sie sich ganzheitlich gesehen undverstanden fühlen, angeregt werden, sichdiesem wichtigen, aber in unserer Leistungsgesellschaftallzu oft vernachlässigtenBereich wieder zuzuwenden, z. B. mit denFragen „Wozu leiste ich eigentlich so viel?Welchen über mich hinausgehenden, gesellschaftlichenoder religiösen Wert undSinn hat mein Tun und Streben? Wasmöchte ich, dass von mir erinnert oder bewahrtwird?“ ... Oft – auch das wurde bereitsangesprochen – erschließt sich erstaus einer solchen Perspektive eine Art Sinnder Erkrankung, die Chance umzusteuernund die Erkrankung anzunehmen.Was aber meiner Meinung nach ebenfallsgewürdigt werden sollte – und das wardem Artikel von Bernhard Grom nicht sozu entnehmen – ist die Arbeit sog. spirituelleroder religiöser Begleiter. Dass es bisherkeine Forschungsergebnisse gibt, inwieweitgeistige Heilung im weitestenSinne stattfindet und möglich ist, solltenicht zu einer vorschnellen Ablehnung derselbenführen. Immerhin haben z. B. schamanischeRituale eine wesentlich längereTradition als unsere moderne Forschungvon sich behaupten kann. Wir sollten unsdavor hüten, nur das (anzu)erkennen, waswir kennen. Dabei stimme ich den AutorenRichard und Freund zu, dass mit spirituellerBegleitung/geistiger Heilung etc. das Feldder Richtlinien-Psychotherapie verlassenwird. Jedoch erscheint es mir denkbar,nicht nur an christliche Seelsorger, sondernggf. auch an Heiler anderer Traditionen zuverweisen. Dort gemachte Erfahrungenkönnen dann wiederum Thema in der Psychotherapiesein, sofern der Therapeutdem informiert und aufgeschlossen gegenübersteht und sich der Andersartigkeitdes therapeutischen Vorgehens bewusstbleibt. So wie es sowohl begrüßt als auchteils belächelt wird, wenn Somatiker, anden Grenzen ihrer ärztlichen Kunst angelangt,den Patienten Psychotherapie empfehlen,könnten auch Psychotherapeutenam Rande ihrer Möglichkeiten auf die Ideekommen, an „geistige Heiler“ im weitestenSinne für weitergehende Hilfe zu verweisen.Dazu wäre es natürlich wünschenswert,mehr über die Möglichkeiten undGrenzen anderer, geistiger Heiltraditionenzu wissen, um gezielt und verantwortungsbewusstvorgehen zu können – so wie ichmir das auch von meinen somatisch tätigenKolleginnen und Kollegen in Bezug aufdie Psychotherapie wünsche (und oftauch erlebe).Für die Zukunft wünsche ich mir, dass dieoft anzutreffende Scham bzgl. des Sprechensüber spirituelle/religiöse Erfahrungenweiter abnimmt. Einen breiten Austauschüber Herangehensweisen imUmgang mit spirituellen Fragen in derPsychotherapie der unterschiedlichenSchulen, einen offeneren Austausch überspirituell-religiöse Erfahrungen jenseitsvon Vorurteilen, die stärkere Betonungdieses Lebensbereiches in der Psychotherapieausbildungsowie der Selbsterfahrungund Supervision, fände ich sehrbereichernd.Dipl.-Psych. Meike Pudlatz,Hamburg<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 1/<strong>2013</strong>45

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