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1/2013 - Psychotherapeutenjournal

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M. Kluckenzeichnet) durch folgende Gegensatzpaareunterscheiden:• Ein- und Ausschlusskriterien: eng – weit• Behandlungsprotokolle:standardisiert– flexibel• Ergebnisparameter: optimiert – patientenrelevant• Kontext der Studie: experimentell –Routineversorgung (Witt, Treszl & Wegscheider,2011).CER werden auch zur Bewertung des klinischenNutzens der personalisierten Medizinunter den Bedingungen der Alltagsversorgunggefordert (Browman, 2012). Wennetwa ein neues genombasiertes Medikamentunter standardisierten experimentellenBedingungen eine starke Blockade derKrebszellenteilung bei bestimmten genetischenPatientenuntergruppen zeigt, mussdiese Wirkung unter vielen Kontextbedingungender Alltagsversorgung bewertetwerden. Dazu gehören die Nebenwirkungen,die relative Bedeutung der experimentellermittelten Medikamentenwirkung mitalternativen Behandlungsmethoden, dieWirkung in verschiedenen Altersgruppenund auch die gesellschaftlich zu erbringendenKosten, die vielleicht in sinnvollere Gesundheitsprojekteinvestiert werden sollten.Im Folgenden geht es um einen anderenproblematischen Aspekt von RCT, nämlichdie Homogenisierung der abhängigenVariablen (Versuchspersonen) als Folgedieses Studiendesigns. Es besteht eine gewisseÜberschneidung mit der Zielsetzungder oben genannten Kritik mangelnder externerValidität, da diese Homogenisierungder Versuchspersonen ebenfalls wenig derRealität von Patienten in der Routineversorgungentspricht.Es werden jedoch, wie später im Einzelnengezeigt werden wird, andere Konsequenzengezogen als die Ergänzung von RCTsdurch CER. Dies gilt insbesondere für dieEin- und Ausschlusskriterien, die bei CERentsprechend den Routinebedingungenweit gefasst sind und deren Wirksamkeitsergebnissein Durchschnittswerten angegebenwerden. In der stratifizierenden Psychotherapieforschungerfolgt die Wirksamkeitsstudiedagegen mit differenzierterenUntergruppen, die aufgrund unterschiedlicherbehandlungsrelevanter Kontextfaktorenuntergliedert werden.Bei einem RCT besteht die Gruppe derVersuchspersonen (Gesamtstichprobe) ursprünglichaus heterogenen Individuen,die ein Zielmerkmal – die zu untersuchendeKrankheit – gemeinsam haben, währendsie sich in zahlreichen anderen Merkmalenunterscheiden. RCTs verwandelndiese heterogene Gruppe durch zufälligeZuteilung auf Versuchs- und Kontrollgruppeund anschließende Mittelwertbildungsozusagen zu zwei strukturgleichen Versuchspersonen.Dadurch erfolgt eine Homogenisierungder ursprünglichen Heterogenitätder Probanden.RCTs bilden also nicht einfach Patientengruppenab, sondern konstruieren durchihr Design ein bestimmtes, homogenisiertesModell von ihnen. Dieses homogenisierteModell kann dabei wesentliche Differenzierungenso stark eliminieren, dasses nicht mehr valide ist im Sinne einer angemessenenAbbildung dessen, was dasModell zu messen vorgibt.Dieser Grundgedanke soll an zwei starkvereinfachten Beispielen gezeigt werden:Beispiel 1: Die Wirkung eines neuen psychotherapeutischenVerfahrens A auf Depressionensoll im RCT-Design geprüftwerden. Die männlichen und weiblichenVersuchspersonen mit einem Mindestpunktwertin einem standardisierten Depressionsfragebogenund evtl. weiterenIndikatoren werden zufällig Versuchs- undKontrollgruppen zugeteilt, um Strukturgleichheitzu erreichen. Die individuellenKennwerte werden zu Gruppendurchschnittswertenzusammengefasst. Die Versuchsgruppeerhält das Verfahren A, dieKontrollgruppe ein Standardverfahren, dieKontrolle erfolgt nach drei Monaten. DasErgebnis: signifikante Verringerung desdurchschnittlichen Depressionspunktwertesin der Versuchs- gegenüber der Kontrollgruppe.Schlussfolgerung aus der RCT:Das neue Verfahren A ist mit Evidenzgrad2 antidepressiv wirksam.Die stratifizierende Analyse (das heißt dieUntersuchung der einzelnen Probandenergebnissesowie eine darauf beruhende Untergruppenbildungstatt der Durchschnittswerte)zeigt allerdings: Nur die Hälfte derProbanden in der Versuchsgruppe, nämlichdie weiblichen, profitieren von dem neuenVerfahren A, die männlichen nicht. Dasdurch das RCT-Design konstruierte strukturgleichemännlich-weiblich-homogenisierteMischwesen ist – bezogen auf diese bestimmteBehandlung – kein valides Patientenmodell.Die aus dem RCT-Ergebnis gewonneneAussage ist zu allgemein undverzerrend. Behandlungsrelevanter Kontextfaktorist hier das Geschlecht, das fälschlicherweisedurch das RCT-Design als Störvariableeliminiert wurde.Um diese undifferenzierte Vermischung zuverhindern, müsste die Gesamtstichprobein zwei Subgruppen – eine mit männlichen,eine mit weiblichen depressiven Versuchspersonen– stratifiziert werden. Das Geschlechtvertritt hier sozusagen die Rolledes Biomarkers in der stratifizierenden Medizin.Beide Gruppen werden dann bezüglichihrer Ansprechbarkeit auf die Behandlungverglichen. Dieses Design wird in derpersonalisierten Medizinforschung als „enrichmentdesign“ (Mandreka & Sargent,2011) bezeichnet. In diesem „angereichertenDesign“ befinden sich die Probandenmit den „personalisierten Merkmalen“ inder einen, die Probanden ohne diese „Marker“in der anderen Vergleichsgruppe.Beispiel 2: Gleiche RCT-Studie, ebenfallssignifikantes positives Ergebnis für das BehandlungsverfahrenA. Wieder zeigen sichin einer stratifizierenden Analyse zwei Subgruppenin der Versuchsgruppe. Subgruppe1 mit starker antidepressiver Wirkung,Subgruppe 2 ohne Effekt. Diesmal befindensich in beiden Subgruppen etwagleich viele Männer und Frauen. Damit gestaltetsich die weitere stratifizierende Analyseschwieriger. Schließlich wird deutlich:In Subgruppe 1 zeigen alle Probanden einestark verselbstständigte Depression,das heißt eine Depression, die keinen Bezugauf aufrechterhaltende aktuelle depressogeneEreignisse oder Einstellungsmusteraufweist, sondern ohne erkennbarenäußeren Anlass auftritt. Eine solcheVerselbstständigung könnte eventuelldurch mehrfach wiederholte, längere depressiveEpisoden (Bahnungseffekte) oder<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 1/<strong>2013</strong>7

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