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1/2013 - Psychotherapeutenjournal

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Personalisierungsansatz in der Medizin: Nützlich auch für die Psychotherapie?als besonders wirksam geltenden psychologischenDepressionstherapien dauerhaftgeholfen.“ (Grawe, 2004, S. 229). Dieausschließlich pharmakologisch behandeltenPatienten schneiden bezüglich deslangfristigen Erfolges noch etwas schlechterab. Der Grund für diese überraschendniedrigen Erfolgsraten liegt darin, dass indieser Metaanalyse verzerrende Faktorenwie Placeboeffekte, Spontanremissionenund Beschränkung auf kurzfristige Besserungensowie Abbrüche im Sinne einesIntention-to-Treat-Auswertungsansatzes einberechnetwurden, was in den Publikationenleider nicht immer geschieht. DiesesErgebnis weist nachdrücklich auf die unterschiedlicheWirkung psychotherapeutischerBehandlungen bei unterschiedlichenMenschen mit gleicher Krankheitsdiagnosehin sowie auf einen erheblichen Bedarf,die Wirksamkeit psychotherapeutischerBehandlungen zu verbessern. Diese zumTeil deutlichen Streuungen finden sichnicht nur in Depressionsstudien, sondernauch bei anderen Störungsgruppen, einweites Feld also für stratifizierende Psychotherapieforschung.Der Stratifizierungsansatz in der Medizinergänzt die Frage der klassischen Wirksamkeitsforschung(„Welche Wirksamkeit hateine bestimmte Behandlung bei welcherStörung?“) um folgende differenzierendeFragen „Warum reagieren Menschen mitder gleichen Störung auf die gleiche Behandlungunterschiedlich? Inwieweit sindbehandlungsrelevante Kontextfaktoren dafürverantwortlich? Wie lassen sich unterBerücksichtigung solcher behandlungsrelevanterKontextfaktoren passgenauere Behandlungenfür diese unterschiedlichenSubgruppen entwickeln?“ Genau dieseFragen wären aber auch nützlich für einestratifizierende Psychotherapieforschung.Konventionelle undstratifizierte WirksamkeitsforschungKonventionelle WirksamkeitsforschungAls „konventionelle“ Wirksamkeitsforschungwird hier die gegenwärtig vorherrschende,den Vorgaben der evidenzbasierten Medizinfolgende Forschungsrichtung der Psychotherapiebezeichnet, so wie sie z. B. imMethodenpapier des WissenschaftlichenBeirates Psychotherapie (WBP) beschriebenwurde (Version 2.8, WBP, 2010). Dabeigeht es um die Frage: „Welche Wirkunghat eine spezifische Behandlung auf einspezifisches Krankheitsbild?“ Die entscheidendeAnforderung für einen Wirksamkeitsnachweisist dabei der Nachweis internerValidität eines Verfahrens, das heißt,die Veränderung der zu untersuchendenpsychischen Erkrankung (abhängige Variable)muss eindeutig auf die jeweilige Behandlung(unabhängige Variable) zurückzuführensein. Der höchste Gradempirischer Evidenz für diese Kausalitätwird RCTs zugeschrieben. Sie gelten als„Goldstandard“ bei Studien, die kausaleZusammenhänge zwischen einer Therapieund ihrer Wirksamkeit überprüfen (z. B.Kabisch, 2011; Windeler, 2007).RCTs ermöglichen eine eindeutige Messungdes Effektes einer ganz bestimmtenEinflussgröße auf einen Untersuchungsgegenstandunter der erschwerenden Bedingung,dass der Untersuchungsgegenstandzugleich einer Vielfalt nicht interessierender,nicht bekannter oder unkontrollierbarerEinflussgrößen ausgesetzt ist. Das Designermöglicht die Eliminierung dieser als„Störvariablen“ bezeichneten Einflussgrößen.Der große Vorteil dieses Studientypsbesteht also darin, dass Unterschiede inder abhängigen Variablen (z. B. Patientenmit einer Krankheit) zwischen beidenGruppen eindeutig auf die zu untersuchendeEinflussgröße und nicht auf Störvariablenzurück geführt werden können (interneValidität). Die Operationalisierungder unabhängigen und abhängigen Variablenerlaubt darüber hinaus Reproduzierbarkeitund empirische Falsifizierbarkeit einerUrsache-Wirkungs-Beziehung.Probleme von RCTs aus derSicht einer stratifizierendenWirksamkeitsforschungRCTs als Goldstandard wurden von medizinischer(z. B. Willich, 2006; von Wichert,2005) und psychotherapeutischer Seitevielfach kritisiert. Ein Kernpunkt ist der Vorwurfmangelnder externer Validität, dasheißt mangelnder Gültigkeit der Ergebnisseunter den Bedingungen der Alltagsversorgung,üblicher RCTs. Gegenüber RCTswurde insbesondere von psychotherapeutischerSeite darüber hinaus die Unangemessenheitdes naturwissenschaftlichen,medizinischen Modells für die Psychotherapiekritisiert (Revenstorf, 2005; Tschuschke,2012; Zurhorst, 2003).Die Kritik mangelnder externer Validitätfand auch Aufnahme in das Methodenpapierdes WBP (Version 2.8, WBP, 2010) insofern,als auch der Nachweis externerValidität als Kriterium zur wissenschaftlichenAnerkennung gefordert wurde. Ungelöstbleibt dort allerdings die teilweiseGegensätzlichkeit in den Anforderungenfür interne und externe Validität. Dies wirdbesonders deutlich in der Gruppenzuweisung,bei der für die interne Validität eineRandomisierung, für die externe Validitätdagegen die eigene Wahl der Patienten füreine Versuchs- bzw. Kontrollgruppe gefordertwird.Zur Verbesserung der externen Validitätwird zunehmend ein neuer Typ von Wirksamkeitsstudiendiskutiert und vor allem inden USA mit hohem finanziellen Aufwandgefördert, der als comparative effektivenessresearch (CER) bezeichnet wird(Browman, 2012; Witt, Treszl & Wegscheider,2011; Ginsberg & Kuderer, 2012). Ersoll klassische RCTs nicht ersetzen, sondernergänzen. Dieser Forschungstyp vergleichtTherapiealternativen direkt, verwendetpatientenrelevante Parameter undlässt die Studien unter meist weniger standardisiertenAlltagsbedingungen ablaufen.Dagegen werden zum Wirksamkeits- undSicherheitsnachweis für die Erlangung derZulassung eines Medikamentes oft optimierteklassische RCTs verwendet, dasheißt, „man versucht den Effekt einer Therapiedurch Endpunktwahl und Standardisierungunter Beachtung behördlicher Vorgabenzu maximieren. MultimorbidePatienten, Minoritäten und ältere Patientenwerden aus diesen Studien oft ausgeschlossen.Zudem werden in der Regelhochgradig standardisierte Behandlungsprotokollemit kurzen Nachbeobachtungszeitenverwendet, die im Praxisalltag oftnur mit fraglichen Compliance umgesetztwerden.“ (Witt, Treszl & Wegscheider,2011). Klassische RCTs lassen sich vonCER (auch als „pragmatische Studien“ be-6 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 1/<strong>2013</strong>

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