DGM-Handbuch Mit der Krankheit leben lernen - Deutsche ...
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Schleim immer tiefer aus den Atemwegen abgesaugt<br />
werden - eine <strong>leben</strong>snotwendige, aber auch<br />
sehr unangenehme Prozedur, vor allem wenn sie<br />
bei einem akuten Anfall sehr schnell vorgenommen<br />
werden muss.<br />
Mein Mann war schließlich mit seiner Kraft und<br />
seinem Lebensmut ziemlich am Ende; <strong>der</strong> „Krankenhauskoller“<br />
kam dazu. Wir alle hatten gern gewollt,<br />
dass er wie<strong>der</strong> nach Hause kommt, wussten<br />
aber, dass das bei diesen medizinischen Erfor<strong>der</strong>nissen<br />
und <strong>der</strong> notwendigen Intensität <strong>der</strong> Betreuung<br />
schlecht möglich sein würde - auch das dichteste<br />
Hilfenetz von Familie, Nachbarn, Verwandten<br />
und Freunden wäre überfor<strong>der</strong>t gewesen. Es war<br />
mein Mann, <strong>der</strong> die Idee hatte sich das stationäre<br />
Hospiz anzusehen. Dort hatte man bereits Erfahrung<br />
mit ALS-Patienten. Frau W. vereinbarte einen<br />
Besuchstermin für uns.<br />
Obwohl das Hospiz seine Räumlichkeiten in einem<br />
Gebäudeflügel eines Krankenhauses hat, vermittelte<br />
es uns we<strong>der</strong> den Eindruck eines Krankenhauses<br />
noch den eines Pflegeheims - am ehesten<br />
noch den einer großen Wohngemeinschaft. Sieben<br />
helle freundliche Einzelzimmer für die Bewohner,<br />
mit Pflegebett, aber auch mit persönlich mitgebrachten<br />
Einrichtungsgegenständen, überall Pflanzen,<br />
die Wände voller Bil<strong>der</strong> und Fotos, schöne antike<br />
Möbel im Flur; ein großzügiger Wohn-, Küchen-,<br />
Ess-Gemeinschaftsraum mit Durchgang<br />
zum Garten als Treffpunkt für Bewohner, <strong>Mit</strong>arbeiter<br />
und Besucher. Frau H., die Leiterin, empfing<br />
uns freundlich, führte uns herum und nahm sich<br />
viel Zeit für all unsere Fragen. In großer Klarheit<br />
und Offenheit konnten wir auch die Patientenverfügung<br />
meines Mannes und seine darin geäußerten<br />
Wünsche (Ausschluss <strong>leben</strong>sverlängern<strong>der</strong> „maschineller<br />
Maßnahmen“) besprechen.<br />
Ich hatte Schwierigkeiten mich von dem Gedanken,<br />
dass mein Mann wie<strong>der</strong> nach Hause zurückkehren<br />
würde, zu verabschieden, wollte den Besuch<br />
erst einmal „sacken lassen“. Vor allem hatte<br />
ich Bedenken wegen <strong>der</strong> großen Entfernung - fast<br />
an<strong>der</strong>thalb Fahrstunden von unserem Zuhause entfernt.<br />
Zwei Tage später aber, nach einer für ihn unerträglichen<br />
Nacht im Krankenhaus, wollte mein<br />
Mann dort nicht mehr bleiben und vereinbarte<br />
(wie<strong>der</strong>um mit Hilfe von Frau W.) seine Übersiedlung<br />
ins Hospiz. Glücklicherweise war dort ein<br />
Zimmer unbelegt.Das Zimmer konnten wir nach<br />
seinen Vorstellungen einrichten. Selbst gemalte<br />
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Bil<strong>der</strong> unserer Kin<strong>der</strong> an den Wänden, „seine“<br />
Pflanzen auf den Fensterbänken, die kleine Musikanlage<br />
mit seinen CDs, das Bett so ausgerichtet,<br />
dass er in den Garten sehen konnte: Es sah dort<br />
bald nach „uns“ aus.<br />
Medizinisch werden die Hospiz-Bewohner neben<br />
den festen <strong>Mit</strong>arbeitern (Schwestern / Pfleger) von<br />
einer Hausärztin betreut, die außerdem noch eine<br />
eigene Praxis betreibt. Das hin<strong>der</strong>t sie aber nicht<br />
daran, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten<br />
auch im Hospiz zu erscheinen. In Notfällen kann<br />
außerdem medizinische Hilfe vom Krankenhaus<br />
hinzugezogen werden, auf dessen Gelände sich<br />
dieses Hospiz befindet.<br />
Besucher können je<strong>der</strong>zeit kommen und gehen,<br />
dürfen und sollen je nach ihren Möglichkeiten<br />
gerne helfen beim Teekochen, Bett richten, bei <strong>der</strong><br />
Körperpflege und <strong>der</strong> Bewegung in den Räumen.<br />
Unsere Kin<strong>der</strong> wurden beson<strong>der</strong>s herzlich und liebevoll<br />
von den <strong>Mit</strong>arbeitern aufgenommen;<br />
sie durften im Gemeinschaftsraum spielen, malen,<br />
basteln und fernsehen o<strong>der</strong> im Garten herumtoben.<br />
Einfühlsam suchten auch immer wie<strong>der</strong> <strong>Mit</strong>arbeiter<br />
das Gespräch mit uns. Sowohl die Kin<strong>der</strong> als<br />
auch ich hatten das Gefühl mit unseren Sorgen<br />
nicht allein gelassen zu werden. Wir konnten (nach<br />
Voranmeldung) dort übernachten - im Diakonissen-Mutterhaus<br />
im Stockwerk über dem Hospiz<br />
können Gästezimmer preiswert gemietet werden.<br />
Was uns vieren (und auch den an<strong>der</strong>en besuchenden<br />
Freunden und Verwandten) so gut tat, war <strong>der</strong><br />
Eindruck von Ruhe, Zeit, Luft und Raum. Keine<br />
Krankenhaushektik mehr, keine kräftezehrende,<br />
uns überfor<strong>der</strong>nde (und doch das Wesentliche vernachlässigende)<br />
Pflege zu Hause, son<strong>der</strong>n das Gefühl,<br />
dass <strong>der</strong> Mensch, den wir lieben, freundlich,<br />
aufmerksam und respektierend versorgt wird, so<br />
dass wir einfach nur bei ihm sein können. In Ruhe<br />
an seinem Bett sitzen können, uns gegenseitig<br />
etwas „erzählen“, Zeit für die Kin<strong>der</strong> haben, zu<br />
Hause die Gedanken fließen lassen und meinem<br />
Mann einen langen Brief schreiben können: All<br />
das habe ich als echtes Geschenk empfunden.<br />
Auch mein Mann fühlte das so; natürlich fragten<br />
alle besuchenden Freunde ihn, ob es ihm im Hospiz<br />
gut ginge. Er antwortete mit einem erhobenen<br />
Daumen.