Landessportverband für das Saarland
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FUSSBALL-NOSTALGIE<br />
Fußballspiele, die man nicht vergisst - Vor 25 Jahren im DFB-Pokal<br />
Als die Meisterschwaben im Ludwigspark<br />
<strong>das</strong> „blau-schwarze Wunder“ erlebten<br />
Im Februar 1985 wurde der Saarbrücker<br />
Ludwigspark <strong>für</strong> den VfB Stuttgart,<br />
damals deutscher Fußball-Meister, zur<br />
Pokal-Stolpergrube. Hinspiel im Neckarstadion<br />
im Dezember 1984 nach 120 Minuten<br />
0:0. Rückspiel beim Zweitligisten Saarbrücken<br />
nach 120 Minuten 2:2. Elfmeterschießen<br />
3:0 <strong>für</strong> den FCS In der Gesamtaddition<br />
5:2 (2:2). Vor allem daheim im<br />
Schwabenland begegnete dem Champion<br />
nach der Rückkehr viel Spott und Hohn. Beim<br />
1. FCS kannte der Jubel keine Grenzen. Im<br />
Zentrum der Freude stand Torhüter Carsten<br />
Hallmann. Er hatte zwei Elfmeter pariert.<br />
VfB-Spieler Reichert setzte einen Schuss<br />
neben <strong>das</strong> Tor. Spiele, die man nicht vergisst…<br />
VfB Stuttgart gegen 1. FC Saarbrücken. Oder<br />
umgekehrt. Wir erinnern uns: 1952 verlor Saarbrücken<br />
<strong>das</strong> Finale um die deutsche Meisterschaft<br />
in Ludwigshafen gegen die Schwaben<br />
unglücklich mit 2:3. Und jetzt der Stuttgarter Tiefflug<br />
als deutscher Meister im Achtelfinale des<br />
Pokal-Wettbewerbs. Der 1. FCS hatte im Hinspiel<br />
am Neckar trotz Unterzahl dem Meister die<br />
Verlängerung und ein zweites Spiel aufgezwungen;<br />
0:0 nach 120 Minuten! Vor eigenem Publikum<br />
hatten die VfB-Akteure zwei Stunden lang<br />
Torschuss-Hilflosigkeit praktiziert. Dabei musste<br />
der Außenseiter von der Saar ganze 50 Minuten<br />
lang mit zehn Mann auskommen. Kaum war Santos<br />
Muntubila (Zaire) durch Guido Szesni ersetzt<br />
worden, verließ Reinhard Brendel verletzt den<br />
Platz. Saarbrücken hatte so sein Austausch-Kontingent<br />
schon früh aufgebraucht. Mit dem Mut<br />
der Verzweiflung stemmten sich die unterklassigen<br />
Gäste den (halb-)meisterlichen Attacken<br />
entgegen; sie hatten mit konsequenter<br />
Deckungsarbeit guten Erfolg;<br />
„Im Wiederholungsspiel werden wir die Saarbrücker<br />
trotz ihrem Heimvorteil im Vierkant<br />
rundschlagen“, kündigte der VfB-Präsident und<br />
damalige baden-württembergische Kultusminister<br />
Gerhard Mayer-Vorfelder grantelnd eine<br />
neue Art von Fußballspiel an, nachdem der Termin<br />
<strong>für</strong> die zweite Begegnung gleich dreimal<br />
wegen des Winters hatte verschoben werden<br />
müssen. Die drohende Präsidenten-Ansage vom<br />
Neckar ermunterte den FCS-Trainer Uwe Klimaschefski<br />
zu diesem Spott: „Die Stuttgarter müssten<br />
uns doch eigentlich dankbar sein. Durch <strong>das</strong> 0:0<br />
durften sie einige Wochen länger im Pokalwettbewerb<br />
bleiben.“ Der Sport-Informationsdienst<br />
(sid) Düsseldorf verbreitete diesen Satz genüsslich<br />
und bundesweit als „Spruch des Tages“.<br />
7. Februar 1985. Tatort Ludwigspark. 30000<br />
Zuschauer. Fast nur Saarländer. 1000 Karten<br />
FCS-Torwart Carsten Hallmann war an<br />
jenem 7. Februar 1985 der gefeierte Star.<br />
hatte der 1. FCS an die gegnerische Adresse<br />
geschickt. Sie kamen bis auf wenige Ausnahmen<br />
zurück. Zurück schlug die Saarbrücker Mannschaft<br />
im Spiel nach der jeweiligen Stuttgarter<br />
Führung: 0:1 (14.) durch Kempe, 1:1 (40.) durch<br />
Norbert Hönnscheidt, 1:2 (80.) durch Jürgen<br />
Klinsmann, 2:2 (87.) durch Michael Blättel. Der<br />
spätere Bundestrainer Klinsmann war sich durch<br />
seinen Treffer zehn Minuten vor dem vermeintlichen<br />
Ende der VfB-Sache schon sicher gewesen.<br />
Der Blättel-Schuss zum späten Ausgleich wirkte<br />
auf die Schwaben wie ein Blatt-Schuss und kippte<br />
den leicht erregbaren Klinsmann aus dem seelischen<br />
Gleichgewicht. Wütend rannten er und seine<br />
Mitspieler gegen <strong>das</strong> FCS-Tor an, wollten bis<br />
zur 90. Minute unbedingt den 3:2-Siegtreffer<br />
schaffen. Da brannte die Sicherung beim Trotzkopf<br />
„Klinsi“ durch. Der Schiedsrichter Werner<br />
Föckler aus Weisenheim hatte die „lodernde<br />
Fackel“ aus dem Schwabenland aufmerksam im<br />
Visier und in der 89. Minute genug von Klinsmanns<br />
derben Provokationen: Rote Karte! Und<br />
so fehlte dem VfB nach 120 Minuten ein sicherer<br />
Schütze <strong>für</strong> die Entscheidung am Elfmeterpunkt.<br />
Dabei wurde der FCS-Torhüter Carsten Hallmann<br />
zum Helden des Winterabends: Er meisterte<br />
die Schüsse der Nationalspieler Karl Allgöwer<br />
und Karl-Heinz Förster. Und zu allem Stuttgarter<br />
Pech setzte Reichert seinen Schuß neben <strong>das</strong> Tor.<br />
Für Saarbrücken trafen Stefan Jambo, Michael<br />
Blättel und Norbert Schlegel. Also: 2:2 und 3:0<br />
machte im Endergebnis ein 5:2 <strong>für</strong> den Außenseiter!<br />
Auf ihren Nationalspieler Wolfgang Seel<br />
(gesperrt) hatten die Gastgeber verzichten müssen.<br />
„Den Stuttgartern haben wir gezeigt, <strong>das</strong>s wir<br />
in Saarbrücken nicht mit Gummistiefeln Fußball<br />
spielen“, grinste „Klima“ in gewohnt sarkastischer<br />
Manier. 240 Pokalminuten gegen einen Zweitligisten,<br />
in denen der Meister nach schwäbischer<br />
Lesart zum „Meischderle“ geschrumpft war.<br />
Darauf durfte man rund um den Ludwigspark stolz<br />
sein. Hausfriedensbruch herrschte dagegen rund<br />
um <strong>das</strong> Neckarstadion. Auf der nächtlichen<br />
Heimfahrt verordnete der VfB-Trainer Helmut<br />
Benthaus erbost im Bus schon <strong>für</strong> den nächsten<br />
Morgen, Punkt acht Uhr, Strafexerzieren auf dem<br />
Übungsplatz. „Straftraining <strong>für</strong> die Versager“, lautete<br />
die Überschrift in einer Stuttgarter Zeitung<br />
am folgenden Tag.<br />
Für Carsten Hallmann hatte der nächste Tag<br />
ein Tag wie jeder andere werden sollen. Dachte<br />
er. Als er aber am frühen Vormittag seinen Studienplatz<br />
im Vorleseraum an der Universität des<br />
<strong>Saarland</strong>es einnahm, schlug ihm prasselnder Beifall<br />
entgegen. Die Kommilitonen hatten längst<br />
Kenntnis von Hallmanns Glanznummer am Vorabend<br />
im Ludwigspark erhalten. Der in seiner Art<br />
bescheidene Torhüter musste den Applaus<br />
akzeptieren.<br />
Der 1. FCS hatte in der ersten Hauptrunde<br />
Rotweiß Essen 2:1, in der zweiten den 1. FC<br />
Nürnberg souverän mit 4:1 aus dem Wettbewerb<br />
geworfen. Nach Stuttgart reiste Hannover<br />
96 in den Ludwigspark: 1:0-Sieg der Saarbrücker<br />
im Viertelfinale! Der spätere DFB-Pokalsieger<br />
Bayer Uerdingen (2:1 im Finale gegen Bayern<br />
München) kam zum Halbfinale. 35000<br />
Zuschauer. Ausgeglichene Partie. Schwerer FCS-<br />
Abwehrpatzer in den Schlußminuten; glücklicher<br />
1:0-Erfolg <strong>für</strong> Uerdingen. Den finalen 2:1-Siegestreffer<br />
im DFB-Endspiel <strong>für</strong> Bayer 05 gegen<br />
Bayern München erzielte übrigens Wolfgang<br />
Schäfer, der später in der Bundesliga <strong>für</strong> den FC<br />
Homburg stürmte.<br />
Die Pokalpartien hatten den 1. FC Saarbrücken<br />
indes viel Kraft gekostet. Die fehlte beim<br />
Saisonendspurt in den Punktespielen. So verpaßte<br />
man den direkten Bundesliga-Aufstieg. Saarbrücken<br />
wurde Dritter der zweiten Liga, mußte in<br />
die Relegation. Daheim 2:0 gegen Bielefeld, auf<br />
der „Alm“ 1:1. Das war dann doch noch unerwartet<br />
der Aufstieg ins Oberhaus. Ein Jahr später, im<br />
Frühsommer 1986, stand die Kellertür leider wieder<br />
offen zum Abstieg. Und jetzt im Winter<br />
2010? Der 1. FCS, noch viertklassig, bewegt sich<br />
gut auf dem Kurs in Liga Nummer drei.<br />
▲ WILFRIED BURR<br />
2/2010<br />
Fotos: Hartung (2)<br />
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