NEUE REIFENZEITUNG 4/2012, Seite 54-93 - Reifenpresse.de
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TEIL ·2·<br />
4/<strong>2012</strong><br />
Und noch ein „Hybrid Wheel“<br />
Was ist eigentlich<br />
ein „Hybrid<br />
Wheel“?<br />
Die Rä<strong>de</strong>rbranche<br />
hat<br />
davon schon<br />
so einige gesehen:<br />
Erinnert sei an ein „Hybrid Wheel“,<br />
das <strong>de</strong>r norwegische Aluminiumgussrä<strong>de</strong>rhersteller<br />
Fundo Wheels mit freundlicher<br />
Unterstützung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Automobilherstellers<br />
Audi vor einigen Jahren<br />
präsentiert hatte und das auch hierzulan<strong>de</strong><br />
auf einer Technikertagung für diverse „Ahs“<br />
und „Ohs“ gesorgt hatte – Anfang 2009 war<br />
Fundo insolvent und verschwand von <strong>de</strong>r<br />
Rä<strong>de</strong>rlandkarte. Kein reines Aluminiumgussrad,<br />
son<strong>de</strong>rn eines aus purem Stahl<br />
war das im gleichen Jahr <strong>de</strong>r Fundo-Pleite<br />
erstmals gezeigte „Hybrid Wheel“, das<br />
Österreichs Alcar in <strong>de</strong>r eigenen Fabrik von<br />
Ambrosetti in <strong>de</strong>r Schweiz für <strong>de</strong>n Aftermarket<br />
herstellen lässt – angetreten mit <strong>de</strong>m<br />
Anspruch „Design meets Steel“, ist dies Rad<br />
ein La<strong>de</strong>nhüter. Das lässt sich für ein Rad,<br />
das millionenfach in die Erstausrüstung<br />
ging, nun wirklich nicht sagen: Bereits vor<br />
mehr als einem Jahrzehnt präsentierte Hayes<br />
Lemmerz ein „Hybrid Wheel“, das für uns<br />
Deutschsprachler „Strukturrad“ genannt<br />
wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ssen Folgeprodukte vor allem als<br />
„VersaStyle“ bekannt wur<strong>de</strong>n und sich damit<br />
bei <strong>de</strong>n Stylingansprüchen durchaus<br />
<strong>de</strong>m Aluminiumrad annäherten. Zwar scheiterte<br />
nicht dies stählerne „Hybrid Wheel“,<br />
wohl aber <strong>de</strong>r Anbieter, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>ssen<br />
Präsentation gleich zweimal pleite ging. Das<br />
neueste „Hybrid Wheel“ genannte Projekt<br />
Stahlrad Gussrad Schmie<strong>de</strong>rad<br />
Felge Stern Felge Stern Felge Stern<br />
Styling -- + 0<br />
Kosten + + 0 + 0 -<br />
Gewicht - - 0 + ++ +<br />
Werkzeug -- -- + + 0 --<br />
Quelle: Audi AG<br />
Vor-/Nachteile von Rä<strong>de</strong>rtechnologien<br />
Gussrad Gussrad + Schmie<strong>de</strong>rad„Hybrid Wheel“<br />
Flow-forming<br />
Gewicht 14,3 kg 13,1 kg 11,2 kg 10,0 kg<br />
Gewichtsersparnis - -1,2 kg -3,1 kg -4,3 kg<br />
Kosten 100% 108% 160% 120%<br />
Werkzeugkosten - + ++ ++<br />
Kostenin<strong>de</strong>x - 6,66 19,35 4,65<br />
Quelle: Audi AG<br />
Vergleich bei einem 19-Zoll-Beispielrad<br />
4/<strong>2012</strong><br />
4/<strong>2012</strong><br />
präsentierte En<strong>de</strong> September letzten Jahres<br />
erneut die Audi AG. Bei dieser Technologie<br />
ist das Rad aus Aluminium. Während <strong>de</strong>r<br />
Stern im Nie<strong>de</strong>rdruckkokillenguss erst in<br />
<strong>de</strong>r Legierung AlSi7Mg03 ganz traditionell<br />
gegossen und dann dann im sogenannten<br />
„Cobapress“-Verfahren umgeformt wird, soll<br />
die Felge in <strong>de</strong>r für diesen Prozess gängi-<br />
gen Legierung AlMgSi1 geschmie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Beim 1983 patentierten „Cobapress“<br />
(COuler = Gießen, BAsculer = Auswerfen,<br />
PRESSer = Pressen, Schmie<strong>de</strong>n) han<strong>de</strong>lt es<br />
sich um eine Kombination aus Gießen und<br />
Schmie<strong>de</strong>n. Dies „Hybrid Wheel“ by Audi ist<br />
ein „Zweiteiler“ (Mehrteiler haben ja oft Gewichtsvorteile).<br />
Und da fällt unwillkürlich ein<br />
Projekt ein, das Audi in <strong>de</strong>n 90er Jahren<br />
ebenfalls nutzte (aber auch auf Highend-<br />
Mo<strong>de</strong>llen von Porsche o<strong>de</strong>r Merce<strong>de</strong>s verbaut<br />
wur<strong>de</strong>), das mit <strong>de</strong>m unschönen Terminus<br />
„Rä<strong>de</strong>rtourismus“ behaftet war und<br />
das je<strong>de</strong>nfalls letzten En<strong>de</strong>s scheiterte: das<br />
„Hohlspeichenrad“ von <strong>de</strong>r damaligen ATS.<br />
Weil die bei<strong>de</strong>n Einzelteile dieses damals<br />
als so innovativ empfun<strong>de</strong>nen Aluminiumra<strong>de</strong>s<br />
von Kuka zusammengeschweißt wer<strong>de</strong>n<br />
mussten, herrschte ein munterer Verkehr<br />
zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Unternehmen.<br />
Von einer „Ökobilanz“ für dieses Rad<br />
sprach man damals zwar noch nicht, aber<br />
die Handlingkosten wur<strong>de</strong>n in die Höhe getrieben,<br />
ökonomisch war die Technologie<br />
<strong>de</strong>s „Zweiteilers“ Hohlspeichenrad nicht zu<br />
rechtfertigen.<br />
Solch einen „Rä<strong>de</strong>rtourismus“ muss<br />
man wie<strong>de</strong>r befürchten, wenn da ein ins<br />
Projekt involvierter Hersteller für <strong>de</strong>n (eher)<br />
gegossenen Stern, ein zweiter für die geschmie<strong>de</strong>te<br />
Felge und gar ein dritter fürs<br />
Montieren verantwortlich sein sollte. Denn<br />
man muss sich schon vergegenwärtigen,<br />
dass die renommierten Produzenten, die<br />
sich <strong>de</strong>m Gießprozess verschrieben haben,<br />
<strong>de</strong>m Schmie<strong>de</strong>n nicht so zugewandt sind<br />
und umgekehrt. Bei<strong>de</strong> Fraktionen sind einan<strong>de</strong>r<br />
nicht recht grün und halten jeweils ihre<br />
Technologie für die überlegene. Bislang<br />
kümmern sich um Gießen und Schmie<strong>de</strong>n<br />
zugleich im Wesentlichen nur „Nischenproduzenten“.<br />
Wer da aus <strong>de</strong>r Rä<strong>de</strong>rbranche<br />
Otto Fuchs o<strong>de</strong>r Uniwheels als Gegenbeispiele<br />
anführt, muss sich daran erinnern<br />
lassen, dass bei Fuchs das Gießen von Aluminium<br />
eine marginale Rolle spielt und bezogen<br />
auf das Fahrzeugrad nicht stattfin<strong>de</strong>t.