Nr. 11 (III-2015) - Osnabrücker Wissen
Nr. 11 (III-2015) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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STADT- & LANDGESCHICHTEN<br />
Bilder © Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück<br />
Westhang des Schölerbergs aber auch<br />
ein indirekter Hinweis auf die Bedeutung<br />
dieses Areals für die früheste <strong>Osnabrücker</strong><br />
Siedlungsgeschichte.<br />
Rund um Dom und Rathaus sind dagegen<br />
keine eindeutigen Belege für eine<br />
Siedlung oder eine andere Geländenutzung<br />
aus der Zeit vor den Sachsenkriegen<br />
(770 bis 800 n. Chr.) bei Ausgrabungen zu<br />
Tage getreten. Vermutlich gaben lediglich<br />
die verkehrsgünstige Lage der Sandkuppe,<br />
auf der später der Dom gebaut wurde, und<br />
die benachbarte Hasefurt den Anlass für<br />
die Entscheidung, hier gegen Ende des 8.<br />
Jahrhunderts das neue christliche Zentrum<br />
zu errichten und so einen Stützpunkt<br />
für die weitere Missionierung Norddeutschlands<br />
zu schaffen.<br />
Wo lag die Hasefurt,<br />
die das Dom-Zentrum<br />
zum Verkehrsknotenpunkt<br />
machte?<br />
Traditionell wird die Hasestraße als die<br />
älteste Straße Osnabrücks gesehen, weil<br />
sie in direkter Verlängerung der Johannisstraße<br />
und der Großen Straße auf eine<br />
historische Brücke zuführt. Hier standen<br />
mit dem Hasetor und der Vitischanze<br />
im Mittelalter zugleich mächtige Befestigungsanlagen<br />
zur Verfügung, um diesen<br />
Hase-Übergang zu sichern.<br />
Tatsächlich sind beide Bauten,<br />
und vermutlich auch die Hasebrücke,<br />
erst im Zuge des<br />
Stadtmauerbaus gegen<br />
Ende des 12. Jahrhunderts<br />
entstanden. Aufgabe<br />
der Vitischanze war<br />
es vor allem, die zentralen<br />
Stauanlagen zu sichern, die<br />
der Regulierung des Wasserstands<br />
der Hase dienten – genau<br />
dort, wo das Wasser zusammenlief, nachdem<br />
es auf der West- und Ostseite der<br />
Stadt durch die Stadtgräben als Teil der<br />
Festungsanlagen geflossen war. Eine Zerstörung<br />
der Stauanlagen hätte unweigerlich<br />
dazu geführt, dass große Abschnitte<br />
der Stadtgräben trocken gefallen wären<br />
und etwaigen Angreifern kaum noch<br />
Widerstand geleistet hätten. Die Archäologen<br />
fanden für den ältesten Verkehrsweg<br />
über die Hase eine andere Lösung: Zwischen<br />
den Straßen Kleine Domsfreiheit<br />
und Schwedenstraße entdeckten sie eine<br />
künstlich angelegte, dammartige Straße,<br />
die direkt auf die Hase zulief. Ihr Seitenraum<br />
war mit eingeschlagenen Holzpfählen<br />
vor zerstörerischem Hochwasser<br />
gesichert. In unmittelbarer Nähe lag ein<br />
Holzstapel, dessen Altersbestimmung anhand<br />
der Jahrringmethode das Jahr 772<br />
ergab. Auf der anderen Seite der Hase liegt<br />
heute der Nonnenpfad und damit der Beginn<br />
der Knollstraße, einer der wichtigsten<br />
mittelalterlichen Straßen, die in Richtung<br />
der frühmittelalterlichen Zentren Bremen,<br />
Verden und Minden führte.<br />
War die <strong>Osnabrücker</strong><br />
Domburg früher<br />
wirklich eine Burg ?<br />
Während bis in die 1970-er Jahre die Keimzelle<br />
der Stadt, die Domburg, noch als relativ<br />
kleine, rechteckige Flächeneinheit mit den<br />
Plätzen Große Domsfreiheit und Domhof<br />
gesehen wurde, können wir heute von einer<br />
wesentlich größeren Ausdehnung ausgehen,<br />
die bis an die Kranstraße und den Nikolaiort<br />
heranreichte.<br />
Besonders wichtige Hinweise ergaben sich<br />
1995 bei der Neubebauung des Innenhofs<br />
des Stadttheaters. Hier stießen die Ausgräber<br />
direkt unter dem Hofpflaster<br />
auf die Spuren von mehreren<br />
Holzgebäuden aus der<br />
Gründungszeit der Stadt<br />
um 800 n. Chr. Besondere<br />
Fundstücke wie ein großes<br />
bronzenes Schlüsselamulett<br />
und das Fragment<br />
eines goldenen Schwertgurtbeschlags<br />
zeigten deutlich, dass<br />
die damaligen Bewohner Angehörige<br />
einer gesellschaftlichen Führungsschicht<br />
waren.<br />
Nur etwas fehlte: Es traten weder bei dieser<br />
Ausgrabung noch bei allen anderen Grabungen<br />
im historischen Stadtkern eindeutige<br />
Überreste einer Wehranlage aus der Zeit<br />
um 800 n. Chr. zu Tage. Ähnlich ist die Sachlage<br />
auch in den anderen Bischofsstädten in<br />
Norddeutschland. Auch hier wurde zwar<br />
früher immer von Bischofsburgen gesprochen,<br />
die von Anfang an mit Wehrgräben<br />
und Mauern stark befestigt waren, doch in<br />
der neueren Forschung ist dieses Bild heute<br />
grundsätzlich stark in Frage gestellt worden.<br />
Stattdessen erwiesen sich die Ursprungsgründungen<br />
als mehrteiliges, unregelmäßiges<br />
Siedlungsgebilde in exponierter Lage,<br />
das in enger Anbindung an ein nahe gelegenes<br />
überregionales Verkehrsnetz gestanden<br />
haben muss und nicht von einem geschlossenen<br />
Befestigungsring umgeben war. Die<br />
Vorstellung, dass der Bischofssitz urspünglich<br />
eine Burg war, stammt vermutlich aus<br />
einer Zeit, die stark von romantischen Idealen<br />
geprägt war.<br />
Kamen bei Ausgrabungen tatsächlich Spuren<br />
von Befestigungsbauten ans Licht, konnten<br />
diese u.a. den späteren kriegerischen<br />
Zeiten vom späten 9. bis zum 10. Jahrhundert<br />
zugeordnet werden, als zunächst die<br />
Wikinger- und später die Ungarneinfälle für<br />
Angst und Schrecken unter den Bewohnern<br />
sorgten.<br />
Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit<br />
den Kirchbauten im ländlichen Raum: Bis<br />
auf wenige Ausnahmen waren sie ebenfalls<br />
nicht Zentrum eines Befestigungsrings, obwohl<br />
der bis heute übliche Name Kirchburg<br />
dies nahelegt. | BZ<br />
WISSEN KOMPAKT<br />
Der Autor dieses Artikels<br />
Bodo Zehm ist seit 1978 Mitarbeiter<br />
der Stadt Osnabrück. Er begann<br />
seine Tätigkeit als Museumspädagoge<br />
am Kulturgeschichtlichen Museum,<br />
wechselte dann 1981 als „Grabungsfotograf“<br />
zur Stadt- und Kreisarchäologie<br />
und führte seit 1982 als örtlicher<br />
Grabungsleiter selbst eine Vielzahl an<br />
Ausgrabungen in Stadt und Landkreis<br />
durch. Ende 2002 wurde er gemeinsam<br />
von Stadt und Landkreis mit der<br />
Leitung des Fachdienstes Archäologische<br />
Denkmalpflege beauftragt.<br />
Kontakt: Bodo Zehm<br />
Stadt- & Kreisarchäologie Osnabrück<br />
Lotter Straße 2 · 49078 Osnabrück<br />
E-Mail: zehm@osnabrueck.de<br />
* Besonders gut erhaltene Fundstücke von der Ausgrabung der ältesten <strong>Osnabrücker</strong> Siedlung im Innenhof des Stadttheaters (alle Funde<br />
um 800 n. Chr.): Bronzenes Schlüsselamulett (sog Petrusschlüssel), Fragment eines vergoldeten Schwertgurtbeschlags, Eisenschlüssel<br />
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