SchlossMagazin für das Fuenfseenland – Dezember 2015
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tigen ließ, war eine Goliath-Figur <strong>für</strong> einen<br />
einem „Irrenhaus“, auf Isländisch „Kleppur“,<br />
Oldtimer. Schweizer erhitzt die Zinnmischung<br />
an der südisländischen Küste. Seine Mutter,<br />
im Gefäß über dem Ofen bei etwa 320 Grad.<br />
eine Isländerin, arbeite als Krankenschwester<br />
in einer Psychiatrie, sein deutscher Vater<br />
Auf der silbrigen Suppe hat sich Asche gebildet.<br />
Danach schöpft er eine Portion Zinn und<br />
als Heimatforscher. Wenn er Hunger hatte,<br />
gießt sie in Christbaumkugel-Form. Insgesamt<br />
braucht er acht Formen, die er aneinan-<br />
immer etwas zu essen“. 1949 ist er mit sei-<br />
ging es in die Krankenhaus-Küche, „da gab es<br />
der lötet. Die filigranen Teile einer Weihnachtskugel<br />
müssen einzeln gebogen und<br />
und seine Mutter folgten erst vier Jahre spänem<br />
Vater nach Dießen gefahren, sein Bruder<br />
verschweißt werden, zwanzig Stellen sind es<br />
ter. Die Freiheit war zu Ende, Schweizer wurde<br />
in Dießen eingeschult: „Ich habe kein<br />
mindestens <strong>für</strong> eine Kugel. „Der Brauch, an<br />
Weihnachten Tannenbäume aufzustellen und<br />
Wort Deutsch gekonnt, die Klosterschwestern<br />
haben graue Haare wegen mir bekom-<br />
zu schmücken, kam aus dem Norden zu uns<br />
hierher“, erklärt Schweizer.<br />
men“. Wenn er keine Lust auf Unterricht<br />
Die Schweizers hatten früh die Idee, Christbaum-Kugeln<br />
aus Zinn herzustellen. „Formen<br />
fach nach Hause. Von den Kindern wurde er<br />
hatte, lief der freiheitsliebende Junge ein-<br />
waren genug vorhanden, weil wir ja schon filigrane<br />
Halbkugeln <strong>für</strong> Hausaltäre und Theaspottet.<br />
Sein Vater verstarb früh, Unter-<br />
als Ausländer, der kein Deutsch sprach, ver-<br />
gunnar schweizer<br />
terschmuck gossen hatten“. Und so wurden<br />
stützung bekam seine alleinerziehende Mutter<br />
von der isländischen Verwandtschaft und von seiner<br />
1840 die ersten Zinn-Kugeln produziert, die noch heute von<br />
Dießen aus nach Asien, Australien und die USA verkauft werden.<br />
Auch Altarschmuck stellt Schweizer immer noch her und und im Segelclub, einem Hobby, dem er noch heute nachgeht.<br />
deutschen Tante. Seine Nachmittage verbrachte er am See<br />
natürlich Zinnfiguren <strong>für</strong> Sammler aus aller Welt. Als er ein Als Jugendlicher hat Schweizer die Schule verlassen, um <strong>das</strong><br />
kleiner Junge war, hatte er mit Zinnfiguren nichts am Hut. Er Handwerk des Zinngießens zu lernen. „Das war Pflicht, eigentlich<br />
wollte ich Bootsbauer werden.“ Einen neuen Lehrling<br />
wurde in Island geboren und spielte Bauernhof mit Schafsknochen<br />
am Strand. „Im Sommer haben wir 24 Stunden Zeit wird er nicht mehr ausbilden. Sein ältester Sohn aus erster<br />
zum Spielen gehabt“, schwärmt er. Aufgewachsen ist er in Ehe führt eine Zweigstelle der Zinngießerei in der Münchener<br />
Innenstadt. Für seine jüngeren Kinder kommt Zinngießen<br />
nicht mehr in Frage. Sein Sohn Magnus (24) ist Elektrosystemmanager,<br />
seine Tochter Johanna (20) macht eine Ausbildung<br />
beim Militär und der jüngste Sohn Kilian (14) geht noch<br />
zur Schule. „Es wäre unverantwortlich, den Kindern einen Beruf<br />
beizubringen, der vom Aussterben bedroht ist.“ Kleine<br />
Betriebe hätten keine Chance mehr. „Die vielen Ketten machen<br />
die kleinen Läden kaputt“, bedauert Schweizer, der auch<br />
eine Zeitlang in der Kommunalpolitik aktiv war. Sehnsüchtig<br />
denkt Schweizer an Island, an den Zusammenhalt unter den<br />
Menschen, den er hier oft vermisst habe. Kontakt zu seinen<br />
Verwandten hat er über Skype. Bevor er <strong>das</strong> nächste Mal in<br />
sein Heimatland reist, möchte er noch eine besonders schöne<br />
Figur Form aus Zinn gießen: einen Stier, einen Adler, einen goldenen<br />
Drachen und ein Wikinger <strong>–</strong> <strong>das</strong> Wappen von Island. #<br />
Informationen<br />
www.schweizerzinn.de<br />
Das Zinn-Café mit Ladengeschäft ist Montag bis Freitag von 9:00 bis<br />
18:00 Uhr und Samstag von 9:00 bis 16:00 Uhr durchgehend geöffnet.<br />
Zinn-Café<br />
Herrenstraße 17 · 86911 Dießen