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SchlossMagazin für das Fuenfseenland – Dezember 2015

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46 | kunst + kultur | Tanja Xeller<br />

Text Miriam Anton<br />

Fotos Anton, privat<br />

Tanja Xeller<br />

Faltkunst,<br />

wie sie im Buche steht<br />

Ihren Lieblingsbüchern krümmt sie keine Seite. Aus allen anderen ausgelesenen<br />

Romanen faltet Tanja Xeller Kunstwerke <strong>für</strong> Romantiker.<br />

Sie bezeichnet sich selbst als Bücherwurm. Erst verschlingt<br />

sie einen Roman, dann schlängelt sie sich gedanklich<br />

von Seite zu Seite und überlegt, wie sie dreidimensionale<br />

Formen und Buchstaben hineinfalten kann. Tanja<br />

Xeller fertigt Buch-Skulpturen an. Ausgelesene Bücher, die in<br />

Regalen vor sich hin stauben, verwandelt sie in Kunstobjekte.<br />

„Ich hauche ihnen ein neues Leben ein“, erklärt die 47-Jährige.<br />

In den vielen geöffneten Büchern, die auf den Regalen in ihrer<br />

Wohnung in Olching stehen, entdeckt der Betrachter neben<br />

Papier-Herzen auch die englischen Worte „Will“, „you“, „marry“<br />

und „me“ oder <strong>das</strong> Wort „Zeit“. Davon investiert Xeller sehr viel.<br />

Denn es steckt reichlich Arbeit in den<br />

Papier-Skulpturen; mindestens zehn<br />

Stunden faltet sie an einem Buch. Angefangen<br />

hatte alles mit Origami-<br />

Tierchen aus Papier. Danach wagte sich<br />

Xeller an eine komplizierte japanische<br />

Papierrose. Rund 100 Faltungen enthält<br />

diese dreidimensionale Papierblüte,<br />

<strong>für</strong> die sie Kahari-Papier aus<br />

Nepal benutzt. „Mittlerweile bin ich extrem schnell“. Genau<br />

sieben Minuten brauche sie <strong>für</strong> eine Rose, sagt sie. Die Anleitung<br />

hierzu gab es über ein youtube-Video. Vor drei Jahren<br />

stieß die die Perfektionistin schließlich auf Fotos von amerikanischen<br />

Buch-Skulpturen im Internet. „Da war es um mich geschehen!“<br />

Sie stürzte sich in die Arbeit mit den „geadelten<br />

Eselsohren“, wie Xeller sie nennt. „Am Anfang hatte ich ein<br />

halbes Wort fertig, aber <strong>das</strong> Buch war schon zu Ende.“ Ein<br />

knappes Jahr brauchte sie, um die Papierkunst zu lernen. Das<br />

Falten erfordert viel Konzentration; Musik oder Fernsehen nebenbei<br />

sind Tabu. Erst nach 80 Büchern war sie zufrieden. Und<br />

konnte endlich ihren Lieblingsspruch falten: „Carpe Diem“.<br />

Für Vorarbeit und Planung braucht sie genauso viel Zeit wie<br />

<strong>für</strong> <strong>das</strong> Einschlagen der Seiten. „Die Proportionen müssen genau<br />

stimmen“, erklärt die Falt-Virtuosin. Nach vielem Ausprobieren<br />

hat sie herausgefunden, <strong>das</strong>s bei 86 Seiten pro Buchstabe<br />

seine Form am besten zu sehen ist. „Die Bücher sollten<br />

mindestens 400 Seiten dick und gebunden sein. Paperbacks<br />

funktionieren nicht.“ Jede einzelne Seite muss perfekt geknickt<br />

werden. „Wenn ich mich an der<br />

Schnittkante verfalte, dann sieht<br />

man es sofort. Und die Buchstaben<br />

sind nicht richtig zu erkennen.“ Warum<br />

steckt jemand, der <strong>das</strong> Lesen<br />

liebt, so viel Zeit ins Falten? „Es entspannt<br />

mich nach einem anstrengenden<br />

Arbeitstag und es macht mich<br />

glücklich, wenn ich wieder ein Buch<br />

fertig habe.“ Ihr normaler Job hat nicht viel mit Kunst zu tun.<br />

Die gelernte Bürokauffrau arbeitet im Vertrieb <strong>für</strong> Luxus-<br />

Uhren. Das bedeutet viele E-Mails zu schreiben. „Das ist sehr<br />

stressig, denn es herrscht Umsatzdruck.“ Den Weg zur Arbeit<br />

in der S-Bahn nutzt sie zum Lesen. Obwohl sie die Haptik des<br />

Papieres liebt, greift sie dann auch zum elektronischen Buch.<br />

„Damit ich die dicken Wälzer nicht zur Arbeit schleppen muss.“<br />

Zum Falten verwendet sie gut erhaltene Bücher von sich und von

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