Dokument 1.pdf (14.973 KB) - OPUS - Universität Würzburg
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chen, daß Wissenschaft und Forschung nicht<br />
nur ein wichtiges Kulturgut, sondern auch<br />
für ein Land wie Deutschland absolut notwendig<br />
sind. Ohne neues Wissen ist es mit<br />
Sicherheit nicht möglich, die Lebensqualität,<br />
die wir heute für selbstverständlich ansehen,<br />
auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.<br />
Theodor Heuss hat schon vor mehr als 50<br />
Jahren die herausragenden Leistungen von<br />
Wilhelm Conrad Röntgen in einem Artikel<br />
für die "Frankfurter Zeitung" gewürdigt. Sie,<br />
sehr verehrter Herr Bundespräsident, ehren<br />
den großen Entdecker (und auch uns) durch<br />
Ihre Anwesenheit und Ihre Ansprache während<br />
dieser Festveranstaltung.<br />
Die Straffung der Begrüßungsansprachen<br />
läßt mir genügend Zeit, Sie, sehr verehrter<br />
Herr Zehetmair, mit Ihren vollständigen<br />
Amtsbezeichnungen zu begrüßen. Sie sind<br />
sowohl als Staatsminister für Unterricht,<br />
Kultus, Wissenschaft und Kunst als auch als<br />
stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates<br />
Bayern hier. Nicht nur der Physik<br />
Nobelpreisträger Nummer 1 hätte den Dialog,<br />
den er mit Ihren Vor-Vorgängern aufgenommen<br />
hatte, gerne weitergeführt. Vielleicht<br />
wäre es Röntgen gelungen, nachdem<br />
er zusammen mit Oskar von Miller bei der<br />
Gründung des Deutschen Museums im Jahre<br />
1906 so erfolgreich war, auch ein Wissenschaftsmuseum<br />
in <strong>Würzburg</strong> zu initiieren?<br />
Es muß ja nicht unbedingt Röntgen<br />
Museum heißen - für einen solchen Vorschlag<br />
war Röntgen viel zu scheu - aber der<br />
Aufbau einer Einrichtung, der es vermehrt<br />
gelingen würde, den Schleier des Geheimnisvollen<br />
bei unsichtbaren Strahlen zu zerreißen,<br />
insbesondere auch im Zusammenhang<br />
mit dem Begriff Radioaktivität, wäre<br />
mit Sicherheit wichtig und sinnvoll.<br />
Für mich als Wissenschaftler stellen nicht<br />
die X-Strahlen (wie Röntgen seine Strahlen<br />
nannte) etwas Geheimnisvolles dar, sondern<br />
eher liegt das Leben von Röntgen etwas im<br />
dunkeln, da er in seinem Testament die Vernichtung<br />
seiner Notizen und <strong>Dokument</strong>e angeordnet<br />
hat und schon zu Lebzeiten Briefunterlagen<br />
für Heizungszwecke verwendete.<br />
Trotzdem werde ich versuchen, einen kurzen<br />
Einblick in das Leben von Röntgen zu<br />
geben. Wenn Sie am Ende dann sogar wissen,<br />
daß X und Röntgenstrahlen dasselbe ist,<br />
und daß es sich dabei um so etwas wie Lichtstrahlen<br />
handelt, deren Farbe von unseren<br />
Augen jedoch nicht erfaßt werden kann, und<br />
wenn Sie mir dann noch glauben, daß die<br />
Strahlen bei der Radioaktivität dasselbe sind<br />
wie Röntgenstrahlen, dann habe ich sogar<br />
noch wissenschaftliche Informationen übermittelt.<br />
Aber zuerst etwas zur Person von Wilhelm<br />
Conrad Röntgen. Wenn Herr Mayer-Kuckuk<br />
als Vertreter der Deutschen Physikalischen<br />
Gesellschaft hier stehen würde, dann würde<br />
er vielleicht sagen, daß der erste Erfolg der<br />
Deutschen Physikalischen Gesellschaft die<br />
Geburt von Röntgen war. Röntgen wurde im<br />
Jahre 1845 geboren, zwei Monate nach der<br />
Gründung der Gesellschaft. Insofern können<br />
beide stets gemeinsam feiern. Da Röntgen<br />
im Jahre seiner großen Entdeckung auch einen<br />
runden Geburtstag hatte - er war gerade<br />
50 Jahre alt geworden, fällt der 100. Jahrestag<br />
der Entdeckung mit dem 150. Geburtstag<br />
zusammen, so daß es in diesem Jahr mehrere<br />
Anlässe gab, Röntgenfeiern zu veranstalten,<br />
angefangen vom Geburtstag am 27.<br />
März in Lennep. Mit dem heutigen Tag streben<br />
wir einem Höhepunkt zu - der 8. November<br />
1895 war der Tag, an dem Röntgen<br />
durch Zufall seinen Strahlen auf die Spur<br />
kam.<br />
Was passierte eigentlich am 8. November<br />
1895?<br />
An diesem Freitag - die Vorlesungen und<br />
Übungen waren abgeschlossen - zog sich<br />
Röntgen in sein Privatlabor zurück und<br />
machte Experimente, die im Prinzip in vielen<br />
Labors in der ganzen Welt durchgeführt<br />
werden konnten und auch wurden. Elektrische<br />
Entladungen in einer Glasröhre, die nahezu<br />
luftleer war, - das war ein interessantes<br />
Arbeitsgebiet der damaligen Zeit. Hätte<br />
Röntgen einen Forschungsantrag für seine<br />
Versuche schreiben müssen und wäre er dem<br />
Druck ausgesetzt gewesen, anwendungsorientierte<br />
Forschung zu betreiben, dann hätte<br />
er jedoch große Schwierigkeiten bekommen.<br />
Wozu sollte das gut sein, was er machte? Drei<br />
Tage Vorbereitung waren notwendig, um die<br />
Glasröhre leerzupumpen, und dann konnte<br />
man bei der Hochspannungsentladung nur<br />
für sehr kurze Zeit eine schwache Leuchterscheinung<br />
sehen. Für praktische Anwendungen<br />
keine gute Perspektive. Mit großer<br />
Phantasie hätte man die Forschungsarbeiten<br />
als Neuentwicklung einer Glühbirne deklarieren<br />
können - gegenüber dem von Edison<br />
entwickelten Produkt erschien das jedoch<br />
chancen los. Kurz gesagt, zum damaligen<br />
Zeitpunkt hätte Röntgen wohl keine Chancen<br />
gehabt, den Beweis zu führen, daß seine<br />
Forschungsarbeiten Anwendungspotential<br />
besitzen. Das sollte man bedenken, wenn<br />
man heutzutage versucht, die Vergabe von<br />
Forschungsgeldern mit dem Nachweis der<br />
Anwendung zu verknüpfen.<br />
Was war die Stärke von Röntgen?<br />
Er hat seine Stärke und seine Denkweise<br />
schon ein Jahr vor seiner Entdeckung in<br />
Form eines Zitates bei seiner Rektoratsrede<br />
in Worte gefaßt: "Die Natur läßt oft staunens-<br />
BLICK<br />
werthe Wunder selbst an den gewöhnlichsten<br />
Dingen hervortreten, welche jedoch nur<br />
von Leuten erkannt werden, die mit Scharfsinn<br />
und zum Forschen geschaffenen Sinn<br />
bei der Erfahrung, der Lehrmeisterin aller<br />
Dinge, sich Rath erholen".<br />
, Röntgen war ein hervorragender Experimentalphysiker,<br />
der mit scharfem Verstand<br />
versuchte, die Natur zu verstehen und durch<br />
unbestechliche Experimente die Wahrheit zu<br />
finden. So war es auch am 8. November<br />
1895.Als er bei einem Versuch nicht nur das<br />
schwache Leuchten der Glasröhre sah, sondern<br />
gleichzeitig auch ein Aufblitzen eines<br />
weiter entfernt gelegenen Leuchtschirmes<br />
bemerkte, da hat er dieses Phänomen nicht<br />
als unerwünschten Dreckeffekt beiseite gelegt,<br />
sondern gefragt: Woher kommt diese<br />
Erscheinung?<br />
Diese Frage hat ihn so fasziniert, daß er<br />
in den folgenden sechs Wochen wohl Tag<br />
und Nacht im Labor war, um in ausgeklügelten<br />
Experimenten Antworten auf seine<br />
Fragen zu bekommen. Die Untersuchungen<br />
waren so gründlich, daß in den folgenden<br />
17 Jahren keine neuen physikalischen Erkenntnisse<br />
auf diesem Gebiet dazukamen.<br />
Zwei Tage vor Weihnachten 1895 hat er<br />
sogar noch ein Durchstrahlungsbild der<br />
Hand seiner Frau aufgenommen - ihm war<br />
klar, daß seine Entdeckung große Auswirkungen<br />
auf die Medizin haben wird. Die<br />
Weihnachtstage 1895 wurden damit verbracht,<br />
das Manuskript für eine' Veröffentlichung<br />
fertigzustellen, und am 28.12.1895<br />
war die vorläufige Mitteilung, wie Röntgen<br />
sie nannte, fertig.<br />
An dieser Stelle würde Herr Hahn als heutiger<br />
Repräsentant der Physikalisch-Medizinischen<br />
Gesellschaft <strong>Würzburg</strong> davon<br />
schwärmen, daß Röntgen schon seit 1870<br />
dieser Gesellschaft angehörte und natürlich<br />
sein Manuskript bei dieser Gesellschaft einreichte<br />
und auch seinen einzigen öffentlichen<br />
Vortrag über seine Entdeckung drei Wochen<br />
später im Rahmen einer Sonderveranstaltung<br />
der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft<br />
<strong>Würzburg</strong> hielt.<br />
Die Reaktion auf Röntgens Entdeckung<br />
war überwältigend. Innerhalb weniger Tage<br />
wurde weltweit über das epochemachende<br />
Ereignis berichtet und selbst der Kaiser ließ<br />
sich schon einige Wochen nach der Veröffentlichung<br />
die Experimente vorführen.<br />
Ohne Zweifel waren die medizinischen<br />
Anwendungen der Röntgenstrahlen besonders<br />
interessant - allein im ersten Jahr nach<br />
der Entdeckung wurden etwa 1000 Veröffentlichungen<br />
darüber geschrieben. Schon<br />
1897 kam in Deutschland die Fachzeitschrift<br />
"Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgen-