Dokument 1.pdf (14.973 KB) - OPUS - Universität Würzburg
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Abb. 1: Eiserner Beschlag mit Silbertauschierung und Silbernieten aus Grab 840 des Gräbeifeldes<br />
von Wesel-Bislich.<br />
dung in der archäologischen Feldforschung,<br />
also bei Ausgrabungen. Sie setzte vielmehr<br />
dort an, wo Fundobjekte bereits ausgegraben<br />
und zur weiteren Behandlung in die<br />
Museen und Labors gebracht worden waren.<br />
Frei vom Druck aktueller Zwänge, wie sie<br />
im Grabungsfeld gegeben sind, werden ausgegrabene<br />
Bodenpartien in den Labors in<br />
aller Ruhe und Präzision weiterbehandelt,<br />
um zu erkunden, was sich in den oft nichtssagenden<br />
Erdklumpen verbirgt.<br />
Es waren französische Archäologen, die<br />
die Röntgentechnik als erste nutzten, indem<br />
sie zum Beispiel Metallobjekte der Merowingerzeit<br />
(5. bis 8. Jahrhundert n.Chr.) auf<br />
Form, Funktion und Dekoration hin untersuchten.<br />
Bis zu dieser Zeit hatte man solche<br />
Metallgegenstände mühsam aus den verrosteten<br />
Überresten freischleifen oder frei präparieren<br />
müssen. Das Verfahren war nicht<br />
nur sehr langwierig und teuer, sondern zerstörte<br />
die geringen Metallreste nicht selten<br />
teilweise oder gar vollständig, ohne daß man<br />
sie hätte identifizieren können. Die zerstörungsfreie<br />
Untersuchung von MetalIobjekten<br />
revolutionierte die Archäologie der prähistorischen<br />
Metallzeiten, also für die Bronzezeit<br />
bis zum Mittelalter.<br />
Obgleich die Röntgendiagnostik gelegentlich<br />
auch an Objekten aus Stein, gebrannten<br />
Ton oder fossilem Knochenmaterial Verwendung<br />
gefunden hat, blieben das große Feld<br />
ihrer Verwendung die prähistorischen Metallzeiten.Aus<br />
diesen stammen bis heute die<br />
meisten Untersuchungsobjekte.<br />
Inzwischen sind Röntgenlabors entstanden,<br />
die auf prähistorische Metallobjekte<br />
spezialisiert sind, zum Beispiel in Bonn,<br />
Mainz, Stuttgart, Grenoble oder Paris. Denn<br />
konventionelle klinische Röntgenlabors eignen<br />
sich für die Untersuchung vor- und frühgeschichtlicher<br />
Objekte erfahrungsgemäß<br />
nicht. Der Bonner Archäologe Jürgen Driehaus<br />
hat als Leiter des Röntgenlabors am<br />
Rheinischen Landesmuseum Bonn deutlich<br />
gemacht, wie ungemein schwierig und verwickelt<br />
sich die Verwendung der Röntgendiagnostik<br />
bei vor- und frühgeschichtlichen<br />
Gegenständen gestaltet.<br />
Erst langjährige Erfahrung und serielle<br />
Vergleiche mit Parallelen erlauben es, den<br />
prähistorischen Metallobjekten ein Maximum<br />
an Beobachtungsergebnissen abzugewinnen.<br />
Dafür einige Beispiele. Bei allen<br />
handelt es sich um Grabbeigaben aus dem<br />
merowingischen Gräberfeld von Wesel-Bis-<br />
BLICK<br />
lich, das in den 70er Jahren ausgegraben werden<br />
mußte, weil das Gelände bebaut werden<br />
sollte. Das im 6. und 7. Jahrhundert mit<br />
schätzungsweise 1000 Gräbern belegte<br />
Fundgelände war von eisenhaItigen Kiesschichten<br />
der Niederterrasse des rechten<br />
Rheinufers bedeckt. Metallene Grabbeigaben<br />
konnten im sand- und kieshaItigen Boden<br />
kaum geborgen und identifiziert werden.<br />
Erst im Röntgenlabor enthüllte sich der Inhalt<br />
der Erdklumpen: Zahlreiche Männerund<br />
Frauengräber waren mit qualitätvollen<br />
Grabbeigaben aus Edelmetallen, Bronze und<br />
Eisen ausgestattet worden.<br />
Aus Grab 840 (Abb. 1) des Gräberfeldes<br />
stammt ein eiserner Beschlag mit Silbertauschierung<br />
und silbernen Nieten, der zur Garnitur<br />
eines Männergürtels gehörte und ins 7.<br />
Jahrhundert n.Chr. zu datieren ist. Weder die<br />
Form des Gegenstandes noch seine feine Dekoration<br />
wären ohne Röntgenaufnahmen zu<br />
erkennen gewesen, da er vollständig mit Kies<br />
verbacken war. Ohne Röntgenuntersuchung<br />
wäre er aus der wissenschaftlichen Bewertung<br />
herausgefallen und hätte nicht identifiziert<br />
werden können.<br />
Das Grab 415 (Abb. 2) wurde durch eine<br />
geflügelte, geschlitzte Pfeil spitze als Männergrab<br />
identifiziert. Ihre Datierung ließ sich<br />
erst ermitteln, nachdem ein Röntgenbild vorlag:<br />
Sie gehört der Zeit um 600 n.Chr. an<br />
und erscheint in Gräbern der Merowingerzeit<br />
nicht häufig. Ohne Röntgenuntersuchung<br />
wäre auch sie aus der Reihe der Fundgegenstände<br />
herausgefallen. Dies hätte den<br />
Aussagewert des Gräberfeldes stark beeinträchtigt.<br />
Ins 7. Jahrhundert n.Chr. gehört auch ein<br />
Paar reich verzierter kreuzförrniger Riemenverteiler<br />
aus Eisen mit Nielloeinlage aus<br />
Grab 616 (Abb. 3). Daß es sich um reich<br />
verzierte Ausstattungsstücke eines Männergrabes<br />
handelte, war bei der Bergung des<br />
rosthaitigen Klumpens nicht zu ahnen. Allein<br />
das Röntgenbild enthüllte Funktion,<br />
Konstruktionsweise und Silbertauschierung<br />
auf der Schauseite.<br />
Die Röntgenbilder boten mehrfache Vorteile:<br />
Sie boten vor allem erste Einblicke in<br />
den Fundstoff, ohne restauratorische Maßnahmen<br />
beginnen zu müssen. Erste Erkenntnisse<br />
über Art und Anzahl der Grabbeigaben<br />
wurden möglich. Überblicke über die<br />
Datierung des Grabbeigabenbestandes wurden<br />
gewonnen und viele andere wichtige<br />
Hinweise für die weitere technische und wissenschaftliche<br />
Bearbeitung gewonnen.<br />
Es hat nicht lange gedauert, bis auf das<br />
Entzücken über die röntgenologischen Möglichkeiten<br />
in der Archäologie auch bedrükkende<br />
Erfahrungen folgten; denn die Rönt-