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Dokument 1.pdf (14.973 KB) - OPUS - Universität Würzburg

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86<br />

Abb. 1: Eiserner Beschlag mit Silbertauschierung und Silbernieten aus Grab 840 des Gräbeifeldes<br />

von Wesel-Bislich.<br />

dung in der archäologischen Feldforschung,<br />

also bei Ausgrabungen. Sie setzte vielmehr<br />

dort an, wo Fundobjekte bereits ausgegraben<br />

und zur weiteren Behandlung in die<br />

Museen und Labors gebracht worden waren.<br />

Frei vom Druck aktueller Zwänge, wie sie<br />

im Grabungsfeld gegeben sind, werden ausgegrabene<br />

Bodenpartien in den Labors in<br />

aller Ruhe und Präzision weiterbehandelt,<br />

um zu erkunden, was sich in den oft nichtssagenden<br />

Erdklumpen verbirgt.<br />

Es waren französische Archäologen, die<br />

die Röntgentechnik als erste nutzten, indem<br />

sie zum Beispiel Metallobjekte der Merowingerzeit<br />

(5. bis 8. Jahrhundert n.Chr.) auf<br />

Form, Funktion und Dekoration hin untersuchten.<br />

Bis zu dieser Zeit hatte man solche<br />

Metallgegenstände mühsam aus den verrosteten<br />

Überresten freischleifen oder frei präparieren<br />

müssen. Das Verfahren war nicht<br />

nur sehr langwierig und teuer, sondern zerstörte<br />

die geringen Metallreste nicht selten<br />

teilweise oder gar vollständig, ohne daß man<br />

sie hätte identifizieren können. Die zerstörungsfreie<br />

Untersuchung von MetalIobjekten<br />

revolutionierte die Archäologie der prähistorischen<br />

Metallzeiten, also für die Bronzezeit<br />

bis zum Mittelalter.<br />

Obgleich die Röntgendiagnostik gelegentlich<br />

auch an Objekten aus Stein, gebrannten<br />

Ton oder fossilem Knochenmaterial Verwendung<br />

gefunden hat, blieben das große Feld<br />

ihrer Verwendung die prähistorischen Metallzeiten.Aus<br />

diesen stammen bis heute die<br />

meisten Untersuchungsobjekte.<br />

Inzwischen sind Röntgenlabors entstanden,<br />

die auf prähistorische Metallobjekte<br />

spezialisiert sind, zum Beispiel in Bonn,<br />

Mainz, Stuttgart, Grenoble oder Paris. Denn<br />

konventionelle klinische Röntgenlabors eignen<br />

sich für die Untersuchung vor- und frühgeschichtlicher<br />

Objekte erfahrungsgemäß<br />

nicht. Der Bonner Archäologe Jürgen Driehaus<br />

hat als Leiter des Röntgenlabors am<br />

Rheinischen Landesmuseum Bonn deutlich<br />

gemacht, wie ungemein schwierig und verwickelt<br />

sich die Verwendung der Röntgendiagnostik<br />

bei vor- und frühgeschichtlichen<br />

Gegenständen gestaltet.<br />

Erst langjährige Erfahrung und serielle<br />

Vergleiche mit Parallelen erlauben es, den<br />

prähistorischen Metallobjekten ein Maximum<br />

an Beobachtungsergebnissen abzugewinnen.<br />

Dafür einige Beispiele. Bei allen<br />

handelt es sich um Grabbeigaben aus dem<br />

merowingischen Gräberfeld von Wesel-Bis-<br />

BLICK<br />

lich, das in den 70er Jahren ausgegraben werden<br />

mußte, weil das Gelände bebaut werden<br />

sollte. Das im 6. und 7. Jahrhundert mit<br />

schätzungsweise 1000 Gräbern belegte<br />

Fundgelände war von eisenhaItigen Kiesschichten<br />

der Niederterrasse des rechten<br />

Rheinufers bedeckt. Metallene Grabbeigaben<br />

konnten im sand- und kieshaItigen Boden<br />

kaum geborgen und identifiziert werden.<br />

Erst im Röntgenlabor enthüllte sich der Inhalt<br />

der Erdklumpen: Zahlreiche Männerund<br />

Frauengräber waren mit qualitätvollen<br />

Grabbeigaben aus Edelmetallen, Bronze und<br />

Eisen ausgestattet worden.<br />

Aus Grab 840 (Abb. 1) des Gräberfeldes<br />

stammt ein eiserner Beschlag mit Silbertauschierung<br />

und silbernen Nieten, der zur Garnitur<br />

eines Männergürtels gehörte und ins 7.<br />

Jahrhundert n.Chr. zu datieren ist. Weder die<br />

Form des Gegenstandes noch seine feine Dekoration<br />

wären ohne Röntgenaufnahmen zu<br />

erkennen gewesen, da er vollständig mit Kies<br />

verbacken war. Ohne Röntgenuntersuchung<br />

wäre er aus der wissenschaftlichen Bewertung<br />

herausgefallen und hätte nicht identifiziert<br />

werden können.<br />

Das Grab 415 (Abb. 2) wurde durch eine<br />

geflügelte, geschlitzte Pfeil spitze als Männergrab<br />

identifiziert. Ihre Datierung ließ sich<br />

erst ermitteln, nachdem ein Röntgenbild vorlag:<br />

Sie gehört der Zeit um 600 n.Chr. an<br />

und erscheint in Gräbern der Merowingerzeit<br />

nicht häufig. Ohne Röntgenuntersuchung<br />

wäre auch sie aus der Reihe der Fundgegenstände<br />

herausgefallen. Dies hätte den<br />

Aussagewert des Gräberfeldes stark beeinträchtigt.<br />

Ins 7. Jahrhundert n.Chr. gehört auch ein<br />

Paar reich verzierter kreuzförrniger Riemenverteiler<br />

aus Eisen mit Nielloeinlage aus<br />

Grab 616 (Abb. 3). Daß es sich um reich<br />

verzierte Ausstattungsstücke eines Männergrabes<br />

handelte, war bei der Bergung des<br />

rosthaitigen Klumpens nicht zu ahnen. Allein<br />

das Röntgenbild enthüllte Funktion,<br />

Konstruktionsweise und Silbertauschierung<br />

auf der Schauseite.<br />

Die Röntgenbilder boten mehrfache Vorteile:<br />

Sie boten vor allem erste Einblicke in<br />

den Fundstoff, ohne restauratorische Maßnahmen<br />

beginnen zu müssen. Erste Erkenntnisse<br />

über Art und Anzahl der Grabbeigaben<br />

wurden möglich. Überblicke über die<br />

Datierung des Grabbeigabenbestandes wurden<br />

gewonnen und viele andere wichtige<br />

Hinweise für die weitere technische und wissenschaftliche<br />

Bearbeitung gewonnen.<br />

Es hat nicht lange gedauert, bis auf das<br />

Entzücken über die röntgenologischen Möglichkeiten<br />

in der Archäologie auch bedrükkende<br />

Erfahrungen folgten; denn die Rönt-

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