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Dokument 1.pdf (14.973 KB) - OPUS - Universität Würzburg

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58<br />

"Vor Jahren hatte mir Röntgen einmal<br />

gesagt, er habe seinen bewährten Freund v.<br />

Hippel und mich zu seinen Testamentsvollstreckern<br />

bestimmt, offenbar v. Hippel für<br />

den allgemeinen, mich für den speziell physikalischen<br />

Teil seines Nachlasses. Jetzt<br />

waren v. Hippel und manche anderen seiner<br />

Freunde leider gestorben, und ich lebte im<br />

Ausland, in der Schweiz, was für das Amt<br />

eines Testamentsvollstreckers in der Kriegszeit<br />

mit großen Schwierigkeiten verknüpft<br />

sein konnte. In dieser Erwägung bestimmte<br />

nun Röntgen nach v. Hippels Tod und meinem<br />

Wegzug aus Deutschland zu Testamentsvollstreckern<br />

Frau Geh. Boveri und<br />

Herrn Dr. R. Cohen, der einst in <strong>Würzburg</strong><br />

sein Assistent (mein Nachfolger) gewesen<br />

war. Cohen soll ein vorzüglicher Klavierspieler<br />

sein und Röntgens Lebensabend<br />

durch sein Klavierspiel sehr verschönt haben.<br />

Nach einer Aussage von Röntgens<br />

Dienstmädchen, Käthchen, soll Cohen einst<br />

zu Röntgen gesagt haben, weder Frau Boveri<br />

noch er selber verstehe etwas von der<br />

Jurisprudenz, es sollte doch noch ein Jurist<br />

für die Testamentsvollstreckung von ihm<br />

bezeichnet werden, und so sei Rechtsanwalt<br />

Dünkelsbühler zum dritten Testamentsvollstrecker<br />

ernannt worden."5<br />

Am 12. Mai 1921 schrieb Röntgen an<br />

Margret Boveri: "Ich war in letzter Zeit viel<br />

mit Cohen zusammen: er war sehr herzlich<br />

und gab mir Briefe seiner Mutter zum Leen<br />

und außerdem Tagebuchblätter seines<br />

Vaters über dessen intimen Verkehr mit Bismarck,<br />

dessen Arzt er war, die höchst interessant<br />

sind und zum Teil in historischen<br />

Aufsätzen verwendet werden sollen."6 Cohens<br />

Vater war also weit mehr als ein durchschnittlicher<br />

Arzt, und man darf annehmen,<br />

daß das Fundament für Cohens vielseitige<br />

Bildung und für seine weitgespannten Interessen<br />

schon in seinem Elternhaus gelegt<br />

worden ist.<br />

Cohens <strong>Würzburg</strong>er Assistentenzeit, die<br />

4) Begleitheft zur Ausstellung, Text Nr 2.- Vgl. Hierzu<br />

Ludwig Zehnder (a.o. Professor für Physik an der <strong>Universität</strong><br />

Basel): w.c. Röntgen. Briefe an L. Zehnder.<br />

Zürich: Rascher 1935, S. 15: "In meinem folgenden<br />

Brief berichtete ich ihm (d.h. Röntgen, d.Vf.) über die<br />

von ihm gewünschte Einführung meines Nachfolgers<br />

(als Assistent), des Dr. Cohen, den Röntgen in seinen<br />

letzten Lebensjahren zu einem seiner Testamentsvollstrecker<br />

gemacht hat."- Vorangegangen war ein Brief<br />

Röntgens aus Venedig, vom 18. April 1890 (bei Zehnder,<br />

S. 15) in dem Röntgen schreibt: "Dr. Cohen wird<br />

nun wohl seit einiger Zeit in W. sein, und ich denke<br />

mir, daß Sie ihn, wie Sie mir versprachen, etwas eingeflihn<br />

haben. Vielleicht schreiben Sie mir auch etwas<br />

dariiber, wie das zugegangen ist.- An gleicher Stelle<br />

(Zehnder, S. 151) wird ein Brief Röntgens an Zehnder<br />

vom 27. Juni 1890 mitgeteilt. Don heißt es: "Dr. Cohen<br />

ist sehr tüchtig und brauchbar; leider ist er ftjr acht<br />

Wochen zum Dienst einberufen." V gl. auch Zehnder,<br />

S. 18 mit einer kurzen Mitteilung Röntgens über Tä-<br />

sich vermutlich nur über etwa ein Jahr erstreckte,<br />

war längst vorbei, als Röntgen ihm<br />

am 19. Oktober 1894 nach München<br />

schrieb 7 • Die Adresse, unter der Cohen dort<br />

wohnte, war Habsburgerplatz 1. Genauso<br />

lautete sie auch noch 28 Jahre später. Aus<br />

dem Brief ist zu erfahren, daß sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis<br />

mittlerweile zu einer<br />

Freundschaft entwickelt hatte: "Dass Sie Ihre<br />

Absicht, nach <strong>Würzburg</strong> zu kommen, aufgeben<br />

mussten, haben meine Frau und ich<br />

recht bedauert". Und ein paar Zeilen später:<br />

"Ich habe noch ein paar gute Tropfen für Sie<br />

im Keller, trinken Sie sie bald, sonst bekommt<br />

sie ein anderer, der sie nicht so zu<br />

würdigen weiss, wie Sie."<br />

Es besteht zu jener Zeit noch eine enge<br />

Verbindung auf dem Gebiet der physikalischen<br />

Forschung. Röntgen arbeitet in seinem<br />

Institut an der Bestimmung von Dielektrizitätskonstanten<br />

8 und verwendet dabei Präparate<br />

von Cohen. Ludwig Zehnder teilt einen<br />

Brief Röntgens vom 15. Oktober 1891 mit 9 ,<br />

in dem dieser eine Liste mit den Namen jener<br />

Personen übermittelt, denen er seine<br />

Sonderdrucke zu schicken pflegte. Unter<br />

ihnen befindet sich Cohen: ein untrügliches<br />

Zeichen dafür, daß Röntgen auf Dauer mit<br />

ihm in Verbindung zu bleiben wünschte.<br />

Die nächste in den genannten Autographen<br />

enthaltene Nachricht Röntgens an Cohen,<br />

auf einer Briefkarte, stammt vom 23.<br />

März 1904, ist also von der vorangehenden<br />

zehn Jahre entfernt lO • Wie sich der Anschrift<br />

entnehmen läßt, war Cohen zu dieser Zeit<br />

bei den "Schuckert- & Siemenswerken" in<br />

Nürnberg tätig. Er hatte dort die Position<br />

eines Direktors inne, wie aus der Adresse auf<br />

einer Postkarte Röntgens vom 11. April 1910<br />

zu ersehen ist. "<br />

Der vorliegende Bestand an Briefen und<br />

Postkarten vermittelt den Eindruck, daß die<br />

Beziehungen zwischen Cohen und Röntgen<br />

in dessen letzten Lebensjahren am intensivsten<br />

waren. Unter dem Datum 12. Juli 1919<br />

Iigkeiten des Assistenten Dr. Cohen.- Vgl. auch Zehnder<br />

in Lebensläufe aus Franken 4, <strong>Würzburg</strong> 1930, S.<br />

31 9-340: ,,28. Röntgen, Wilhelm Conrad, Professor der<br />

Physik. 1845- 1923".<br />

5) Zehnder, S. 148.- Nach Röntgens Tod bemühte sich<br />

Ludwig Zehnder vergeblich um Briefe, die er einst an<br />

Röntgen geschrieben hatte, nun aber zurückzuerhalten<br />

wünschte. Damals schrieb ihm Margret Boveri (Zehnder,<br />

S. 167): "Sehr geehner Herr Professor! Da meine<br />

Mutter in Amerika ist und ich ihreAngelegenheiten hier<br />

für sie besorge, habe ich Ihren Brief vom 19. November<br />

gelesen und erlaube mir hiermit, ihn so gut ich kann<br />

zu beantwonen. Da ich während der ersten Tage nach<br />

Röntgen Tod in München bei den Besprechungen<br />

zwischen meiner Mutter, Dr. Cohen und Dr. Dünkelsbühler<br />

öfters zugegen war, kann ich mich noch gut erinnern,<br />

wie schmerzlich es allen Beteiligten war, daß<br />

auf Röntgens Wunsch alle Papiere und Briefe aus der<br />

Zeit der Entdeckung der Strahlen "ungelesen" zu verbrennen<br />

waren, was damals auch geschah. Es ist also<br />

BLICK<br />

schreibt Röntgen an Margret Boveri: "Heute<br />

ist Sonntag, da kommt am Nachmittag Dr.<br />

Cohen regelmäßig und spielt uns eine Stunde<br />

lang Klavier. Das ist ein großer Genuß<br />

für uns; er spielt nach unserem Empfinden<br />

sehr schön, insbe ondere was Auffassung<br />

anbetrifft. Bach und Mozart namenUich,<br />

doch kommen auch Beethoven, Brahms und<br />

Schumann an die Reihe. Sein verehrtester<br />

Musiker ist Mozart, und ich muß zugeben,<br />

daß ich diesen aus Unkenntnis bisher<br />

wohl etwas unterschätzt habe. So hat mir z.B.<br />

die Sonate Nr. 2 neulich großen Eindruck<br />

gemacht, namentlich das Adagio. Bachs<br />

Violinkonzerte sind doch manchmal über<br />

alle Maßen schön, und ich kann nur sehr<br />

bedauern, alle diese Herrlichkeiten früher<br />

nicht oder nur wenig kennengelernt zu haben."<br />

'2<br />

Cohen war aber für Röntgen nicht nur ein<br />

Freund und Partner für Stunden hohen kulturellen<br />

Genusses. Er hat ihm nicht weniger<br />

bei der Bewältigung von Alltagsproblemen<br />

beigestanden. Hier bestand die Freundschaft,<br />

die sie verband, ihre eigentliche Bewährungsprobe.<br />

Zum Beispiel half ihm Cohen<br />

in den Kriegsjahren bei der Beschaffung von<br />

Kohlenkarten '3 . Er wußte in finanziellen Fragen<br />

Rat zu geben'4, war bereit, Röntgen einen<br />

Termin bei des en Münchener Zahnarzt<br />

zu besorgen t5 oder half ihm bei der Beschaffung<br />

eines Krudeherdes'6. Erst recht stand<br />

der um neunzehn Jahre jüngere Cohen seinem<br />

alten Freund Röntgen mit Rat und Tat<br />

zur Seite, nachdem dessen Frau im Herbst<br />

1919 gestorben war und er nun sehr unter<br />

dem Alleinsein litt.<br />

Cohen verstand es, den alten Röntgen<br />

immer wieder aus seiner Vereinsamung zu<br />

reißen: Er spielte ihm weiterhin auf dem<br />

Klavier vor 17 , ging häufiger mit ihm spazieren<br />

l8 , versorgte ihn mit Lektüre, und brachte<br />

ihm immer wieder Neuigkeiten und Anregungen<br />

ins Haus. '9<br />

Margret Boveri schreibt über Röntgen in<br />

wohl anzunehmen, daß die Briefe, die Sie vermissen ..<br />

sich unter den zu verbrennenden befanden ,"<br />

6) Boveri-Nachlaß der UB <strong>Würzburg</strong><br />

7) a.a.O., Text Nr 3.<br />

8) Vgl. Glaser, S. 78<br />

9) Zehnder, S. 22<br />

10) a.a.O., Text Nr 4<br />

11 ) a.a.O., Text Nr 5<br />

12) Glaser, S. 167<br />

13) a.a.O., Text Nr 7, 11 und 12<br />

14) a.a.O., Text Nr 15<br />

15) a.a.O., Text Nr 2 1<br />

16) a.a.O., Text Nr 20<br />

17) Boveri-Nachlaß der UB <strong>Würzburg</strong>: Brief an Frau Boveri<br />

vom 6.3.1 920<br />

18) Boveri-Nachlaß der UB <strong>Würzburg</strong>: Briefe an Frau Boveri<br />

vom 28.2. 1920 und 17.5.1920<br />

19) Vgl. z.B. Glaser, 155 und 156<br />

20) Bei Glaser, S. 169

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