Altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - März/April 2016
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Die „Walz“ führte Toni auch in einen Zimmereibetrieb im fernen Japan.<br />
Mindestens sechs Wochen vor Reiseantritt<br />
bekommen die Wandergesellen<br />
ihre Ehrbarkeit ans Revers<br />
gesteckt. Genügend Zeit also,<br />
um alle Regeln und Statuten noch<br />
zu lernen. Nach der Gesellenprüfung<br />
spricht der Meister <strong>den</strong> Lehrling<br />
traditionell vor <strong>den</strong> Augen der<br />
Kamera<strong>den</strong> frei, wenn sich dieser<br />
redlich, fromm, treu, gottes<strong>für</strong>ch-<br />
Heimgekehrt!<br />
tig und ehrliebend gezeigt hat.<br />
Nachdem Toni verabschiedet wurde,<br />
ging es los, zurückschauen ist<br />
untersagt.<br />
Um auf die Walz gehen zu dürfen,<br />
muss man unter 30 Jahre, nicht<br />
vorbestraft, ledig sowie schul<strong>den</strong>frei<br />
sein und darf keine Kinder haben.<br />
„Ein Handy und ein eigenes<br />
Auto sind verboten“, erklärt Toni.<br />
Die Reisezeit beträgt mindestens<br />
drei Jahre und einen Tag, nach<br />
obenhin sind dabei keine Grenzen<br />
gesetzt. 50 Kilometer rund um <strong>den</strong><br />
Heimatort befindet sich die Bannmeile,<br />
der sich ein Wandergeselle<br />
in seiner Zeit auf der Walz nicht<br />
nähern darf. Ausnahmen sind extreme<br />
Notlagen wie Krankheit oder<br />
Tod eines Angehörigen. Während<br />
der Wanderschaft darf man zudem<br />
nicht länger als vier Monate reisen<br />
und nicht länger als sechs Monate<br />
in einem Betrieb oder privat arbeiten.<br />
Jede Gesellenvereinigung hat ihre<br />
eigenen Statuten. Für Toni war es<br />
selbstverständlich, diese einzuhalten.<br />
„Wenn man sich auf die Walz<br />
einlässt und in einer Gesellenvereinigung<br />
ist, ist klar, dass man sich<br />
an die Regeln hält“, spricht Toni<br />
<strong>den</strong> Umstand an, bei schlimmen<br />
Verstößen seine Markenzeichen,<br />
die Ehrbarkeit und Biesen an seiner<br />
Kluft, zu verlieren. Die vielen<br />
Regeln der einzelnen Schächte sind<br />
oftmals geheim. Nur einige davon<br />
sind bekannt, wie etwa, dass kein<br />
Geld <strong>für</strong>s Schlafen oder Reisen<br />
ausgegeben wer<strong>den</strong> darf, weswegen<br />
sie meist zu Fuß oder per<br />
Anhalter „tippeln“. Viele Statuten<br />
wer<strong>den</strong> vor allem mündlich überliefert,<br />
kaum eine Vereinigung hält<br />
alle schriftlich fest. Für Außenstehende<br />
ist es eben das Geheimnisvolle,<br />
was <strong>den</strong> Brauch so spannend<br />
macht. In Kluft mit frem<strong>den</strong> Menschen<br />
ins Gespräch zu kommen, sei<br />
auch daher kein Problem.<br />
Tonis Wanderbuch zieren unzählige<br />
Arbeitszeugnisse und Stempel<br />
der Städte und Dörfer, in <strong>den</strong>en<br />
er war. <strong>Das</strong> erste Jahr auf Wanderschaft<br />
verbrachte er, wie bei <strong>den</strong><br />
rechtschaffenen frem<strong>den</strong> Gesellen<br />
üblich, im deutschsprachigen<br />
LRndel<br />
L Baustoffhandel<br />
Baustoffhandel<br />
EHNE<br />
Raum. Er arbeitete bei Frankfurt,<br />
in der Nähe von Erfurt und in<br />
Dres<strong>den</strong>. Danach ging es<br />
LEschleweg<br />
mit zwei<br />
www.baus<br />
Kamera<strong>den</strong> <strong>für</strong> sieben Monate<br />
Materialien <strong>für</strong>:<br />
nach Neuseeland und Australien.<br />
iefbau<br />
Rohbau<br />
Tiefbau Ro<br />
baustoffeInnenausbau<br />
Inne<br />
Dachbaustoffe<br />
richtungen<br />
Aussenanlagen Ausse<br />
Baueinrichtungen<br />
»»<br />
Wenn der Postbote dich mit Namen grüßt<br />
und der Nachbarshund nicht mehr bellt —<br />
dann ist es Zeit, weiterzuziehen.<br />
rhaben!<br />
Nach einer kurzzeitigen Rückkehr<br />
nach Deutschland zog es ihn wieder<br />
in die Ferne. Wiederum mit<br />
zwei Reisekamera<strong>den</strong> kam er über<br />
Polen, Litauen, Lettland, Estland<br />
und Russland mit der Transsibirischen<br />
Eisenbahn in die Mongolei,<br />
nach China und mit der Fähre<br />
schließlich nach Japan. Dort reiste<br />
Toni fünf Monate und arbeitete<br />
in einem der besten Zimmereibetriebe<br />
Japans <strong>für</strong> Schrein- und<br />
Tempelbau. Nach vier Jahren und<br />
einem Tag ist er wieder zurückgekehrt<br />
in seinen Heimatort, mit<br />
reichlich Erfahrungen und Geschichten<br />
im Gepäck — und als<br />
Reisender. So wird ein Geselle<br />
bezeichnet, der mindestens drei<br />
Jahre und einen Tag unterwegs<br />
war. Der Tradition ist er auch in<br />
heimatlichen Gefil<strong>den</strong> gefolgt,<br />
schließlich hat er — ganz der Reihe<br />
nach — seinen Meisterbrief längst<br />
in der Tasche. <br />
tis<br />
Alle Materialien <strong>für</strong> Ihr Bauvorhaben!<br />
Alle<br />
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