23.02.2016 Aufrufe

Altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - März/April 2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die „Walz“ führte Toni auch in einen Zimmereibetrieb im fernen Japan.<br />

Mindestens sechs Wochen vor Reiseantritt<br />

bekommen die Wandergesellen<br />

ihre Ehrbarkeit ans Revers<br />

gesteckt. Genügend Zeit also,<br />

um alle Regeln und Statuten noch<br />

zu lernen. Nach der Gesellenprüfung<br />

spricht der Meister <strong>den</strong> Lehrling<br />

traditionell vor <strong>den</strong> Augen der<br />

Kamera<strong>den</strong> frei, wenn sich dieser<br />

redlich, fromm, treu, gottes<strong>für</strong>ch-<br />

Heimgekehrt!<br />

tig und ehrliebend gezeigt hat.<br />

Nachdem Toni verabschiedet wurde,<br />

ging es los, zurückschauen ist<br />

untersagt.<br />

Um auf die Walz gehen zu dürfen,<br />

muss man unter 30 Jahre, nicht<br />

vorbestraft, ledig sowie schul<strong>den</strong>frei<br />

sein und darf keine Kinder haben.<br />

„Ein Handy und ein eigenes<br />

Auto sind verboten“, erklärt Toni.<br />

Die Reisezeit beträgt mindestens<br />

drei Jahre und einen Tag, nach<br />

obenhin sind dabei keine Grenzen<br />

gesetzt. 50 Kilometer rund um <strong>den</strong><br />

Heimatort befindet sich die Bannmeile,<br />

der sich ein Wandergeselle<br />

in seiner Zeit auf der Walz nicht<br />

nähern darf. Ausnahmen sind extreme<br />

Notlagen wie Krankheit oder<br />

Tod eines Angehörigen. Während<br />

der Wanderschaft darf man zudem<br />

nicht länger als vier Monate reisen<br />

und nicht länger als sechs Monate<br />

in einem Betrieb oder privat arbeiten.<br />

Jede Gesellenvereinigung hat ihre<br />

eigenen Statuten. Für Toni war es<br />

selbstverständlich, diese einzuhalten.<br />

„Wenn man sich auf die Walz<br />

einlässt und in einer Gesellenvereinigung<br />

ist, ist klar, dass man sich<br />

an die Regeln hält“, spricht Toni<br />

<strong>den</strong> Umstand an, bei schlimmen<br />

Verstößen seine Markenzeichen,<br />

die Ehrbarkeit und Biesen an seiner<br />

Kluft, zu verlieren. Die vielen<br />

Regeln der einzelnen Schächte sind<br />

oftmals geheim. Nur einige davon<br />

sind bekannt, wie etwa, dass kein<br />

Geld <strong>für</strong>s Schlafen oder Reisen<br />

ausgegeben wer<strong>den</strong> darf, weswegen<br />

sie meist zu Fuß oder per<br />

Anhalter „tippeln“. Viele Statuten<br />

wer<strong>den</strong> vor allem mündlich überliefert,<br />

kaum eine Vereinigung hält<br />

alle schriftlich fest. Für Außenstehende<br />

ist es eben das Geheimnisvolle,<br />

was <strong>den</strong> Brauch so spannend<br />

macht. In Kluft mit frem<strong>den</strong> Menschen<br />

ins Gespräch zu kommen, sei<br />

auch daher kein Problem.<br />

Tonis Wanderbuch zieren unzählige<br />

Arbeitszeugnisse und Stempel<br />

der Städte und Dörfer, in <strong>den</strong>en<br />

er war. <strong>Das</strong> erste Jahr auf Wanderschaft<br />

verbrachte er, wie bei <strong>den</strong><br />

rechtschaffenen frem<strong>den</strong> Gesellen<br />

üblich, im deutschsprachigen<br />

LRndel<br />

L Baustoffhandel<br />

Baustoffhandel<br />

EHNE<br />

Raum. Er arbeitete bei Frankfurt,<br />

in der Nähe von Erfurt und in<br />

Dres<strong>den</strong>. Danach ging es<br />

LEschleweg<br />

mit zwei<br />

www.baus<br />

Kamera<strong>den</strong> <strong>für</strong> sieben Monate<br />

Materialien <strong>für</strong>:<br />

nach Neuseeland und Australien.<br />

iefbau<br />

Rohbau<br />

Tiefbau Ro<br />

baustoffeInnenausbau<br />

Inne<br />

Dachbaustoffe<br />

richtungen<br />

Aussenanlagen Ausse<br />

Baueinrichtungen<br />

»»<br />

Wenn der Postbote dich mit Namen grüßt<br />

und der Nachbarshund nicht mehr bellt —<br />

dann ist es Zeit, weiterzuziehen.<br />

rhaben!<br />

Nach einer kurzzeitigen Rückkehr<br />

nach Deutschland zog es ihn wieder<br />

in die Ferne. Wiederum mit<br />

zwei Reisekamera<strong>den</strong> kam er über<br />

Polen, Litauen, Lettland, Estland<br />

und Russland mit der Transsibirischen<br />

Eisenbahn in die Mongolei,<br />

nach China und mit der Fähre<br />

schließlich nach Japan. Dort reiste<br />

Toni fünf Monate und arbeitete<br />

in einem der besten Zimmereibetriebe<br />

Japans <strong>für</strong> Schrein- und<br />

Tempelbau. Nach vier Jahren und<br />

einem Tag ist er wieder zurückgekehrt<br />

in seinen Heimatort, mit<br />

reichlich Erfahrungen und Geschichten<br />

im Gepäck — und als<br />

Reisender. So wird ein Geselle<br />

bezeichnet, der mindestens drei<br />

Jahre und einen Tag unterwegs<br />

war. Der Tradition ist er auch in<br />

heimatlichen Gefil<strong>den</strong> gefolgt,<br />

schließlich hat er — ganz der Reihe<br />

nach — seinen Meisterbrief längst<br />

in der Tasche. <br />

tis<br />

Alle Materialien <strong>für</strong> Ihr Bauvorhaben!<br />

Alle<br />

märz / april <strong>2016</strong> | 57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!