mole magazin 3 – FEMINISMUS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
che zu verhindern sei. Auch das Wort<br />
»N****« ist kein Tabu innerhalb der<br />
FPÖ, Susanne Winter (mittlerweile<br />
wegen offenem Antisemitismus aus der<br />
Partei ausgeschlossen) etwa sieht dies<br />
nicht als ein Schimpfwort, sondern »als<br />
Bezeichnung einer Menschenrasse« (15).<br />
Die FPÖ ist als Männerpartei auch als<br />
antifeministisch und homophob einzustufen.<br />
Um das »Eigene« zu schützen,<br />
muss dieses auch gefördert werden.<br />
Somit stellt die »österreichische Kleinfamilie«<br />
– da nur diese Kinderreichtum<br />
gewährleisten könne – den positiven<br />
Bezugsrahmen der freiheitlichen Familienpolitik<br />
dar. Dass dabei die Geschlechterrollen<br />
klar verteilt sind, versteht sich<br />
von selbst. Die FPÖ ist nicht nur Abbild<br />
einer patriarchalen Gesellschaft, sondern<br />
zielt auf noch striktere Geschlechterrollen<br />
ab. Heinz-Christian Strache<br />
und Andreas Mölzer sprechen in<br />
Interviews gerne von einer »Herrschaft<br />
des Feminismus« und einer »Lobby der<br />
Schwulen und Lesben« (16). Weiter<br />
wird Homosexualität als Krankheit oder<br />
als »Kultur des Todes« (17) bezeichnet.<br />
Anhand der Rechtsextremismustheorie<br />
von Willibald Holzer (18) und<br />
aufgrund dieser Merkmale ist die<br />
FPÖ eindeutig als rechtsextrem zu<br />
bezeichnen. Nach dieser Theorie ist<br />
der Begriff Rechtsextremismus nicht<br />
unbedingt mit dessen Ablehnung der<br />
parlamentarischen Demokratie verbunden.<br />
Rechtsextremismus wird hierbei<br />
vor allem durch die Behauptung einer<br />
»natürlichen« Ungleichheit, verbunden<br />
mit der Trias Gemeinschaftsdünkel,<br />
Autoritarismus und Rassismus/Antisemitismus<br />
bestimmt. Die Verwendung<br />
des Begriffes rechtspopulistisch wäre<br />
eine klare Verharmlosung dieser menschenverachtenden<br />
Politik. Bestimmt<br />
man aber den Rechtspopulismusbegriff<br />
als politischen Stil und den Rechtextremismus<br />
als inhaltlich-ideologisch,<br />
so kann eine Partei rechtspopulistisch<br />
und rechtsextrem zugleich agieren.<br />
Gerade in letzter Zeit versucht sich die<br />
FPÖ staatsmännischer zu geben und<br />
die Parteispitze versucht in öffentlichen<br />
Aussagen und Debatten moderater<br />
aufzutreten. Diese Strategie sollte aber<br />
keineswegs darüber hinwegtäuschen,<br />
dass der ideologische Kern der FPÖ<br />
weiterhin ein völkisch-rechtsextremer<br />
ist. Auch bedeutet das Arrangement<br />
der FPÖ mit der Demokratie als Form<br />
keinesfalls, dass die FPÖ eine demokratische<br />
Partei ist. Vielmehr artikuliert<br />
sich der modernisierte Rechtsextremismus<br />
nicht mehr gegen die sondern in<br />
der Demokratie. Er will die Demokratie<br />
nicht abschaffen, aber im Sinne von<br />
Ethnokratie umdeuten. Diese Umdeutungsbestrebungen<br />
stehen im Widerspruch<br />
zu den aufklärerischen Ideen<br />
der Gleichheit des Individuums, da in<br />
dieser »identitären« Demokratie die<br />
Gemeinschaft, das Volk, als alleiniger<br />
Träger von Rechten über den Einzelnen<br />
gestellt wird. (19) Die Charakterisierung<br />
der FPÖ als rechtsextrem bedeutet<br />
jedoch nicht, dass ihre Wähler_innen,<br />
ja nicht einmal ihre Funktionär_innen<br />
und Mitglieder, allesamt Rechtsextreme<br />
wären. Dennoch muss der idelologische<br />
Charakter der Partei ernst genommen<br />
und die inneren Widersprüche, welche<br />
wie oben ausgeführt auch immer wieder<br />
zu Brüchen innerhalb der Partei führen,<br />
in die Kritik miteinbezogen werden.<br />
Diese Widersprüchlichkeit macht sich<br />
auch in der Wirtschaftspolitik der FPÖ<br />
bemerkbar, in der ein fetischisierter und<br />
ressentimentgeladener »Antikapitalismus«<br />
mit neoliberalen Programmatiken<br />
kollidiert. Die FPÖ als »neoliberale«<br />
Partei zu kritisieren, ist eine falsche<br />
Vereindeutigung und dient der linken<br />
Selbstvergewisserung, dass die Thematisierung<br />
der »soziale Frage« stets<br />
das alleinige Terrain der Linken wäre.<br />
Dass mit solchen Inhalten in einem<br />
postnazistischen Land so erfolgreich<br />
Politik gemacht werden kann und mit<br />
der FPÖ Koalitionen eingegangen werden,<br />
ist bezeichnend. Es zeigt abermals<br />
auf, dass solche Positionen gesellschaftsfähig<br />
sind und nicht im luftleeren Raum<br />
herumirren. Das Problem heißt daher<br />
auch nicht FPÖ, sondern Österreich!<br />
Was tun?<br />
Die FPÖ ist keine rechtsextreme<br />
Randgruppe, der man mit den herkömmlichen<br />
antifaschistischen Aktionen<br />
beikommen könnte. Natürlich<br />
sind Gegenmobilisierungen zu ihren<br />
strategisch wichtigsten Events sinnvoll,<br />
ihre Wahlkämpfe könnten auch noch<br />
stärker und kreativer begleitet werden.<br />
Dennoch setzt innerhalb der antifaschistischen<br />
Linken eine Mischung aus<br />
Frustration und Gewöhnung ein. Frustration,<br />
da der FPÖ kein aktiver Schaden<br />
zugefügt werden kann und wir zu<br />
wenige sind. Gewöhnung, weil es den<br />
Anschein hat, dass rechtsextreme Aussagen<br />
zum Alltag geworden sind und<br />
keinen großen Skandal mehr hervorrufen.<br />
Die Politik greift die Debatten der<br />
Rechtsextremen auf, äußert Verständnis<br />
für die »Ängste der Bürger«. Ganz so,<br />
als sei es eine Naturnotwendigkeit, dass<br />
bei ein paar tausend Flüchtlingen der<br />
österreichischen Bevölkerung Angst<br />
und Bange wird. Viele Forderungen<br />
der FPÖ wurden und werden von den<br />
Regierungsparteien umgesetzt. Angesichts<br />
der österreichischen Zustände<br />
steht die antifaschistische Linke diesen<br />
Entwicklungen fast schon hilflos gegenüber.<br />
Dabei wäre der Kampf gegen die<br />
FPÖ gerade ein Kampf gegen jene österreichischen<br />
Zustände, in der autoritäre<br />
Einstellungen weit verbreitet sind. Und<br />
das macht die Sache auch so schwierig.<br />
Auch in Bezug auf die aktuellen Debatten<br />
um Grenzzäune und Asylrechtsverschärfungen<br />
bleibt die radikale Linke<br />
merkwürdig stumm. Der Großteil des<br />
linken Protests schöpft sich in Forderungen<br />
und Petitionen, die auf den<br />
Staat gerichtet sind. Genau hier zeigt<br />
sich erneut die Schwäche und Ohnmacht<br />
der radikalen Linken: Anstatt zu<br />
versuchen, den zivilgesellschaftlichen<br />
Protest zu radikalisieren und die inneren<br />
Widersprüche aufzuzeigen, wird<br />
sich mit der eigenen Ohnmacht und<br />
Hilflosigkeit identifiziert und der Staat,<br />
dessen Grenzregime für dieses Schlamassel<br />
erst verantwortlich ist, wird<br />
angerufen doch endlich zu handeln.<br />
Die aktuellen Herausforderungen der<br />
radikalen Linken stellen sich für uns<br />
wie folgt dar: Wie können antifaschistische<br />
und antirassistische Abwehrkämpfe<br />
besser und zielgerichteter geführt<br />
werden? Und – vor allem – wie kann es<br />
geschafft werden, über diese Abwehrkämpfe<br />
hinaus zu kommen? Und wie<br />
lassen sich diese Kämpfe transnational<br />
organisieren? Betrachtet man die<br />
aktuelle gesellschaftliche Situation, so<br />
erscheint eine rechte Konterrevolution<br />
nicht nur als eine Möglichkeit, sondern<br />
muss vielmehr als eine realistische<br />
Option betrachtet werden. Die Wahlerfolge<br />
der FPÖ in Österreich, des Front<br />
National in Frankreich oder der AfD in<br />
Deutschland – ganz zu schweigen von<br />
Ungarn, dessen völkisches Krisenmanagement<br />
große gesellschaftliche Bereiche<br />
durchdrungen hat – schaffen es,<br />
rechtsextreme Positionen in der Gesellschaft<br />
hegemonialer werden zu lassen.<br />
Die Grenze des Sagbaren wird immer<br />
weiter nach rechts verschoben. Europäische<br />
Faschist_innen basteln derweilen<br />
an der völkischen Neukonzeption<br />
97