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mole magazin 3 – FEMINISMUS

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obwohl sie ganz konkret den Interessen<br />

der Kämpfenden entgegenhandeln,<br />

gleichzeitig die Entscheidungen fällen<br />

von denen die Menschen betroffen<br />

sind. Dennoch muss die Kritik an dem<br />

Verhalten einzelner Akteure in eine<br />

Kritik an gesellschaftlich wirksamen<br />

Zwängen überführt werden. Diese<br />

Diskussion wäre auch nötig um verkürzte<br />

Kapitalismuskritik als falsches<br />

Bewusstsein zu bekämpfen. Wir sind<br />

dabei keine Lehrer*innen, diese Autorität<br />

könnten wir in der Praxis auch gar<br />

nicht durchsetzen, sondern wir liefern<br />

einen Vorschlag, wie die Welt gesehen<br />

werden kann und können diesen in der<br />

Praxis deutlich machen. Das Bewusstsein<br />

der Menschen kann nur in einem<br />

langen Prozess voller Debatten und<br />

Praxiserfahrungen verändert werden.<br />

Diese Perspektive auf die Alltagskämpfe<br />

kommt oft zu kurz. Die Erfahrungen der<br />

Einzelnen werden nicht ernst genommen<br />

und es gibt keine Debatte. Vielmehr<br />

stehen radikale Linke und soziale Bewegung<br />

nebeneinander in einem Konflikt<br />

anstatt miteinander. Deshalb geht sooft<br />

mit dem Ende eines Alltagskampfes<br />

auch ein Ende selbstermächtigenden<br />

Verhaltens einher. Für so eine Praxis<br />

gibt es bei der IL auch Ansatzpunkte,<br />

da die Mitglieder mit den Kämpfenden<br />

in der Bewegung durch die solidarische<br />

Zusammenarbeit im Austausch stehen,<br />

sie werden nur zu selten genutzt. Viele<br />

...ums Ganze!-Gruppen sind hingegen<br />

noch sehr weit davon entfernt mit<br />

den Menschen, die in Alltagskämpfen<br />

engagiert sind, auf Augenhöhe zu<br />

diskutieren und zusammenzuarbeiten.<br />

Man glaubt stattdessen, dass fetzig<br />

geschriebene, gut klingende Flyer (bzw.<br />

»Gedichte« (Karl Held)) und Massenmobilisierungen<br />

des »Schwarzen Blocks«<br />

zu Großevents alleine uns auf dem Weg<br />

der zur Überwindung des Kapitalismus<br />

weiterbringen würden. Das dies nicht<br />

der Fall ist, ist hoffentlich aus meiner<br />

Argumentation deutlich geworden.<br />

Kritik muss mit Erfahrungen aus Kämpfen<br />

vermittelt sein und die Menschen<br />

dürfen nicht zu Objekten linksradikaler<br />

Feldherr*innen oder Eventmanager*innen<br />

degradiert werden.<br />

Gleichzeitig ist es auch nicht von<br />

der Hand zu weisen, dass ein breites<br />

Entgegentreten gegen die momentane<br />

Offensive von Rechts durch bspw.<br />

spektakulären Blockaden wichtig ist,<br />

dadurch wird der Teil der Zivilgesellschaft<br />

mobilisiert, der auf den offenen<br />

104<br />

Rassismus, der heute wieder salonfähig<br />

wird, keinen Bock hat, allerdings wird es<br />

nicht ausreichen die Rechten zu stoppen.<br />

Wichtig wäre es, dass Menschen, die<br />

von Nazis bedroht werden wie Flüchtlinge<br />

und Angehörige eines alternativen<br />

Milieus mit solidarischen Netzwerken<br />

zusammen und vor Ort, wo es noch<br />

möglich ist, gegen konkrete rassistische<br />

Politik und Gewalt vorgehen.<br />

Fußnoten<br />

(1) Der Beitrag ist inspiriert durch zahlreiche<br />

Diskussionen, an denen ich im Kontext meiner<br />

Mitarbeit im AK Soziale Kämpfe der Leipziger<br />

...ums Ganze!-Gruppe The Future is Unwritten<br />

teilnahm. Der AK partizipiert einerseits am Soli-<br />

Streik-Bündnis für die Amazonarbeiter*innen,<br />

andererseits engagiert er sich gegen städtische<br />

Verdrängung. Auch außerhalb dieser Kontexte<br />

führte ich Diskussionen zu dem Thema des<br />

Artikels – insbesondere mit Einzelmitgliedern<br />

der Leipziger IL-Gruppe Prisma. Vor allem danke<br />

ich für die Einsicht, dass eine kritische Analyse<br />

der IL immer eine kritische Selbstreflektion<br />

von ...ums Ganze! Beinhalten muss. Was man<br />

an der Il kritisiert, ist auch an ...ums Ganze! zu<br />

kritisieren. Trotz des Inputs aus den zahlreichen<br />

Gesprächen, für den ich danken möchte, will ich<br />

die Eigenständigkeit meiner Position betonen.<br />

Es handelt sich um keine Gruppenposition. Des<br />

Weiteren bedanke ich mich bei der Redaktion<br />

des <strong>mole</strong> für die hilfreichen Anmerkungen.<br />

(2) Das soll keine umfassende Analyse der<br />

momentanen rassistischen Offensive in Deutschland<br />

sein. Ich will an dieser Stelle nur einen<br />

Moment für die Gegenüberstellung betonen.<br />

(3) Bei Georg Lukács handelt es sich um einen<br />

marxistischen Theoretiker, der nach eigenen<br />

Angaben von der bürgerlichen Klasse in die proletarische<br />

wechselte um nach dem ersten Weltkrieg<br />

in der kurzlebigen ungarischen Räterepublik<br />

mitzumischen. Nach deren Sturz schloss sich<br />

dann aber der Bolschiwiki an und versuchte die<br />

russische Revolution theoretisch zu reflektieren<br />

sowie das Ausbleiben der proletarischen Revolution<br />

in Westeuropa. Das ist der Entstehungskontext<br />

seines marxistischen Frühwerks Geschichte<br />

und Klassenbewusstsein, das 1923 veröffentlicht<br />

wurde, heftige Kontroversen auslöste und<br />

enormen Einfluss auf den westlichen Marxismus<br />

inklusive der Kritischen Theorie hatte.<br />

(4) Die IL ist der größte Zusammenschluss<br />

linksradikaler Gruppen aus Deutschland und<br />

Österreich. Sie möchte die gesellschaftlichen<br />

Hegemonien als Vorrausetzung der Transformation<br />

der Gesellschaft nach links verschieben.<br />

Mehr zu ihrer Geschichte findet ihr im<br />

Zwischenstandspapier unter http://www.<br />

interventionistische-linke.org/positionen/<br />

il-im-aufbruch-ein-zwischenstandspapier<br />

(5) Bereits in den letzten beiden <strong>mole</strong>-Ausgaben<br />

diskutierten Gruppen und Einzelpersonen<br />

darüber, was wir aus den sogenannten Klassikern<br />

linker Theorie für die heutige Situation ziehen<br />

können und was wir nicht aus selbigen ziehen<br />

sollten. So reflektierte die Gruppe AK Societé des<br />

Égaux die Diskussion zwischen den Rätekommunist*innen<br />

und Lenin um ein realistisches<br />

Staatsverständnis zu entwickeln und Phillip<br />

Metzger führte in den (Post-) Operaismus als<br />

linke Praxisform ein. (<strong>mole</strong> #1) Beide Artikel<br />

kritisierten die Freunde und Freund*innen der<br />

klassenlosen Gesellschaft, die u.a. die Orientierung<br />

auf soziale Bewegungen nicht verstehen<br />

können. (<strong>mole</strong> #2) Auch wenn ich nicht direkt<br />

auf diese Artikel eingehe, behalte ich sie im<br />

Hinterkopf. Mit der Vermittlung linksradikaler<br />

Kritik und sozialen Kämpfen im Bereich der<br />

Stadtpolitik beschäftigte sich auch die Gruppe<br />

Andere Zustände ermöglichen in ihren<br />

Beitrag Den Einzelfall verhindern! (<strong>mole</strong> #2) In<br />

der Gruppe gentrifizierungskritischen Leipziger<br />

Gruppe Nowhere haben wir den Text diskutiert<br />

und würden auch anderen empfehlen dies zu tun.<br />

(6) Legalität und Illegalität ist ebenfalls der Name<br />

eines weiteren Aufsatzes aus GuK, in dem sich<br />

Lukács mit dieser Doppelstrategie befasst. Dort<br />

kritisiert er, dass es ein strategischer Irrweg sie<br />

die politische Aktivität auf die Parlamentsarbeit<br />

zu beschränken, da der Rahmen der Beschlüsse<br />

stets durch die kapitalistische Wirklichkeit<br />

gesetzt ist, der die Parlamente entstammen.<br />

Gleichwohl kritisiert er die Idee die Parlamente zu<br />

ignorieren, da sie in der Wirklichkeit immerhin<br />

die Orte sind, an denen politische Entscheidungen<br />

diskutiert und vor allem getroffen werden.<br />

Die Partei muss versuchen in den Parlamenten<br />

Mehrheiten zu organisieren, d.h. den Staat<br />

zu erobern oder zumindest Inhalte zu setzen,<br />

aber zugleich im Untergrund gegen derartige<br />

Institutionen kämpfen. Diese Doppelstrategie<br />

möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren,<br />

auch wenn ich denke, dass auch im ZP so ein<br />

Politikverständnis noch leise mitschwingt, wenn<br />

es auch nicht die IL selbst ist, die als Organisation<br />

in die Parlamente geht. Im ZP kann man lesen:<br />

»Wir wollen kein Teil der bürgerlichen Staatsapparate<br />

werden, wir streben keine Funktionen<br />

und Mandate an. Wir glauben nicht<br />

daran, dass parlamentarische Mehrheiten in<br />

der Lage sind, die Gesellschaft grundsätzlich<br />

und in einem emanzipatorischen Sinn zu<br />

verändern. Das bedeutet nicht, dass parlamentarische<br />

Mehrheiten bedeutungslos wären<br />

und es falsch ist, wenn es in den Parlamenten<br />

starke linke Parteien gibt.« (ZP, These 9)

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