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mole magazin 3 – FEMINISMUS

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S<br />

Socialism without feminism<br />

is no socialism worth fighting for<br />

Interview mit Laurie Penny<br />

Laurie Penny<br />

Interview: Mia Kirsch<br />

Übersetzung: the future is unwritten<br />

Die britische Feministin Laurie Penny ist<br />

auch in Deutschland bekannt, unter anderem<br />

mit ihren beiden Büchern »Fleischmarkt«<br />

und »Unsagbare Dinge. Sex Lügen und Revolution«<br />

machte sie auf sich aufmerksam.<br />

Für <strong>mole</strong> beantwortete sie ein paar Fragen<br />

zu Feminismus in der radikalen Linken.<br />

Mia Kirsch: Laurie Penny, du begreifst<br />

dich selbst nicht nur als Feministin,<br />

sondern auch als radikale Antikapitalistin.<br />

Lassen sich feministische<br />

Forderungen letztlich nur im Rahmen<br />

eines linksradikalen Projekts<br />

verwirklichen oder denkst du, dass<br />

es einen Weg geben kann, der innerhalb<br />

des Kapitalismus verbleibt?<br />

64<br />

Laurie Penny: Ein Sozialismus, in dem<br />

feministische Ideale nicht verwirklicht<br />

sind, erscheint mir nicht erstrebenswert.<br />

Und eine feministische Bewegung, die<br />

den Kapitalismus nicht überwinden<br />

möchte, wird nicht besonders weit<br />

kommen. Der sogenannte Mainstream-<br />

Feminismus hat bereits einen Teil seiner<br />

Forderungen verwirklichen können,<br />

aber eben nur für eine Minderheit<br />

der Frauen*, da er keine größeren<br />

ökonomischen Veränderungen angestrebt<br />

hat. Genau deswegen ist ein<br />

linksradikaler Ansatz grundlegend für<br />

eine wirklich feministische Perspektive.<br />

Das Recht auf gleiche Bezahlung<br />

innerhalb des Arbeitsmarktes scheint<br />

bspw. so gut wie verwirklicht – aber<br />

was ist damit wirklich erreicht, wenn<br />

von Frauen* weiterhin erwartet wird,<br />

dass sie Care- und Hausarbeit unbezahlt<br />

verrichten? Die sogenannte »worklife-balance«<br />

für Frauen*, über die<br />

häufig gesprochen wird, bedeutet doch<br />

letztlich nicht anderes als: wie bekommen<br />

wir es hin, dass Frauen* Erwerbsarbeit<br />

und unbezahlte Hausarbeit unter<br />

einen Hut bekommen? Und das wird<br />

dann als Befreiung verkauft. Eine<br />

begrenzte feministische Analyse ohne<br />

Kritik am Kapitalismus lässt sich sicher<br />

formulieren, aber scheint mir uninteressant<br />

und nicht wirklich brauchbar. Und<br />

ein Sozialismus ohne Feminismus, ist<br />

keiner für den es sich zu kämpfen lohnt.<br />

M: In deinem Buch Unsagbare Dinge.<br />

Sex Lügen und Revolution beschreibst<br />

du deine Erfahrung mit der Occupy-Bewegung.<br />

Wir im ...ums Ganze!-Bündnis<br />

haben Schwierigkeiten damit, feministische<br />

Arbeit in traditionell linke Politik<br />

zu integrieren. Denkst du, wir sollten<br />

eine eigenständige feministische Praxis,<br />

einen feministischen Kampf, anstreben<br />

oder sollten wir eher versuchen eine<br />

feministische Wendung innerhalb der<br />

bestehenden Kämpfe anzustoßen?<br />

Wie denkst du, sollte eine radikale<br />

Linke den feministischen Kampf in<br />

ihrer politischen Arbeit unterbringen?<br />

L: In meiner eigenen Arbeit habe<br />

ich immer versucht Feminismus mit<br />

linksradikaler Politik zu verbinden. Ich<br />

denke einfach nicht, dass es sinnvoll<br />

ist, sie zu trennen. Wie soll man bspw.<br />

eine ernstzunehmende sozialistische<br />

Analyse der Verhältnisse haben,<br />

während Reproduktionsarbeit nicht<br />

thematisiert wird und somit nicht die<br />

zentrale Bedeutung der unbezahlten<br />

Arbeit von Frauen* für das Kapital? Es<br />

ist nicht nur sexistisch solche Aspekte<br />

auszuklammern, es ist schlichtweg<br />

verkürzt. Unter Linken gibt es immer<br />

noch deutlich zu viele, die ihre politische<br />

Organisation auf der Idee des männlichen<br />

(in der Regel weißen) Arbeiters<br />

als Subjekt der Emanzipation aufbauen,<br />

obwohl Frauen* immer gearbeitet und<br />

sich organisiert haben. Unser Kampf<br />

für Selbstbestimmung, für das Recht<br />

auf die eigene Kontrolle über unsere<br />

Körper und Leben, ist im modernen<br />

Feminismus ein zentraler Bestandteil<br />

der Analyse von Arbeit im Kapitalismus.<br />

Wir brauchen definitiv auch Bereiche<br />

in denen sich Frauen* unabhängig von<br />

Menschen mit männlichen Privilegien<br />

organisieren können. Aber zur selben<br />

Zeit müssen wir eine grundlegend<br />

feministische Perspektive und Analyse<br />

in all unseren Kämpfen etablieren.<br />

M: Es ist kein großes Geheimnis, dass<br />

wir auch in linksradikalen Bereichen<br />

immer wieder Sexismus begegnen.<br />

In deinem Buch beschreibst du einen<br />

bestimmten Typ junger Frauen*, die<br />

»fucked-up girls«, die unter anderem<br />

große Probleme mit ihren eigenen<br />

Körpern haben. Denkst du, dass sich<br />

die Schönheitsideale in der Linken von<br />

denen im Rest der Gesellschaft unterscheiden?<br />

Finden wir hier möglicherweise<br />

weniger Frauen*, die Probleme<br />

mit dem eigenen Körper haben oder<br />

werden diese nur »besser« verborgen?<br />

L: In der radikalen Linken finden wir<br />

zweifelsohne ebenso einen problematischen<br />

Umgang mit »Schönheit«. Ich<br />

habe bereits erlebt wie Frauen* die den<br />

verbreiteten Schönheitsidealen nicht<br />

ausreichend entsprochen haben marginalisiert<br />

wurden und auf der anderen<br />

Seite, wie Frauen* die wiederum den<br />

Standards entsprachen (deswegen) nicht<br />

ernstgenommen wurden. Besonders<br />

ältere Frauen* – und in manchen Szenen<br />

reicht es dafür schon knapp über 30 zu<br />

sein – werden behandelt als seien sie<br />

irrelevant oder austauschbar, besonders,<br />

wenn sie Kinder haben. Ältere Männer<br />

hingegen sieht man als »erfahren« und<br />

»weise« an. Wenn überhaupt kann<br />

man vielleicht sagen, dass es in linken<br />

Subkulturen einen besonders problema-

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