mole magazin 3 – FEMINISMUS
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nächste Demonstration planen? Oder<br />
ist es der Ort, an dem wir versuchen<br />
neue Formen des kollektiven Lebens<br />
und Handelns zu entwickeln?<br />
Was feministische Kämpfe<br />
schon immer einforderten...<br />
Vielleicht muss das Ziel eine Organisierung<br />
sein, die unsere eigene und damit<br />
die allgegenwärtige Unsicherheit ernst<br />
nimmt und bekämpft. Eine Prekarität,<br />
die heute sogar eine weiße männliche<br />
Mittelschicht erfährt, ist eine Situation,<br />
die vorher eher – aus vielfältigen<br />
Gründen – ausgegrenzte und/oder<br />
weibliche* Personen betraf. Genau<br />
deshalb lohnt es, sich die feministische<br />
Kritik anzuschauen, bei der Prekarität<br />
und Abhängigkeit schon immer mitbehandelt<br />
werden mussten. Im Folgenden<br />
skizzierte Handlungsoptionen sollen<br />
versuchen an feministische Kämpfe<br />
und ihre Intentionen anzuknüpfen.<br />
De facto nehmen wir uns selten die<br />
Zeit für interne Prozesse, die dafür<br />
sorgen könnten, dass wir Menschen<br />
nicht verlieren bzw. neue für unsere<br />
Art der politischen Praxis gewinnen.<br />
Wir finden kaum eine Sprache und<br />
Praxis, die uns und anderen zeigt,<br />
dass es genau dann das richtige ist<br />
gegen diese Gesellschaft zu kämpfen,<br />
wenn sie dir am härtesten zusetzt.<br />
In der Gruppe sind wir ein Kollektiv,<br />
welches viel Vertrauen und Absprache<br />
benötigt, um Aktionen zu planen<br />
und durchzuführen und Repression<br />
zu begegnen. Wir überlegen uns<br />
Möglichkeiten in das Hamsterrad des<br />
»warenproduzierenden Patriarchats«<br />
(4) einzugreifen und die Welt aus dem<br />
Takt zu bringen. Doch außerhalb sind<br />
wir oft wieder auf uns allein gestellt;<br />
bei der Arbeit, im Studium, in der<br />
Wohnung und der Kleinfamilie. Wenn<br />
es gut kommt, haben wir uns hier<br />
mit anderen zusammengeschlossen<br />
und versuchen bei der Begleitung von<br />
Kindern, in der Liebesbeziehung oder<br />
bzgl. der Unterkunft zumindest ein<br />
wenig unsere Ansprüche eines ganz<br />
anderen Zusammenlebens umzusetzen.<br />
In unsere Politgruppe, der es vorgeblich<br />
»ums Ganze« geht, spielt das jedoch nur<br />
selten rein. Die Einzelnen bleiben alleine<br />
damit, ob sie sich neben der Gruppe<br />
noch anders politisch organisieren,<br />
wie sie ihre (romantische) Beziehung<br />
verhandeln, >>> S.62, R: RelOVEution<br />
oder wie sie Arbeit und Studium mit<br />
der politischen Tätigkeit vereinbaren.<br />
Bei allen Debatten über Geschlechterverhältnis<br />
und Arbeit schaffen<br />
wir es doch selten die Politstrategie<br />
– abseits von »Beyond Europe«-Turnbeutel<br />
und Soli-Partys – in unseren<br />
Alltag einfließen zu lassen.<br />
»Erst die Einbeziehung des Alltags<br />
und der Angriff auf die Trennung von<br />
privat und politisch ermöglicht tiefgreifende,<br />
revolutionäre Arbeit.« (5)<br />
Nur wenn wir auch die Bedingungen<br />
unserer Politik in den Fokus nehmen,<br />
können wir diese verändern und mit<br />
einbeziehen. Das kann uns im Alltag<br />
helfen, wenn wir eine Lohnarbeit<br />
anfangen oder Kinder begleiten. Das<br />
kann aber auch Menschen den Zugang<br />
ermöglichen, die bisher nicht an unserer<br />
Politik teilhaben konnten. Solche, die<br />
Schutz- und Ausprobierräume brauchen,<br />
um nicht in von anderen geschaffenen<br />
Strukturen unterzugehen bzw. keine<br />
Berücksichtigung finden. Und die<br />
oft das Gefühl haben, dass innerhalb<br />
der linksradikalen Szene weiße Mittelschichtskids<br />
vor allem Politik für<br />
weiße Mittelschichtskids machen.<br />
Solange wir uns alle vorrangig als<br />
Opfer des Kapitalismus (an)erkennen,<br />
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