mole magazin 3 – FEMINISMUS
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Menschen als Norm von Lebenserfahrungen<br />
überhaupt. Die weltweite<br />
deutlich bessere Stellung in der gesellschaftlichen<br />
Hierarchie von Menschen<br />
mit weißer Hautfarbe hat dazu geführt,<br />
dass jene die gesellschaftlichen Diskurse<br />
dominieren und Menschen mit einer<br />
anderen Hautfarbe kaum bis gar kein<br />
Gehör fanden. Bis heute sind zweite<br />
zumindest deutlich unterrepräsentiert.<br />
Die rassistische Unterdrückung lässt<br />
sich zum Teil mit der sexistischen parallelisieren.<br />
An gesellschaftlichen Diskursen<br />
haben Frauen*, und andere sexistisch<br />
diskriminierte Personen weniger<br />
Anteil als Männer* und finden somit<br />
weniger Gehör und auf die Unterdrückung,<br />
unter der sie leiden, kann daher<br />
nicht so einfach aufmerksam gemacht<br />
werden. Feminist*innen wollen aber<br />
verständlicherweise, dass Personen, die<br />
unter Sexismus leiden, Gehör finden<br />
und ihre Stimmen Eingang in den<br />
gesellschaftlichen Diskurs erhalten.<br />
Aber genauso wie es falsch ist, aus der<br />
Unterrepräsentiertheit von Menschen<br />
mit nicht-weißer Hautfarbe zu folgern,<br />
dass nun keine Menschen mit weißer<br />
Hautfarbe zum Thema Rassismus mehr<br />
gehört werden dürfen, wäre es falsch,<br />
Menschen, die nicht oder weniger<br />
unter Sexismus leiden, komplett aus<br />
der antisexistischen Debatte auszuschließen.<br />
Vertreter*innen von critical<br />
whiteness haben meines Erachtens<br />
zurecht darauf hingewiesen, dass eine<br />
weiße Person nicht alleiniges Anrecht<br />
darauf haben kann, über einen bestehenden<br />
gesellschaftlichen Zustand zu<br />
urteilen, da sie bestimmte Probleme<br />
aufgrund ihrer privilegierten Position<br />
nicht wahrnimmt. Deshalb ist es<br />
wichtig, Privilegien zu reflektieren und<br />
andere Lebensrealitäten sichtbar zu<br />
machen. Dies schließt jedoch nicht aus,<br />
dass eine weiße Person nach sensibler<br />
Beschäftigung mit der Thematik und<br />
Selbstreflexion in der Lage sein kann,<br />
Rassismus als etwas Schlechtes zu erfassen,<br />
ihn auszumachen und gegen ihn zu<br />
kämpfen. So kann auch ein Mann* (4)<br />
erkennen, dass Sexismus ein Missstand<br />
ist, ohne direkt selbst betroffen zu sein,<br />
und unter anderem durch Selbstreflexion<br />
dahin gelangen, gegen Sexismus<br />
vorgehen zu können. Wenn ich davon<br />
ausgehe, dass es keine männlichen*<br />
Feministen geben könne, da sie nicht<br />
unter Sexismus leiden (5) und diesen<br />
daher nicht erkennen können, würde<br />
das bedeuten, dass alle Menschen, die<br />
unter Sexismus leiden, in der Lage<br />
sind diesen zu erkennen. Das ist aber<br />
eindeutig nicht der Fall. Denn sowohl<br />
die rassistische als auch die sexistische<br />
Denkweise haben unsere Gesellschaft<br />
als dominante Diskurse so stark durchzogen,<br />
dass auch Schwarze Menschen<br />
unbewusste rassistische Vorstellungen<br />
verinnerlicht haben können, genauso<br />
wie Frauen* teilweise sexistische Denkund<br />
Verhaltensweisen an den Tag legen.<br />
Das Sichtbarmachen von Privilegien<br />
und das Hinterfragen der eigenen<br />
gesellschaftlichen Stellungen ist also<br />
eine Methode, mit der sich sämtliche<br />
emanzipatorische Bewegungen befassen<br />
sollten. Dabei muss aber bedacht werden,<br />
dass in einer Gesellschaft, in der<br />
verschiedenste Unterdrückungsmechanismen<br />
existieren, die auf komplizierte<br />
Weise miteinander verknüpft sind, Privilegien<br />
nicht einfach an einer Kategorie<br />
wie beispielsweise Gender ausmachbar<br />
sind. >>> S.32, I: Intersektionalismus<br />
Und dass der gesellschaftliche Diskurs<br />
ein diskriminierender ist, der leider<br />
alle Menschen zumindest ein Stück<br />
weit diskriminierend denken und<br />
handeln lässt. Damit ist es deutlich zu<br />
einfach und nicht richtig, eine Gruppe<br />
aufgrund einer Kategorie die Fähigkeit<br />
zur Teilnahme an einem emanzipatorischen<br />
Kampf abzusprechen.<br />
Damit spare ich mir die Definition<br />
dessen, was ein Mann* ist, und kann<br />
die Frage, ob Männer* Feministen sein<br />
können, klar mit »Ja« beantworten.<br />
Wer emanzipatorische Ziele verfolgt,<br />
muss auch feministische verfolgen.<br />
Aufgrund einer Zuschreibung, wie der,<br />
männlich* zu sein, lässt sich noch nicht<br />
ausreichend über eine Person aussagen.<br />
Selbstreflexion ist dennoch ein fundamentaler<br />
Bestandteil feministischer<br />
Arbeit. Dies betrifft insbesondere<br />
Personen, die gesellschaftliche Privilegien<br />
innehaben, die sie weniger<br />
oder gar keine sexistische Diskriminierung<br />
spüren lassen. Das werden<br />
aber nicht bloß Männer* sein.<br />
Fußnoten<br />
(1) http://www.guerrillafeminism.org/<br />
no-more-male-feminists-phoenix-calida/<br />
(2) Für alle, die sich glücklich schätzen können,<br />
bisher nichts von Birgit Kelle gehört zu haben:<br />
Birgit Kelle, CDU Mitglied, verbindet die<br />
schönsten Aspekte rechter und katholischer<br />
Ansichten mit einem großen Mitteilungsbedürfnis.<br />
Unter anderem organisierte sie<br />
gemeinsam mit Beatrix von Storch (AfD)<br />
die »Demo für alle«, bei der sich besorgte<br />
Eltern gegen die vermeintlich zu queerfeministischen<br />
Änderungen des Bildungsplans in<br />
Baden-Württemberg engagieren konnten.<br />
(3) vergleichend dazu Roswitha Scholz:<br />
Das Geschlecht des Kapitalismus<br />
(4) was genau ein Mann* ist, wurde<br />
auch noch nicht geklärt<br />
(5) damit möchte ich nicht behaupten, dass<br />
Männer* nicht unter Sexismus leiden können<br />
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