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mole magazin 3 – FEMINISMUS

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Radikale Linke und Soziale Bewegung<br />

Überlegungen zur Organisationsfrage ausgehend<br />

von Lukács und der Interventionistischen Linken (1)<br />

Anton Kramer<br />

the future is unwritten<br />

Da das ...ums Ganze!-Bündnis nun schon eine<br />

Weile hin und wieder mit der IL zusammenarbeitet,<br />

hat sich Anton Kramer von den Leipzigern<br />

mal angesehen, welche Antworten dort auf die<br />

Organisationsfrage gegeben werden. Dafür hat<br />

er sich von Georg Lukács ausgehend kritisch<br />

das Zwischenstandspapier vorgenommen.<br />

»Diese »Unbewußtheit« in den Organisationsfragen<br />

ist aber ganz bestimmt<br />

ein Zeichen der Unreife der Bewegung.«<br />

(Georg Lukács in Geschichte und<br />

Klassenbewusstsein (GuK), 453)<br />

1. Soziale Bewegung und radikale<br />

Linke: Ein Problemaufriss<br />

Dass Menschen sich auch heutzutage<br />

gegen den Irrsinn kapitalistischer Verhältnisse<br />

wehren, ist ein beobachtbarer<br />

Fakt, der überhaupt den Ausgangspunkt<br />

der Organisationsfrage darstellt. Gerade<br />

in Zeiten der kapitalistischen Krise,<br />

wie wir sie heute erleben, organisieren<br />

sich Menschen gegen die Zumutungen,<br />

in denen sich die Logik der warenproduzierenden<br />

Gesellschaft in prekären<br />

Arbeitsverhältnissen, in Verdrängungsprozessen<br />

aus der neoliberalen Stadt,<br />

in Umweltzerstörung als Folge einer<br />

profitorientierten Naturbeziehung<br />

äußert. Krisen sind zunächst Krisen<br />

eines besonderen Produktionsregimes,<br />

d.h. einer Erscheinung kapitalistischer<br />

Ausbeutung. Krisen sind dem Kapitalismus<br />

wesentlich und gehören daher zu<br />

jeder Formation. Es gibt kein krisenfreies<br />

Produktionsregime. Wenn ein Produktionsregime<br />

in die Krise gerät, dann<br />

muss sich der Kapitalismus transformieren<br />

und eine neue Gestalt annehmen.<br />

Diese Veränderungen haben schlimme<br />

100<br />

Folgen für die Menschen, die von ihnen<br />

betroffen sind, wie wir momentan in<br />

allen Staaten der Eurozone beobachten<br />

können. Es bildet sich Widerstand gegen<br />

die Krisenlösung der hegemonialen<br />

Kapital– und Staatsfraktionen. In diesem<br />

Widerstand gegen die Verelendung<br />

macht sich ein merkwürdiges Gefühl<br />

breit: Plötzlich scheint es so als sei der<br />

Kapitalismus endlich, ja besiegbar, da<br />

objektiv die Wertverwertung gestört<br />

ist und subjektiv sich Menschen gegen<br />

ihn organisieren. Gleichzeitig scheint er<br />

aber stabil genug um die Angriffe durch<br />

massive Streikwellen, selbstorganisierte<br />

Nachbarschaften, Wahlsiege von dem<br />

Anspruch nach antikapitalistischer<br />

Parteien usw. überdauern zu können.<br />

Es soll nicht behauptet werden, dass<br />

diese Kämpfe viele Teilnehmende hätten,<br />

gemessen an der Anzahl derer, die<br />

an den Verhältnissen leiden (eigentlich<br />

alle). Noch, dass diese Teilnehmenden<br />

wissen, gegen was sie in vermittelter<br />

Form ankämpfen. Mit dem Umstand,<br />

dass Menschen kämpfen, ist jedoch<br />

überhaupt erst ein politisches Problem<br />

gestellt. Wenn die radikale Linke<br />

sowieso davon ausginge (und teilweise<br />

ausgeht), dass es keine Widerständigkeit<br />

von Seiten der Nicht-linksradikalen gibt,<br />

könnte sie sich getrost zurückziehen,<br />

weil sie ohnehin auf verlorenem Posten<br />

stünde. Nur existierende soziale Bewegungen<br />

können sich sinnvoll die Frage<br />

stellen, wie sie organisiert sein wollen.<br />

Oder: nur, wenn es eine radikale Linke<br />

gibt, die in einem Austausch zu existierenden<br />

sozialen Bewegungen steht oder<br />

ein Teil ihrer ist, kann sich die radikale<br />

Linke sinnvoll die Organisationsfrage,<br />

also die Frage nach dem Aufbau einer<br />

kommunistischen Bewegung, stellen.<br />

Soziale Bewegungen sind in diesem<br />

Kontext Zusammenschlüsse von Menschen<br />

für die kollektive Durchsetzung<br />

ihrer Interessen in der kapitalistischen<br />

Gesellschaft. Es gibt einen Diskurs<br />

zwischen mehreren Menschen und<br />

gemeinsame Organisationsstrukturen.<br />

Die Artikulation und das Engagement<br />

für die Interessen könne die Institutionen<br />

der kapitalistischen Gesellschaft<br />

transzendieren. Dann wären sie<br />

bestenfalls Teil der kommunistischen<br />

Bewegung. Soziale Bewegungen sind<br />

aber keineswegs per se emanzipatorisch.<br />

Ganz im Gegenteil: sie können nationalistisch<br />

und rassistisch sein. Für mich<br />

sind auch die organisierten Wutbürger*innen,<br />

die gegen Flüchtlingsheime<br />

demonstrieren soziale Bewegungen. Es<br />

sind Menschen die für ihre – in dem Fall<br />

falschen – Interessen eintreten. Diese<br />

Bewegungen reproduzieren in ihrem<br />

Ressentiment und ihrer Praxis Formen<br />

der kapitalistischen und konkreter der<br />

bundesrepublikanisch-deutschen Vergesellschaftung.<br />

Sie haben kein wahres<br />

Bewusstsein von ihrer Ausbeutungssituation.<br />

Ihr Interesse nach Partizipation<br />

am gesellschaftlichen Reichtum äußert<br />

sich in Hass auf Flüchtlinge und in der<br />

Forderung an den deutschen Staat nichts<br />

den Anderen zu geben, da sie selbst auch<br />

ein trostloses Dasein fristen müssen. (2)<br />

Jedoch scheinen in manchen sozialen<br />

Bewegungen aufgrund ihrer Kritik<br />

und ihrer politischen Ziele Anknüpfungspunkte<br />

für eine linksradikale<br />

Kritik und Partizipation auf. Selten<br />

entstehen soziale Bewegung sogar aus<br />

der Organisation von Linksradikalen für<br />

ihre konkreten Interessen, also jenseits<br />

der abstrakten Forderung nach einem<br />

kommunistischen Gesellschaftszustand.<br />

Auch Linksradikale leiden an schlechten<br />

Arbeitsbedingungen, Verdrängung usw.<br />

Gehen wir von der Existenz von

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