mole magazin 3 – FEMINISMUS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
D<br />
Deutsche Männer, deutsche Frauen<br />
– Eine völkische Kategorie<br />
gruppe polar, critique’n’act, Dresden<br />
Anti-Rassismus braucht Feminismus und eine<br />
Kritik an der Nation. Die medialen und politischen<br />
Reaktionen auf die sexualisierten Übergriffe<br />
in Köln haben es erneut klar gemacht: Wenn es<br />
um den deutschen Frauenkörper geht, ist es der<br />
Nation verdammt ernst. Und weil dem Rassist<br />
der weiße Frauenkörper als sein Eigentum<br />
gilt, flippt er bei diesem Thema endgültig<br />
aus. Die Gruppe polar aus Dresden wirft einen<br />
Blick auf Pegida und die Köln-Debatte.<br />
18<br />
Der Pauschal-Vorwurf an männliche<br />
Geflüchtete, Muslime und People of<br />
Color, sie seien grundsätzlich Machos,<br />
würden keine Frauenrechte kennen<br />
und seien potentielle Vergewaltiger<br />
zieht sich durch die ideologische<br />
Geschichte von Pegida, genauer gesagt<br />
schon durch die Vorgeschichte. »Nein<br />
zum Heim«-Demos in Sachsen, deren<br />
Anfang wohl auch das erzgebirgische<br />
Schneeberg machte. Schon Ende 2013<br />
demonstrierten mehrfach 1000 bis 2000<br />
Nazis und rassistische Bürger*innen<br />
gegen eine Unterkunft für Geflüchtete<br />
und dort sprach prominent ein<br />
Mitglied des »Bunds Schneeberger<br />
Mädel« (sic!). Und was sagte die besorgte<br />
Schülerin? Sie wolle durch die Stadt<br />
laufen können, »ohne Angst zu haben,<br />
angebaggert, bedroht oder beklaut zu<br />
werden« (1). – Tosender Beifall. Klar,<br />
als deutsche Frau steht sie nicht für<br />
ihren individuellen Körper und ihre<br />
Integrität ein, sondern der Körper wird<br />
zum Kampfgebiet auch der anwesenden<br />
rassistischen Sexist*innen, Applaus!<br />
Bei Pegida sind Frauenrechte ein konstituierendes<br />
Thema, natürlich immer<br />
bezogen auf Migranten, die diese nicht<br />
achten würden. Sächsische alte Männer,<br />
die uns davor schützen wollen, eine<br />
Burka tragen zu müssen, schönen Dank<br />
auch. Frauen* werden dabei ihr Subjektstatus<br />
und ihre Souveränität abgesprochen,<br />
als bedürften sie des Schutzes<br />
deutscher Männer. Und so geht es regelmäßig<br />
um das Thema Vergewaltigung:<br />
Alte rassistische Bilder fließen in Festerlings<br />
Geschwader über Geflüchtete ein,<br />
die angeblich sexuell ausgehungert seien.<br />
Im November 2015 zeigte eine Frau<br />
eine nicht stattgefundene Vergewaltigung<br />
durch einen »Ausländer« auf dem<br />
Gelände der Technischen Universität<br />
Dresden an, auf deren Gelände sich zwei<br />
Erstaufnahmeeinrichtungen befinden.<br />
Selbst Polizeistellen geben an, dass<br />
ständig falsche Meldungen von sexualisierten<br />
Übergriffen durch Asylbewerber<br />
kursieren, für die sich allerdings keine<br />
Opfer finden lassen. Solche falschen<br />
Anschuldigungen geben sich besorgt,<br />
tatsächlich verhöhnen sie aber die Opfer<br />
von sexualisierten Übergriffen auf<br />
grausame Weise. An der Wahrheit liegt<br />
Pegida ohnehin nichts, was halluziniert<br />
wurde, hätte ja so passiert sein können.<br />
Und das reicht dem Mob als selbstreflexive<br />
Bestätigung völlig aus. Die<br />
Forderung »Sofort abschieben« hat die<br />
völkische Front populär gemacht, nach<br />
der sexualisierten Gewalt zu Silvester in<br />
Köln lassen bürgerliche Mitte und Linke<br />
(Sahra Wagenknecht) sie widerhallen.<br />
Gleichzeitig geht es bei Pegida schon<br />
immer gegen die »Genderisierung«<br />
(Positionspapier von 2014), gegen<br />
»Frühsexualisierung« mit »Gummi-<br />
Muschis und Plüschpimmel« in der<br />
Schule oder auch mal gegen eine<br />
»sozialistisch-quer-sexuelle Minderheitenlobby«<br />
(sic!) und »verkorkste<br />
Gendertanten mit überzogenem<br />
Sexualscheiß« (Tatjana Festerling), also<br />
gegen Feminist*innen und Menschen,<br />
die nicht im heteronormativen Volkstanz<br />
mitrocken. Nicht zuletzt zeigte sich<br />
von Anfang an ein tiefer Frauen*hass,<br />
der wüst auf die politische Gegnerin*<br />
einschlug: Ein winziger Refugees-<br />
Welcome-Button reicht aus, damit Pegida-Teilnehmer<br />
Frauen* dazu auffordern,<br />
doch »die Beine breit zu machen« für<br />
Geflüchtete; der kleinste Widerspruch<br />
auf Facebook von einer mutmaßlich<br />
weiblichen Person wird beantwortet mit<br />
der Drohung: »Hoffentlich vergewaltigt<br />
dich der nächste Islamist!« Vergewaltigung<br />
als geeignete Bestrafung und<br />
Disziplinierung der »Volksverräterin«.<br />
Denn sie hassen Frauen* außerhalb<br />
ihrer völkischen Gemeinschaft zutiefst.<br />
Zufall ist das alles nicht. Schon im<br />
kolonialen Rassismus war der »Schutz«<br />
der weißen Frau vor dem »schwarzen<br />
Mann« zentral, während der Kolonialherr<br />
ungestraft vergewaltigen konnte.<br />
(2) Die Affäre der »Madam« mit einem<br />
Sklaven wurde hingegen häufig als<br />
Vergewaltigung umgedeutet, damit der<br />
beleidigte Herr Rache nehmen konnte.<br />
Auch für rassistische Lynchmobs waren<br />
Beziehungen zwischen weißen Frauen<br />
und schwarzen Männern oft Anlass.<br />
Vergewaltigung gehört zum Standardrepertoire<br />
der Abendlandsverfechter*innen,<br />
einer Gesellschaft, in der Vergewaltigung<br />
Teil der Normalität ist, aber<br />
der »Andere« als Täter markiert wird.<br />
Das lässt sich als rassistische Projektion<br />
erklären: Die moderne Gesellschaft<br />
und ihr Bürger (schon immer weiß und<br />
androzentrisch gedacht) sollen rational,<br />
sittsam und selbstbeherrscht sein.<br />
Nur durch die Verdrängung bestimmter<br />
Eigenschaften, Bedürfnisse und Neigungen<br />
kann so ein idealistisches Selbstbild<br />
erhalten werden. Dem steht ein Konstruktion<br />
des »Anderen« gegenüber, der<br />
vormodern, in einer archaischen Gesellschaftsform<br />
verhaftet scheint. Was sich<br />
nicht gehört, wird verdrängt und auf<br />
vermeintlich Fremde verlagert. Dieser<br />
Rassismus ist zufrieden in seiner demokratischen<br />
bürgerlichen Gesellschaft. (3)