mole magazin 3 – FEMINISMUS
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end die FPÖ bislang die autoritären<br />
Gebärden der von Abstiegsängsten<br />
und rassistischen Untergangsszenarien<br />
gebeutelten Österreicher_innen für<br />
ihren parlamentarischen Erfolg kanalisieren<br />
konnte, artikulierte sich dieser<br />
Rassismus nun auch zunehmend auf der<br />
Straße. In Spielfeld, jenem oststeirischen<br />
Ort an der österreichisch-slowenischen<br />
Grenze, der den Rechten zum Symbolbild<br />
des »Asylchaos« geworden zu sein<br />
scheint, fanden nahezu im Wochentakt<br />
rassistische Aufmärsche gegen Geflüchtete<br />
mit bis zu 600 Teilnehmenden<br />
statt. Am 15. November mobilisierte<br />
erstmals die »Identitäre Bewegung«<br />
nach Spielfeld, um im Zusammenspiel<br />
mit Neonazis und »besorgten Bürgern«<br />
ihre Menschenverachtung auf<br />
die Straße zu tragen und Flüchtenden<br />
ihr »NO WAY«-Banner entgegen zu<br />
halten. Wir beteiligten uns maßgeblich<br />
am Bündnis »Kein Spielfeld für Nazis«,<br />
welches Gegenproteste organisierte. (2)<br />
Aus Wien reisten vier Busse zur Demo<br />
an, mittels Fingertaktik und zivilem<br />
Ungehorsam wurden Polizeiketten<br />
durchflossen und an zwei Punkten<br />
die Aufmarschroute blockiert. Trotz<br />
dieser Blockaden, welche teilweise<br />
von Neonazis gewaltsam durchbrochen<br />
wurden, konnte der Aufmarsch<br />
zwar stattfinden, wurde aber empfindlich<br />
gestört und verzögert. Im<br />
Anschluss gingen noch 80 Autos der<br />
angereisten Rechtsextremen kaputt.<br />
Vereinzelt fanden auch »Proteste« gegen<br />
die Unterbringung von Geflüchteten<br />
statt. Es ist zu befürchten, dass diese<br />
Art von rassistischer Mobilmachung<br />
noch zunehmen könnte. Die österreichische<br />
Regierung hat ein Durchgriffsrecht<br />
beschlossen, um Unterkünfte in<br />
Gemeinden eröffnen zu können, auch<br />
wenn diese dem nicht zustimmen.<br />
Trotz der vereinzelten Versuche, auf<br />
der Straße eine außerparlamentarische<br />
rassistische Bewegung zu etablieren,<br />
bleibt der erfolgreichste Arm der völkisch-nationalistischen<br />
Rechten ohne<br />
Zweifel die FPÖ. Um deren gesellschaftlichen<br />
Erfolg zu erklären, macht<br />
es Sinn, einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte<br />
und den ideologischen<br />
Charakter dieser Partei zu werfen.<br />
Die FPÖ zwischen Rechtsextremismus<br />
und Neonazismus (3)<br />
Die Freiheitliche Partei Österreich<br />
(FPÖ) ging 1955 aus dem Verband der<br />
Unabhängigen (VdU) hervor, welcher<br />
sich als Vertreter der ehemaligen<br />
NSDAP-Mitglieder sah und seine<br />
Reihen mit diesen füllte. Es war ein<br />
Sammelbecken von Altnazis, Deutschnationalen<br />
und wenigen Nationalliberalen.<br />
Letztere wurden mit der Auflösung<br />
des VdU und der Umgestaltung<br />
zur FPÖ aus der Partei gedrängt, um<br />
diese auf einen strikt deutsch-völkischen<br />
Kurs zu bringen. Die weitere<br />
Geschichte der FPÖ kann als stetiger<br />
Kampf zwischen dem deutsch-völkischen<br />
und dem nationalliberalen<br />
Flügel innerhalb der Partei beschrieben<br />
werden. Dieser ständigen Konflikts<br />
erschwert die Darstellung der ideologischen<br />
Ausrichtung der FPÖ; Diese<br />
wirkt oft widersprüchlich und kann<br />
auch wegen der Länge des Textes nicht<br />
vollständig aufgeschlüsselt werden.<br />
Als erster Bundesparteiobmann wurde<br />
Anton Reinthaller gewählt. Dieser war<br />
seit 1930 Mitglied der NSDAP, Angehöriger<br />
der Regierung um Seyß-Inquart<br />
und später SS-Brigadeführer. In seiner<br />
Antrittsrede betonte er in deutschnationaler<br />
Manier, »der nationale Gedanke<br />
bedeutet in seinem Wesen nichts anders<br />
als das Bekenntnis der Zugehörigkeit<br />
zum deutschen Volk.« Reinthaller<br />
wurde nach seinem Tod 1958 von<br />
Friedrich Peter in seiner Position als<br />
Bundesparteiobmann beerbt. Auch dieser<br />
war ehemaliges Mitglied der SS und<br />
der Einsatzgruppe C zugeteilt, welche<br />
maßgeblich an Massenerschießungen<br />
beteiligt war. Die Liste von ehemaligen<br />
NSDAP-Mitgliedern bzw. Wehrmachts-,<br />
SS-Angehörigen und anderen NS-Täter_<br />
innen, welche sich der FPÖ anschlossen<br />
könnte schier endlos weitergeführt werden.<br />
Doch schon diese beiden können<br />
gut als Beispiel dafür angeführt werden,<br />
dass in Österreich nach 1945 keine<br />
Aufarbeitung, geschweige denn ein<br />
vollständiger Bruch mit der nationalsozialistischen<br />
Vergangenheit erfolgte.<br />
Damit verbunden ist auch eine wenig<br />
bis gar nicht erfolgte Aufarbeitung mit<br />
der Epoche vor dem Nationalsozialismus<br />
in Österreich – des sogenannten<br />
Austrofaschismus. Im Vordergrund<br />
steht dabei häufig die Betonung des<br />
eigen- und widerständigen Österreichs<br />
im Gegensatz zum nationalsozialistischen<br />
Deutschland. Dass unter dieser<br />
als Ständestaat verharmlosten Epoche<br />
nicht nur ein unterwürfiges Sozialpartnerschaftsdenken<br />
geschaffen wurde,<br />
welches Kapital, Arbeit und Staat – bis<br />
heute – unter dem nationalen Dach zu<br />
vereinen weiß, sondern auch der Weg<br />
für den Nationalsozialismus bereitet<br />
wurde, wird häufig vergessen.<br />
Mit dem »Anschluss« an das Deutsche<br />
Reich wurden schließlich die Wünsche<br />
der »Volksdeutschen« befriedigt. Sie<br />
durften endlich »heim ins Reich« und<br />
so sahen auch prominente Sozialdemokrat_innen<br />
wie Karl Renner dem<br />
»Anschluss« »mit freudigem Herzen«<br />
entgegen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen<br />
Herrschaft und<br />
dem Verbot, sich wieder an das »deutsche<br />
Vaterland« anzuschließen, stand<br />
die Politik wieder vor dem leidigen<br />
Thema Nationalbewusstsein, da die<br />
Gründung der Republik – wie schon<br />
1918 – gegen den Willen der »Volksgenossen«<br />
stattfand. Es wurde versucht,<br />
einen Österreich-Patriotismus durch<br />
Abgrenzung zum Nationalsozialismus<br />
und Überbetonung des österreichischen<br />
Widerstands aufzubauen. Dies spielte<br />
bei der Etablierung des Opfermythos<br />
eine wichtige Rolle, welcher Österreich<br />
als erstes Opfer des Nationalsozialismus<br />
darstellt. Das bot der nationalen Identität<br />
wieder einen positiven Bezugsrahmen<br />
und machte es möglich, sich mit<br />
der österreichischen Nation zu identifizieren,<br />
ohne sich den Verbrechen des<br />
Nationalsozialismus stellen zu müssen.<br />
War die FPÖ in den ersten Jahrzehnten<br />
ihres Bestehens eine Kleinpartei<br />
und bewegte sich zwischen fünf und<br />
zehn Prozent der Wähler_innenstimmen,<br />
erlebte sie mit dem Aufstieg<br />
Jörg Haiders und einem damit verbundenen<br />
Kurswechsel einen stetigen<br />
Aufschwung. Haider erlangte in einer<br />
Kampfabstimmung 1986 gegen den national-liberalen<br />
Norbert Steger das Amt<br />
des Bundesparteiobmanns und brachte<br />
die Partei wieder auf einen völkisch-nationalistischen<br />
Kurs. Haider baute die<br />
FPÖ zu einer autoritären Führerpartei<br />
um und verlieh ihr eine ideologische<br />
und personelle Erweiterung. Der bis in<br />
die Mitte der 1990er verfolgte Deutschnationalismus<br />
erwies sich als nicht mehr<br />
breitentauglich und wurde von einem<br />
»aggressiven Österreichpatriotismus«<br />
(4) abgelöst. Die FPÖ wurde zum Sammelbecken<br />
verschiedener ideologischer<br />
Strömungen, welche von neoliberal bis<br />
national-sozial reichten. Auch in der<br />
Familienpolitik wurden Änderungen<br />
vorgenommen. Die »österreichische<br />
Familie« stellte schon immer einen<br />
zentralen Punkt in der Politik der FPÖ<br />
dar. Wurde aber im Parteibuch unter<br />
Norbert Steger noch darauf hingewie-<br />
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