mole magazin 3 – FEMINISMUS
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verfeindeten Fanfraktionen – und über<br />
die gleichzeitige Vergemeinschaftung<br />
durch die Abgrenzung von Frauen* und<br />
nicht akzeptierten Männern* eine sozial<br />
anerkannte patriarchale Männlichkeit<br />
zu konstruieren. Kritische Männerforschung<br />
verweist nun darauf, dass die<br />
Fußballkultur hiermit keineswegs eine<br />
Besonderheit darstellt. Vielmehr kann<br />
sie als beispielhaft für die Herstellung<br />
von Männlichkeit verstanden werden,<br />
wie sie sich in nahezu allen formellen<br />
und informellen Männergruppen<br />
vollzieht, seien es Burschenschaften,<br />
Aufsichtsräte oder alltägliche Männerfreundschaften.<br />
Da die Angehörigen auf<br />
ein dominanzstrebendes Männlichkeitsbild<br />
verpflichtet werden, ganz gleich,<br />
wie diese sich persönlich zu diesem<br />
positionieren, werden andere Männlichkeitsverständnisse<br />
durch die Einschränkung<br />
der potentiellen Verhaltens- und<br />
Beziehungsmöglichkeiten nahezu ausgeschlossen.<br />
Mit diesem Druck, sich dem<br />
Ideal patriarchaler Männlichkeit durch<br />
die beständige Darstellung von Stärke<br />
und Überlegenheit anzunähern und sich<br />
selbst und anderen die eigene Männlichkeit<br />
zu beweisen, geht die Verdrängung<br />
und Abwehr von fundamentalen<br />
Gefühlen und Persönlichkeitsanteilen<br />
einher. So ist es Männern* nicht erlaubt,<br />
Kummer, Probleme, Hilflosigkeit und<br />
das Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung<br />
zu zeigen. Eine solche Bedürftigkeit<br />
ist mit der Demonstration männlicher<br />
Macht unvereinbar und würde daher<br />
als unmännliche Schwäche ausgelegt<br />
werden. Bourdieu erkennt hierin die<br />
Kehrseite patriarchaler Macht. Die<br />
herausgehobene Position in der Gesellschaft<br />
und die vielfältigen sozialen<br />
Vorteile, die Männern* qua Geschlecht<br />
zukommen, müssen erstritten werden.<br />
Doch gerade in der Begrenzung und<br />
Vereinseitigung der Entwicklungsund<br />
Entfaltungsmöglichkeiten von<br />
Männern* liegt zugleich eine Chance<br />
der Eröffnung einer progressiven und<br />
nicht patriarchalen Männlichkeit, nach<br />
der die Kritische Männerforschung<br />
mit ihren Analysen ebenso fragt. Das<br />
Überschreiten der Geschlechtergrenzen<br />
und die Suche nach einem alternativen<br />
Selbstverständnis jenseits tradierter<br />
Geschlechterbilder ist vor allem für jene<br />
Männer* von Interesse, die den Zwangscharakter<br />
von Männergruppen und<br />
des mit ihnen einhergehenden Männlichkeitsideals<br />
empfinden oder nicht<br />
vergessen haben, dass sie ihn einmal<br />
empfunden haben. Kritische Männerforschung<br />
arbeitet mit ihren Analysen<br />
daher auch darauf hin, Männern diesen<br />
sozialen Druck und die Einschränkungen<br />
vor Augen zu führen. Die Gewinne<br />
eines alternativen Männlichkeitsverständnisses<br />
liegen dabei auf der Hand:<br />
die Ermöglichung eines nicht mehr von<br />
verletzender Konkurrenz bestimmten,<br />
liebe- und vertrauensvolleren Miteinanders<br />
mit den Geschlechtsgenossen und<br />
einer auf Partner*innenschaftlichkeit<br />
und gegenseitigem Respekt aufruhenden<br />
Beziehung zu Frauen*; die Befreiung<br />
vom ständigen Druck, etwas beweisen<br />
und immer der Beste sein zu müssen;<br />
das Ausleben und Aussprechen<br />
von für gewöhnlich ignorierten und<br />
unterdrückten Gefühlen und Ängsten<br />
und die Eröffnung weiterer bisher als<br />
weiblich oder unmännlich konnotierter<br />
Tätigkeiten. Selbst in der patriarchalen<br />
Gesellschaft ist die Distanz von<br />
gängigen Männlichkeitsvorstellungen<br />
für Männer* eben nicht nur mit dem<br />
Verlust zahlreicher Privilegien, sondern<br />
ebenso mit der Erweiterung von<br />
Handlungs- und Beziehungspotentialen<br />
verbunden. Die kritische Auseinandersetzung<br />
mit dem Patriarchat, so<br />
macht die Kritische Männerforschung<br />
deutlich, ist daher auch im Interesse<br />
des männlichen Geschlechts.<br />
Fußnoten:<br />
(1) Raewyn Connell: Der Gemachte<br />
Mann. Wiesbaden: 1999.<br />
(2) Aktuell kennzeichnet Raewyn Connell<br />
das hegemoniale Männlichkeitsmuster als ein<br />
weißes, heterosexuelles, sozio-ökonomisch<br />
wohlhabendes und nicht-behindertes.<br />
(3) Pierre Bourdieu: Die männliche<br />
Herrschaft. In: Dölling, Irene/Krais, Beate<br />
(Hrsg.): Ein alltägliches Spiel. Frankfurt am<br />
Main: 1997; Pierre Bourdieu: Die männliche<br />
Herrschaft. Frankfurt am Main: 2005.<br />
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