JB-2015
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Diese grundsätzliche Ausrichtung war und ist die Basis<br />
des großen Erfolges der HIV/AIDS-Prävention in Nordrhein-Westfalen<br />
und hat deshalb auch heute noch Bestand.<br />
Dabei haben sich als besondere Qualitätsmerkmale<br />
das Zusammenspiel staatlicher, kommunaler und<br />
nichtstaatlicher Akteurinnen und Akteure, die Orientierung<br />
der Angebote an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen<br />
und die Einbeziehung der Menschen, die von HIV und<br />
AIDS bedroht oder betroffen sind, bewährt. Diese Qualitätsmerkmale<br />
sind auch für die zukünftige Entwicklung<br />
und Umsetzung der Präventionskonzepte unverzichtbar.<br />
Einem Wandel unterworfen sind jedoch die Rahmenbedingungen<br />
der Prävention in sehr unterschiedlichen<br />
Feldern: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die<br />
Übertragbarkeit des HI-Virus werden immer detaillierter.<br />
Die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppen der<br />
HIV-Prävention verändern sich. Das Internet bietet neue<br />
Möglichkeiten der Information und Beratung. Die Lebenserwartung<br />
von Menschen mit HIV nimmt zu.<br />
Die Präventionsbotschaften und die Methoden der Vermittlung<br />
an die Zielgruppen müssen sich diesem Wandel<br />
anpassen. Deshalb bleibt die HIV/AIDS-Prävention auch<br />
in Zukunft eine Herausforderung.“<br />
(Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation,<br />
Pflege und Alter des Landes NRW, Vorwort zum<br />
Landeskonzept „Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Prävention<br />
in Nordrhein-Westfalen“, Düsseldorf 2013, S. 5 f)<br />
„Einem Wandel unterworfen sind jedoch die Rahmenbedingungen<br />
der Prävention …“. Diese Erkenntnis trifft<br />
trotz –auch im Berichtsjahr - massiver wissenschaftlicher<br />
Untermauerung durch verschiedene Fachgesellschaften<br />
(wie z.B. der deutschen STI-Gesellschaft) sowie der in<br />
NRW im Frühjahr <strong>2015</strong> erneuerten „Rahmenvereinbarung<br />
…“, s. 1.) leider auch auf andere Felder immer mehr<br />
zu. Der Kampf um die finanziellen und personellen Ressourcen<br />
zur Erfüllung der Anforderungen an die Träger<br />
der Aufgabe der strukturellen HIV-Prävention wird immer<br />
schwieriger, s. 1. Und dieser Kampf bindet wiederum<br />
wichtige Ressourcen.<br />
Wir haben schon viel erreicht und der Leitgedanke der<br />
Präventionsarbeit hat sich in Deutschland eindeutig bewährt,<br />
denn bezogen auf HIV gilt in den allermeisten<br />
denkbaren Lebenssituationen nach wie vor, dass jeder<br />
vernunftbegabte Mensch sich selbst und andere davor<br />
schützen kann, wenn er über die notwendigen Informationen,<br />
Fähigkeiten und Mittel verfügt und seine Verhältnisse,<br />
in denen er lebt, keine Hindernisse bieten.<br />
Der darauf aufbauende Ansatz der „strukturellen HIV-/<br />
AIDS-Prävention“ war und ist in Deutschland die Basis<br />
für einen großen Erfolg, den die beteiligten Akteure fortschreiben<br />
wollen und müssen. Das Ziel bleibt, die Zahl<br />
der Neuinfektionen auf niedrigem Niveau zu halten und<br />
nachhaltig zu minimieren und das Stigma von Menschen<br />
mit HIV zu nehmen, damit es uns gelingen kann, die Testbereitschaft<br />
von Menschen zu erhöhen, die Zahl der sog.<br />
„late presenter“ deutlich zu verringern und die Errungenschaften<br />
der medizinischen Behandelbarkeiten auch anwenden<br />
zu können.<br />
MIT HIV kann man leben. Mit Diskriminierung nicht!<br />
Hier haben wir allerdings im Berichtsjahr leider auch<br />
Rückschläge verzeichnen müssen, die uns deutlich vor<br />
Augen führen, dass die Anstrengungen eigentlich intensiviert<br />
werden müssten. Wir haben etwa zwei Ablehnungen<br />
von Kur-/Reha-Maßnahmen von Kliniken wegen der<br />
HIV-Infektion zu verzeichnen, obwohl die Maßnahmen eigentlich<br />
keine HIV-Relevanz hatten. Die Ablehnung von<br />
Zahnbehandlungen gehört ja leider schon zur Routine.<br />
Die Zusammenarbeit mit Job-Centern, den Rentenversicherungsträgern<br />
oder auch einzelnen Krankenkassen<br />
lief häufiger sehr suboptimal. So stand eine HIV-positive<br />
Mutter (und ihr kleiner Sohn) über sieben (!) Monate<br />
ohne Krankenversicherungsschutz da, obwohl diverse<br />
Zusagen vorlagen und sogar Klageandrohungen nicht<br />
zum Ziel führten.<br />
Ganz besonders berührt hat uns die unmittelbare „Heimverschickung“<br />
eines zehnjährigen HIV-positiven Jungen<br />
(und seines achtjährigen HIV-negativen Halbbruders)<br />
von einer Jugendferienfreizeit einer katholischen Kirchengemeinde<br />
aus Moers auf Ameland nach Bekanntwerden<br />
seiner Infektion. Und dies trotz Vorliegen einer<br />
ärztlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dazu gesellte<br />
sich ein sehr schlechtes Beschwerdemanagement<br />
der Verantwortlichen im Nachgang dieses Falles. Mit den<br />
traumatischen Folgen für beide Kinder und ihre Familie<br />
werden wir auch 2016 noch zu tun haben.<br />
Diese beispielhaften Schilderungen sollen an dieser Stelle<br />
nur zeigen, wie schnell die bisherigen Erfolge wieder<br />
verschwinden können, wenn wir in unseren Aufklärungsund<br />
Präventionsbemühungen nachlassen. Die „gesellschaftliche<br />
Erkrankung gegenüber HIV“ ist nicht nur latent<br />
immer noch da und scheint eher zu wachsen. Es gibt<br />
noch viel zu tun.<br />
Information und Aufklärung zielgruppenadäquat und seriös<br />
zu transportieren, ist die zentrale Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit<br />
der AIDS-Hilfe Duisburg / Kreis Wesel.<br />
Diese Aufgabe umzusetzen, wird nicht leichter angesichts<br />
der langen Zeit, in der es darum geht, das Thema<br />
im Bewusstsein der Bevölkerung wach und bewusst zu<br />
halten, die Menschen zu erreichen, denn schon der gute<br />
Freiherr von Knigge wusste:<br />
„Die Menschen wollen lieber unterhalten als belehrt werden.“<br />
31