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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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MENSCH & UNTERNEHMEN<br />

Oben: Der sechsbeinige Laufroboter MANTIS in Manipulationshaltung,<br />

entwickelt am Bremer Standort des DFKI.<br />

Mitte: Mit Kameras ausgestattete Datenbrillen als Schnittstellen zur<br />

Künstlichen Intelligenz.<br />

Unten: Optimierte Realität: Schwierige Montageaufgaben lassen sich<br />

durch Einblendung von Experten-Handgriffen leichter lösen.<br />

Also Schulbücher, die dank eyetracking von selbst merken,<br />

wo es hakt – und ihrem Leser dann passend auf die<br />

Sprünge helfen?<br />

Genau.<br />

Und wie bringen Sie solchen Maschinen bei, immer besser<br />

zu werden, zu lernen?<br />

Das DFKI hat auf meine Initiative hin gerade ein neues<br />

Deep Learning Center gegründet. Das soll maschinelle Intelligenz<br />

schaffen, die es bisher nicht gibt. So geht es unter<br />

anderem darum, Emotionen in Bildern selbstständig zu<br />

erkennen. Solche Systeme programmiert man nicht mehr,<br />

Foto: DFKI GmbH, Foto: Daniel Kühn<br />

man trainiert sie. Das müssen Sie sich vorstellen wie bei einem<br />

Kind, dem man beibringt, zwischen Früchten zu unterscheiden.<br />

Man sagt: Das hier ist eine Birne, dies ein Apfel.<br />

Und wenn sie genügend Beispiele von Äpfeln und Birnen<br />

gezeigt haben, die sich in Farbe und Form leicht unterscheiden,<br />

dann weiß das Kind irgendwann, was ein Apfel ist,<br />

wenn sie ihm eine Sorte zeigen, die es noch nicht gesehen<br />

hat. Ähnlich ist das mit solchen KI-Systemen. Sie können<br />

Beispiele extrapolieren. So gelingt es eben auch, Emotionen<br />

verlässlich zu erkennen.<br />

Wie soll das gehen, dass Software Emotionen erkennt?<br />

Das ist für Maschinen natürlich nicht einfach. Denken Sie<br />

an Konzepte wie „schöner Strand“ oder „schönes Auto“.<br />

Beides soll als schön beschrieben werden, aber in beiden<br />

Fällen sind jeweils ganz andere Bedingungen dafür entscheidend.<br />

Das System soll aber in der Lage sein, etwas als<br />

schön einzustufen, ohne dass ihm das der Mensch im Einzelnen<br />

vorgibt. Auch das lässt sich durch ein selbstlernendes<br />

System hinbekommen.<br />

Was haben denn Unternehmen von Mustererkennung<br />

und Deep Learning?<br />

Ein Anwendungsbereich ist die Wartung komplizierter<br />

Maschinen. Ich habe gelernt, dass zum Beispiel viele Aufzüge<br />

Unikate sind. Technische Elemente wie die Platinen<br />

sind oft individuell zusammengebaut. Da hilft es einem<br />

Wartungsingenieur sehr, der das erste Mal davorsteht, wenn<br />

er jemanden an seiner Seite hätte, der ihm zeigen kann, wie<br />

es geht – das wäre dann ein ,digital companion‘. Im Grunde<br />

ein Erklär-Video der besonderen Art: Bevor es zum Einsatz<br />

kommt, hat ein Experte mit einer Datenbrillen- oder<br />

Kopfkamera die zentralen, korrekten Arbeitsgänge aufgenommen.<br />

Die werden dem Wartungstechniker beim Einsatz<br />

vor Ort in seine Datenbrille eingeblendet. Weil auch<br />

die Handgriffe des Technikers aufgenommen werden, kann<br />

das System beide Aktionen vergleichen und auf Unterschiede<br />

aufmerksam machen: Grün eingefärbte Hände zeigen<br />

zum Beispiel an, dass der Techniker auf dem richtigen Weg<br />

ist. Der Clou dabei: Das Experten-Video wird automatisch<br />

von der KI des Systems in Einzelhandgriffe zerlegt und abgelegt,<br />

sodass die Mustererkennung des Systems optimal<br />

darauf zugreifen kann. Auf diese Weise schrumpft der Aufwand<br />

für die Erstellung des gesamten Erklär-Videos auf ein<br />

Minimum.<br />

Das DFKI setzt als Public Private Partnership-Projekt<br />

vor allem auf Anwendungsnähe ...<br />

Wir sind an Erkenntnis und Mehrwert im Transfer-Umfeld<br />

interessiert. Es geht um Ausbildung von Mitarbeitern<br />

für die Wirtschaft. Aber wir übernehmen auch Aufträge<br />

für die Industrie und fördern Spin-Off-Unternehmen.<br />

Wir haben schon über 70 Start-ups gegründet, die alle<br />

sehr erfolgreich am Markt agieren. Eines davon, die Firma<br />

IOXP, hat für das eben erwähnte System einen Landmaschinenhersteller<br />

als Kunden gewonnen. Es assistiert hier<br />

den Mechanikern beim Reparieren von Mähdreschern und<br />

Spezialmaschinen. Ein anderes Unternehmen ist „3digify“,<br />

wie IOXP eine Ausgründung aus dem Forschungsbereich<br />

„Augmented Vision“. Hier spielt sich automatische Mustererkennung<br />

gleich dreidimensional ab. Stellen Sie sich<br />

vor, Sie haben eine kaputte Steckdose oder brauchen ein<br />

Plastikersatzteil für die Waschmaschine, das der Hersteller<br />

nicht mehr hat. Dann fotografieren Sie dieses Teil, machen<br />

daraus mit 3digify ein 3D-Modell und lassen sich das dann<br />

ausdrucken.<br />

Nicht jeder DFKI-Angehörige kann oder will eine Firma<br />

gründen, aber Ihre Mitarbeiter sind sicher auch sonst<br />

gefragt …<br />

Ja, Beispiele gibt es genug. Eine Gruppe hat schon in den<br />

neunziger Jahren die Suchmaschine TREX für SAP entwickelt.<br />

Danach ist ein Teil des Teams zu SAP gewechselt und<br />

SAP setzt dieses Tool heute noch ein.<br />

Auch Sie selbst sind ja mehrfach angesprochen worden,<br />

zuletzt wollte Sie Siemens abwerben. Warum sind Sie<br />

geblieben?<br />

Wir Professoren haben hier viel kreative Freiräume. Das ist<br />

unschätzbar. Ich muss zugeben, dass mir es gerade Siemens<br />

besonders schwergemacht hat. Das war schon eine sehr interessante<br />

Aufgabe. Aber die Arbeit hier und auch private<br />

Lebensumstände haben mich dann doch gehalten.<br />

Apropos Freiräume: Engt es nicht ein, wenn es beim<br />

DFKI vor allem um rasche Verwertbarkeit geht?<br />

Wir sind gern ein Schnellboot. Und wir stellen uns bei Forschungsanträgen<br />

schon dem Wettbewerb untereinander,<br />

denn wir müssen auch nach außen im Wettbewerb der Ideen<br />

bestehen, wir leben von der Inspiration. Zudem erstellen<br />

wir eigene Technologie-Roadmaps, die acht Jahre in die<br />

Zukunft weisen und unsere Forschung leiten.<br />

Wie sähe die dann aus?<br />

Wir werden beispielsweise künftig – ob in der Ausbildung<br />

oder an der Arbeit – von Kreativräumen sprechen. Dabei<br />

wird der Raum an sich als Ganzes mit einbezogen.<br />

Er ist nicht nur reaktiv, nicht nur Display, sondern er vereint<br />

alle aktiven Komponenten, die mich bei der Arbeit<br />

unterstützen, und mir helfen, meine Kreativität besser einzusetzen.<br />

Indem ich Informationsunterstützung, Prioritätsunterstützung,<br />

Kommunikationsunterstützung habe, sodass<br />

ich meine Kollegen sehe, als ob wir tatsächlich zusammenstehen.<br />

Ich bin zwar da, virtuell, aber ich muss im Office<br />

der Zukunft nicht mehr präsent sein. Natürlich sieht vieles<br />

dann noch so aus wie heute. Dennoch werden wir einen<br />

Evolutionsprozess durchmachen, vielleicht auch einen Re-<br />

Evolutionsprozess, bei dem es zurückgeht auf die viele Jahrhunderte<br />

erprobte Form der Erzeugung von Information,<br />

der Umsetzung von Kreativität. Und womöglich haben wir<br />

dann gar keine Smartphones mehr, weil wir die Informationsschnittstelle<br />

auf der Nase tragen. ~<br />

Weltweit größtes Zentrum<br />

für Künstliche Intelligenz<br />

„Derzeit bauen wir gerade unsere Berliner Präsenz aus“,<br />

sagt Prof. Andreas Dengel. Dann wird das einstige Projektbüro<br />

zum vierten offiziellen Standort. Neben Kaiserslautern<br />

als Hauptsitz, nur wenige hundert Meter<br />

vom Uni-Campus entfernt, gibt es noch einen Standort<br />

in Saarbrücken und einen in Bremen. Eigener Darstellung<br />

zufolge ist das<br />

DFKI, „gemessen<br />

an Mitarbeiterzahl<br />

und Drittmittelvolumen“,<br />

das weltweit<br />

größte Forschungszentrum<br />

für Künstliche<br />

Intelligenz. Hier<br />

arbeiten „478 Wissenschaftler<br />

und<br />

337 studentische<br />

„B-Human“ ist wertvollster Teamplayer Mitarbeiter aus<br />

einer Fußball-Auswahl aus Robotern. mehr als 60 Nationen<br />

an 180 Forschungsprojekten“,<br />

heißt es auf der Website. Während in<br />

Kaiserslautern und Saarbrücken unter anderem semantische<br />

Informationsverarbeitung auf dem Forschungsplan<br />

steht, ist Bremen ein Zentrum für Robotik. Pünktlich<br />

zum zehnjährigen Bestehen des Bremer Standorts ist<br />

jüngst eine große Testhalle fertiggeworden, in der Geländeformationen<br />

anderer Planeten als Übungsfeld für<br />

Roboter aufgebaut werden können.<br />

Das DFKI wurde 1988 als Public Private Partnership<br />

gegründet und hat aktuell 18 privatwirtschaftliche Anteilseigner<br />

– vom Familienunternehmen bis zum Weltkonzern.<br />

Seit Herbst 2015 ist auch Google mit einer<br />

Einlage vertreten. „Im selben Umfang wie jeder andere<br />

privatwirtschaftliche Gesellschafter“, betont Dengel. Im<br />

Fokus des DFKI steht die anwendungsorientierte Technologieforschung.<br />

Ein eigenes Transfer-Zentrum kümmert<br />

sich darum, dass der wissenschaftliche Fortschritt<br />

bei der künstlichen Intelligenz möglichst rasch auch zu<br />

wirtschaftlicher Entfaltung kommt.<br />

Verteilt auf Vertragsjahre bearbeitete das DFKI laut Bundesanzeiger<br />

im Jahr 2014 Forschungsaufträge in Höhe<br />

von knapp 40 Millionen Euro. Knapp die Hälfte davon<br />

waren Bundesmittel, rund 5 Millionen Projektförderung<br />

des Landes, gut 8 Millionen kamen von der EU und rund<br />

vier Millionen aus der Industrie.<br />

Technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer und<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung des DFKI ist Prof.<br />

Wolfgang Wahlster, Dr. Walter Olthoff verantwortet die<br />

kaufmännische Geschäftsführung. Prof. Andreas Dengel<br />

ist seit 2004 Mitglied der 5-köpfigen Unternehmensleitung<br />

und seit 2008 Standortleiter in Kaiserslautern sowie<br />

Leiter des Bereichs Wissensmanagement.<br />

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