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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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SCHWERPUNKT<br />

SCHWERPUNKT<br />

Zukunft managen<br />

Qualität entscheidet über unternehmerischen Erfolg<br />

Text: Pero Mićić<br />

Den Blick gezielt auf Menschen wie die eigenen Führungskräfte richten, in deren Köpfen schon jetzt Zukunftsbilder bestehen, sollten Unternehmen.<br />

Foto: eternalcreative<br />

Die Zukunft managen? Was für ein Unsinn, könnte man<br />

denken. Wie naiv, ein Unternehmen über fünf oder gar<br />

zehn Jahre vorauszuplanen. Zudem: Was man nicht greifen,<br />

messen, zählen und wiegen kann, das kann man auch nicht<br />

managen. Heutzutage muss man doch auf Sicht segeln, da<br />

im Nebel einer schnellen komplexen Umwelt in allen Richtungen<br />

Überraschungen auftauchen können. Oder? Meine<br />

Antwort ist ein entschiedenes Nein. Denn je schneller sich<br />

das geschäftliche Umfeld ändert, je komplexer es wird, umso<br />

größer wird der Bedarf an und<br />

die Sehnsucht nach Orientierung,<br />

Sicherheit, Chancen und Vision.<br />

Aber womöglich irren gestandene<br />

Führungskräfte in ihrer Einschätzung,<br />

was die Bedeutung eines<br />

systematischen Zukunftsmanagements<br />

angeht.<br />

Ein zentrales Problem im Umgang<br />

mit der Zukunft sind Begriffsverwirrungen. Denn es<br />

gilt festzulegen, was „die Zukunft“ aus unternehmerischer<br />

Perspektive ist. Zukunft wird im Wesentlichen so verstanden,<br />

dass es darum ginge, sie vorauszusagen oder darum, sehr<br />

langfristige Pläne zu machen. Dabei ist beides vergleichsweise<br />

sinnlos. Denn es geht weder um das Eine, noch um das<br />

Andere – weder um Vorhersage noch um Langfristplanung.<br />

Im Gegenteil: Zukunftsmanagement hat für das menschliche<br />

Gehirn vor allem dann einen Wert, wenn es im Hier und<br />

Jetzt eine Wirkung hat. Deshalb ist Zukunftsmanagement<br />

nichts anderes als der zielgerichtete Umgang mit den Zukunftsbildern<br />

in den Köpfen von Menschen im Hier und<br />

Jetzt. Jede Einschätzung, jede Entscheidung und jede Tat<br />

wird bestimmt vom Bild der Zukunft, das der Handelnde<br />

im Kopf hat. Nicht nur die Wahrnehmung der Gegenwart<br />

bestimmt unser Denken und Handeln, sondern auch die<br />

Wahrnehmung der Zukunft.<br />

Beobachtet und befragt man Menschen danach, was sie an der<br />

Zukunft interessiert, treten regelmäßig genau fünf verschiedene<br />

Bedürfnisse zutage. Diese fünf Sehnsüchte sind tief emotional<br />

verankert. Wer die Zukunft denken, Strategie entwickeln<br />

und vor allem Menschen für die Zukunft interessieren und sie<br />

mitnehmen will, kann an diesen fünf „Zukunftsbrillen“, wie<br />

wir sie nennen, nicht vorbei. Genau diese fünf Bedürfnisse<br />

zählen auch bei Unternehmern und Führungskräften. Sie lassen<br />

sich in fünf Kernfragen zusammenfassen:<br />

„Zukunftsmanagement hat für<br />

das menschliche Gehirn dann<br />

einen Wert, wenn es im Hier<br />

und Jetzt eine Wirkung hat.“<br />

Was kommt auf uns zu? Die gesamte europäische Solarzellen-Industrie<br />

hatte offenbar die Zukunftsannahme, dass<br />

die asiatischen Konkurrenten nicht schnell genug und nicht<br />

gut genug bleiben werden. Ex-Microsoft-Chef Steve Ballmer<br />

lachte laut, als er von Apples Plan erfuhr, ein Telefon<br />

ohne Tastatur für über 500 Dollar auf den Markt zu bringen.<br />

Bei Loewe dominierte die Zukunftsannahme, dass Röhrenfernseher<br />

noch sehr lange die von Konsumenten gegenüber<br />

Flachbildschirmen bevorzugte Fernsehtechnik sein werden.<br />

Unternehmen scheitern primär<br />

wegen falscher Zukunftsannahmen<br />

über den Kundenbedarf, die<br />

Marktentwicklung, Technologien<br />

oder politisch-gesellschaftliche<br />

Rahmenbedingungen. Unternehmer<br />

können wunderbar ohne<br />

Zukunftsforschung auskommen.<br />

Aber niemand kommt ohne Annahmen<br />

über die Zukunft aus. Unternehmerische Entscheidungen<br />

sind zwangsläufig mehr oder minder starke Festlegungen<br />

für die Zukunft. Stellt man Mitarbeiter ein oder<br />

entlässt sie, investiert man in eine Niederlassung oder macht<br />

es nicht, erschließt man ein neues Geschäftsfeld oder nicht<br />

– diese Entscheidungen basieren immer auf Zukunftsannahmen.<br />

Jedes Führungsteam hat meist unausgesprochene, nicht aufgeschriebene<br />

und oft sogar unbewusste Annahmen darüber,<br />

was kommt, was bleibt und was geht. Zukunftsannahmen, im<br />

Unterschied zu Prognosen, sind in erster Linie Werkzeuge<br />

der Frühwarnung. Ihr Zweck ist, sie gegen die heute wahrnehmbaren<br />

Umfeld-Veränderungen zu spiegeln und damit so<br />

früh wie möglich zu erkennen, wann und dass Strategie geändert<br />

werden muss. Das ist nicht Prognostik, sondern auf gezielter<br />

Aufmerksamkeit basierende Diagnostik. Verwunderlich,<br />

dass die meisten Unternehmen den Zukunftsannahmen<br />

ihrer Führungskräfte so wenig Aufmerksamkeit widmen.<br />

Was könnte uns überraschen? Wenig ist der menschlichen<br />

Natur wichtiger als das Gefühl von Sicherheit. Die Angst vor<br />

dem Ungewissen lässt sich lindern, indem man sich bewusst<br />

den potenziellen Überraschungen und Bedrohungen stellt.<br />

Nur so kann eine Ausrichtung, Vision und Strategie nach<br />

bestem Wissen zukunftsrobust gemacht werden.<br />

Kaum ein Produkt, kaum eine Dienstleistung und kaum ein<br />

Geschäftsmodell ist vor plötzlicher Substitution und Disruption<br />

geschützt. Das Mobil-Telefon hat unzählige Produkte<br />

ersetzt wie Kameras, Taschenrechner oder Navigationsgeräte.<br />

Plattform-Geschäfte wie Uber und AirBnB zerstören traditionelle<br />

Branchen wie Taxis und Hotels. Und wenn Blockchain<br />

erst in der Breite genutzt wird, werden Notare, Buchhalter,<br />

Banker und Dutzende anderer Berufe ihrer Grundlage beraubt.<br />

Gerade weil es immer mehr Überraschungen gibt,<br />

müssen verantwortungsbewusste Entscheider existenziell bedrohliche<br />

Überraschungen auf den Schirm holen.<br />

Welche Chancen haben wir, unsere Zukunft zu gestalten?<br />

Hierzulande drängt sich besonderes die Frage auf, wie die<br />

nahezu vollständig auf Verbrennungsmotoren ausgerichteten<br />

Automobil-Zulieferer die nächsten Jahrzehnte mit zunehmender<br />

Elektrifizierung des Antriebs überstehen. Das dritte<br />

menschliche Bedürfnis in Sachen Zukunft gilt den Chancen<br />

und Optionen, den Gestaltungsmöglichkeiten einer besseren<br />

Zukunft. Die Grenzen der Vorstellungskraft sind die Grenzen<br />

des Erfolges. Antworten sind gefragt, wovon das Unternehmen<br />

und seine Mitarbeiter morgen leben wird, was man<br />

aus dem Unternehmen entwickeln kann und was mit Geschäftsbereichen<br />

und Produkten geschehen soll.<br />

Wer Chancen sucht, muss erkennen, wofür Kunden heute<br />

wirklich zahlen. Und man muss Gestaltungspielraum dafür<br />

schaffen, wofür sie morgen zahlen. Dann ist besser zu kalkulieren,<br />

mit welchen Technologien, Lösungen, Produkten,<br />

Leistungen und Geschäftsmodellen die erwünschten Wirkungen<br />

zu erzielen sind. Es gilt konkret zu begreifen, welche<br />

Kundenprobleme durch 3D-Druck, Kurzpuls-Laser, Datenbrillen,<br />

preiswerte Gentests, die Blockchain und andere Technologien<br />

preiswerter oder überhaupt erst lösbar sein werden.<br />

Die ganze Welt der Kreativität und der Innovation ist dieser<br />

schöpferischen Zukunftsperspektive anzusiedeln.<br />

Wo führen wir hin? Mehr als jemals zuvor sehnen sich Menschen<br />

heute nach Orientierung. Die Warema AG sagt, dass<br />

sie nicht mehr Sonnenschutz-Spezialist, sondern Sonnenlicht-Manager<br />

sind. Das ist eine klare und besondere Mission<br />

und Positionierung. Der führende Sonnenlicht-Manager zu<br />

sein und das Beste aus Sonnenlicht zu machen – dies ist ein<br />

faszinierendes und langfristig sinnstiftendes Zukunftsbild.<br />

Wer Menschen führt, muss viele Fragen beantworten können:<br />

Wo er sie hinführen will, auf welches gemeinsame Zu-<br />

kunftsbild alle Projekte und Initiativen zulaufen, zu welchem<br />

Zweck alle Ressourcen eingesetzt werden, welches anziehende<br />

Zukunftsbild die Führungskräfte ihren Mitarbeitern anzubieten<br />

haben, und wofür sie sich engagieren und begeistern<br />

sollen. Es geht um den Sinn – heute und auf absehbare Zukunft.<br />

Und darum, wie motivierend und robust die Ausrichtung,<br />

Mission, Vision und Strategie ist. Die ferne Zukunft<br />

ist dabei weniger wichtig als die Vision in Sichtweite, aber<br />

noch außer Reichweite. Die Ausrichtung und Vision ist der<br />

Kern jeder Unternehmensstrategie. Ohne Vision verzetteln<br />

sich Leidenschaften, Energien und Ressourcen. Deshalb geht<br />

eine schwache Vision auf Kosten der Ertragskraft.<br />

Was tun wir als nächstes? Die Zeit des Langfristplans, groß<br />

und durchgerechnet, ist vorbei. Agilität gilt als Maxime der<br />

Gegenwart. Agil ist die Strategie, die in kurzen Intervallen<br />

– Sprints genannt – ein langfristiges Zukunftsbild verfolgt.<br />

Nach jedem Sprint wird die Situation neu analysiert und der<br />

nächste Sprint geplant. So wird Zukunft ganz pragmatisch<br />

gemacht.<br />

Zukunftsmanagement<br />

ist nicht delegierbar<br />

Es sind die fünf menschlichen Bedürfnisse, die den Kern<br />

dessen ausmachen, was wir Zukunftsmanagement nennen.<br />

Das Zukunftsbild der Führungskräfte ist die Grundlage aller<br />

Entscheidungen. Zukunftsmanagement kann und muss man<br />

als zentrale unternehmerische Aufgabe sehen. Als Aufgabe,<br />

die nicht delegierbar ist. Denn das eigene, tief in der Psyche<br />

verankerte Zukunftsbild kann man sich nicht einkaufen.<br />

Man kann es nur in sich entstehen lassen. Deshalb bestimmt<br />

die Qualität des Zukunftsmanagements den unternehmerischen<br />

Erfolg. ~<br />

Der Autor ist Gründer und Vorstand der FutureManagementGroup<br />

AG, gegründet im<br />

Jahr 1991 und damit Pionier für Zukunftsmanagement<br />

im deutschen Sprachraum.<br />

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