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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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MENSCH & UNTERNEHMEN<br />

MENSCH & UNTERNEHMEN<br />

Finanziell sorgenlos seit dem Siemens-Einstieg sind die Magazino-<br />

Gründer Nikolas Engelhard, Lukas Zanger und Frederik Brantner (v.l.).<br />

runden später übernahm Siemens die Anteile von High-<br />

Tech-Gründerfonds und Business Angels und legte noch<br />

finanziell drauf. Heute gehören dem Konzern 49,9 Prozent<br />

von Magazino, die drei Gründer halten 50,1 Prozent. „Das ist<br />

schon was Anderes, als wenn man alle sechs Monate überlegt,<br />

wie man über die Runden kommen soll“, kommentiert Wahl.<br />

Magazino zählt mittlerweile über 50 Mitarbeiter, darunter<br />

mehrheitlich Softwareentwickler, Maschinenbauer und<br />

Elektrotechniker. Im Oktober hatte der Roboter „Toru“ seinen<br />

ersten Testeinsatz bei einem Pilotkunden.<br />

Romantische Vorstellung von<br />

Unternehmensgründungen<br />

Einen genialen Tüftler durchfährt ein Geistesblitz, er entwickelt<br />

einen Prototyp und macht dank seiner bahnbrechenden<br />

Erfindung ein Riesengeschäft – das ist die romantische<br />

Vorstellung einer Unternehmensgründung. Und es ist die<br />

Variante, die in der Regel nicht funktioniert. Konrad Zuse<br />

etwa hat zwar den Computer erfunden, aber kein Geschäft<br />

damit gemacht. Gleiches gilt für die allesamt deutschen Erfinder<br />

von Fax, Scanner, Hybrid-Auto und MP3-Player –<br />

super Techniken, mit denen andere viel Geld verdienten.<br />

Magazino GmbH<br />

Magazino entwickelt und baut wahrnehmungsgesteuerte<br />

mobile Roboter für die Intralogistik. Mit Magazinos<br />

Technologie können über 2D- und 3D-Kameras einzelne<br />

Objekte im Regal identifiziert und lokalisiert, sicher gegriffen<br />

und schließlich präzise an ihrem Bestimmungsort<br />

wieder abgelegt werden.<br />

Mitarbeiter: > 50<br />

Umsatz 2015: sechsstellig<br />

Erste Idee: 2011<br />

Gründung: 2014<br />

Gründer: Frederik Brantner, Lukas Zanger und<br />

Nikolas Engelhard (50,1 Prozent)<br />

Mitinhaber: Siemens Innovative Ventures<br />

(49,9 Prozent)<br />

Foto: Siemens AG<br />

Auf der Suche nach einer profitablen Nische im E-Commerce setzte das<br />

Gründerteam von Mister Spex auf den Onlinehandel mit Brillen.<br />

Andersherum gibt es Gründer wie bei Mister Spex, entstanden<br />

im Jahr 2007. Damals kam gerade das erste iPhone auf<br />

den Markt, Zalando gab es noch nicht, die Business-Angel-<br />

Szene war klein und „E-Commerce war noch ein Synonym<br />

für Ebay-Powerseller, die im Jogginganzug ihre Pakete zur<br />

Post schleppen“, lacht Björn Sykora, Mitgründer des ersten<br />

Online-Brillenhändlers in Deutschland.<br />

Gemeinsam mit Dirk Graber war er davon überzeugt, dass<br />

das Internet den Handel grundlegend verändern würde. „Die<br />

Frage war: Wo glauben wir mit unserem BWL-Studium<br />

besser zu sein als andere? Wir haben strategisch geguckt,<br />

welche Branchen sich eignen“, erzählt Sykora. Einen Bezug<br />

zur Augenoptik hatten beide nicht, wenn man mal davon<br />

absieht, dass Grabers Schwiegermutter Augenärztin ist.<br />

Der Markt erschien ihnen attraktiv für den Einstieg in den<br />

E-Commerce: Der Branchenumsatz mit Augenoptik liegt<br />

nach aktuellem Stand bei gut 5,8 Milliarden Euro. Allerdings<br />

war der Brillenkauf via Internet vor gut zehn Jahren schwer<br />

vorstellbar: Der Besuch beim Optiker rangierte damals „kurz<br />

hinter dem Termin beim Kieferchirurgen“, frotzelt Sykora,<br />

vom Lustkauf war der Brillenerwerb weit entfernt. Zudem<br />

ist das Produkt beratungsintensiv. Entsprechende Ungläubigkeit<br />

schlug Graber und Sykora entgegen. Venture Capi-<br />

Mister Spex GmbH<br />

Mister Spex ist europäischer Marktführer im Online-<br />

Handel mit Markenbrillen und -sonnenbrillen. Seit 2011<br />

kooperiert das Unternehmen mit europaweit mittlerweile<br />

rund 600 lokalen Optikern, seit Februar <strong>2016</strong> betreibt es<br />

einen eigenen stationären Laden in Berlin.<br />

Mitarbeiter: > 400<br />

Umsatz 2014: 65 Millionen Euro (seit 2015 wird<br />

nicht mehr gemeldet)<br />

Erste Idee: 2007<br />

Gründung: 2007<br />

Gründer: Dirk Graber, Björn Sykora,<br />

Philipp Frenkel, Thilo Hardt<br />

Mitinhaber: Scottish Equity Partners, Goldman<br />

Sachs, Grazia Equity, XAnge,<br />

DN Capital, High-Tech Gründerfonds<br />

Für Kinder gab es lange Zeit nur mehr oder weniger rückenfeindliche<br />

Tornister. Ergobag hat dies ein für allemal geändert.<br />

talists winkten müde ab. Drei Business Angels konnte das<br />

Team schließlich von ihrem Geschäftsmodell überzeugen.<br />

Sykora und Graber holten sich die zwei IT-Profis Philipp<br />

Frenkel und Thilo Hardt ins Gründungsteam. Im April<br />

2008 war Mister Spex erstmals online.<br />

Ein gutes halbes Jahr später ging Lehman Brothers pleite<br />

und die Wirtschaft brach ein. „Viel Luft hatten wir im Dezember<br />

2008 nicht mehr, dann kam doch noch eine Zusage<br />

von einem Venture Capitalist – sonst hätten wir zumachen<br />

müssen“, berichtet Sykora.<br />

Der überzeugte Teamplayer rät allen Gründern, an die eigene<br />

Vision zu glauben und zugleich flexibel zu bleiben: „Den<br />

Kunden haben wir immer sehr ernst genommen, denn der<br />

entscheidet. Du kannst in der Theorie noch so oft definieren,<br />

was der Kunde will, oft entscheidet er anders als erwartet<br />

und darauf musst du reagieren und das Geschäftsmodell<br />

anpassen.“ Wichtig sei zudem eine „pragmatische Entscheidungsfreude,<br />

denn es muss ja vorangehen“, das wiederum<br />

setze eine gute Fehlerkultur voraus, denn es sei „blöd, wenn<br />

sich keiner traut, Entscheidungen zu treffen.“ Die Entscheidung,<br />

in den Online-Brillenhandel einzusteigen, war auf jeden<br />

Fall richtig: Mister Spex hat Brillenkäufern einen neuen<br />

Vertriebsweg eröffnet und die Optikerbranche für immer<br />

F. O. BAGS GmbH<br />

Die F.O. Bags GmbH ist aus der Ergobag GmbH hervorgegangen<br />

und bietet unter den Marken Affenzahn, Satch,<br />

Aevor, Pinqponq und AEP ergonomische Taschen, die<br />

bei über 4.000 ausgesuchten Fachhändlern in mehr als 20<br />

Ländern zu haben sind. Unlängst übernahm das Unternehmen<br />

zudem die Traditionsmarke Offermann.<br />

Mitarbeiter: > 150<br />

Umsatz 2015/16: vor.: > 45 Millionen Euro<br />

Erste Idee: 2008<br />

Gründung: 2010<br />

Gründer und Inhaber: Juliaan Cazin, Florian<br />

Michajlezko, Sven-Oliver Pink<br />

und Oliver Steinki (100 Prozent)<br />

(Ausgeschieden: Melanie Gabriel)<br />

Foto: Fonds of bags<br />

verändert. Die Gründer mussten allerdings auf dem Weg<br />

zum Erfolg den Löwenanteil ihres Unternehmens an Investoren<br />

abgeben.<br />

Insbesondere Geschäftsmodelle, bei denen Produkte vorfinanziert<br />

werden müssen, erfordern viel Kapital. So ist es auch<br />

den Gründern von Ergobag ergangen. Deren Geschäftsidee<br />

war so simpel wie einleuchtend: die Entwicklung und der<br />

Vertrieb von ergonomischen Schultaschen. Die gab es bis<br />

zum Start von Ergobag im Jahr 2010 nicht. Während Bergsteiger<br />

schon längst gesundes Gepäck auf ihrem Rücken trugen,<br />

ächzten Kinder noch unter herkömmlichen Tornistern.<br />

Auch in diesem Gründerteam war der Wille zur Unternehmensgründung<br />

zuerst da: „Wir haben vorher immer wieder<br />

darüber gesprochen, uns gemeinsam selbstständig zu<br />

machen, wir waren auf Sendung“, sagt Mitgründer Sven-<br />

Oliver Pink. Die Idee zu den ergonomischen Schultaschen<br />

entstand auf einer Party; einen Bezug zum Produkt gab es<br />

nicht: „Wir hatten keine Kinder und waren auch nicht unbedingt<br />

die besten Schüler“. Die mittlerweile zwecks Familiengründung<br />

ausgestiegene Miterfinderin Melanie Gabriel<br />

absolvierte damals ihren Master of Science in Physiotherapie<br />

und arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin an<br />

der Universitätsklinik in Marburg. Sie entwickelte das Produkt.<br />

Der Wirtschaftswissenschaftler Florian Michajlezko<br />

und Diplom-Kaufmann Sven-Oliver Pink kümmerten sich<br />

um den Business-Plan.<br />

Hilfe holen – ein Merkmal<br />

erfolgreicher Gründer<br />

Sie holten sich, auch ein Merkmal erfolgreicher Gründer,<br />

Hilfe von allen Seiten. Denn sie hatten weder Ahnung von<br />

Handel noch von Fertigung. Die Entrepreneure besuchten<br />

also zig Veranstaltungen, beschafften Unterstützung von<br />

staatlichen Förderprogrammen und Uni-Initiativen, erhielten<br />

ein Gründerstipendium und lernten immer mehr Hilfreiche<br />

kennen, darunter einen Designer von Jack Wolfskin, eine<br />

Einkaufsgenossenschaft, einen Finanzprofi der BASF AG<br />

und deren Aufsichtsratschef Dr. Jürgen Hambrecht.<br />

Letztgenannter erwies sich als Glücksfall: Er beteiligte sich<br />

mit 25 Prozent an Ergobag und schoss bei Bedarf immer<br />

wieder Geld zu günstigen Konditionen nach. Als Ergobag<br />

gut lief, verkaufte Hamprecht seine Anteile an die Gründer<br />

zurück, sodass sie heute komplett eigenfinanziert sind.<br />

Nur gut sechs Jahre nach dem Start vereinen sie heute unter<br />

der Dachmarke F.O. Bags sechs Marken. Sie erzielen im<br />

laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich 45 Millionen Euro<br />

Umsatz. Mittlerweile bieten sämtliche Anbieter von Schultaschen<br />

ergonomische Modelle an.<br />

Sven-Oliver Pink sagt rückblickend: „Gerade im ersten Jahr<br />

war es ein extremes Auf und Ab. Oft habe ich gedacht: Jetzt<br />

sind wir pleite. Jetzt ist das Leben vorbei. Aber eigentlich hat<br />

es zu jeder Zeit auch Spaß gemacht und immer eine große<br />

Dynamik gehabt.“ Und er resümiert: „Man muss einmal anfangen,<br />

Mut haben und darf nicht aufhören. Und man muss<br />

das Vertrauen haben, dass sich immer eine Lösung findet.“ ~<br />

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