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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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SCHWERPUNKT<br />

SCHWERPUNKT<br />

Wir messen es nicht, sondern dies ist uns kulturell wichtig.<br />

Sie können sogar Teams bilden und Mittel aus einem eigens<br />

eingerichteten Fonds für Equipment anfordern. Wir wissen<br />

allerdings, wie viele Erfindungen mit welchem Anteil auf<br />

unsere Ergebnisse wirken – und da ergeben die 15 Prozent<br />

Freiheit gute Werte. Unser Dauerbrenner Post-it ist ja zum<br />

Beispiel so entstanden. Unserem Forscher Art Frey sind aus<br />

seinem Gesangsbuch immer die Zettel herausgefallen, so dass<br />

er auf die Idee kam, die gelben Erinnerungsmarken mit Klebstoff<br />

zu entwickeln. Nur hat 3M immer mehr Ideen als Ressourcen,<br />

sodass sein Vorschlag es nicht durchs Priorisierungs-<br />

Meeting schaffte. Allerdings blieb Art Frey hartnäckig und<br />

hat mehr als 100 Sekretärinnen von CEOs in US-Firmen<br />

angeschrieben, die sein Produkt zur Kommunikation begeistert<br />

ausprobierten. Ihre positiven Antworten legte er beim<br />

nächsten Meeting vor. Heute generieren wir mit Post-it nach<br />

40 Jahren immer noch ein Geschäft im dreistelligen Millionen-Bereich.<br />

Ihr langjähriger Präsident und Aufsichtsratschef William<br />

L. McKnight fand für Wachstum wichtig, mehr Verantwortung<br />

an Mitarbeiter zu delegieren und zur Eigeninitiative<br />

aufzufordern. Macht das im Kern die DNA aus, die<br />

3M den Ruf als das Innovationsunternehmen einbrachte?<br />

Ja, das ist der Kern unserer Innovationskraft. Die Führung<br />

von Mitarbeitern ist entscheidend. Die „McKnight Principles“<br />

aus den 1950er-Jahren gelten als Grundsätze heute<br />

immer noch – ob bei Einstellungsgesprächen oder anderen<br />

Anlässen sind sie Thema. Freiräume zu geben und Verantwortung<br />

zu übertragen, prägt unsere DNA. Dabei auch Fehler<br />

zu akzeptieren, bringt übrigens unterm Strich im Saldo<br />

eindeutig Positives.<br />

Aber sind Führungskräfte<br />

nicht damit überfordert,<br />

weil sie eigentlich<br />

auch die Fehlervermeidung<br />

verantworten?<br />

(lacht) Wir werden so sozialisiert<br />

vom Eintritt in die<br />

Firma bis zur Rente. Befehlsempfänger hören bei uns in den<br />

ersten zwei Jahren auf, ansonsten liegt die Fluktuation bei<br />

unter einem Prozent. Wir sind große Freiheiten gewohnt. Im<br />

Prinzip können Sie bei uns besser nachher um Entschuldigung<br />

bitten als vorher um Erlaubnis.<br />

Töten Ängste vorm Scheitern sogar zündende Ideen?<br />

Unter Druck bin ich nicht kreativ. Wo kommen uns denn<br />

die besten Ideen? Beim Autofahren oder unter der Dusche.<br />

Selbst in Unternehmen, denen es schlecht geht, sollte die<br />

Führung den Druck versuchen herauszunehmen. Denn als<br />

Hemmschuh ist er nicht zielführend.<br />

„Freiräume zu geben und Verantwortung<br />

zu übertragen, prägt unsere DNA.<br />

Dabei Fehler zu akzeptieren, bringt<br />

unterm Strich eindeutig Positives.“<br />

Gut sichtbare Reflektoren wie Speichenclips mit „Scotchlite“ bieten<br />

Fahrradfahrern zusätzlichen Schutz.<br />

Innovationskultur muss aber auch effizientes und terminorientiertes<br />

Arbeiten einfordern, oder?<br />

Schauen Sie auf unseren Weg von der Idee bis zum Launch:<br />

Am Anfang setzen wir nach dem Trichter für Ideen auf Effektivität<br />

durch Priorisierungen in mehreren Schritten. Je weiter<br />

wir uns zum Launch bewegen, desto stärker achten wir auf<br />

Effizienz im Sinne von umgesetzten Milestones. Der Beginn<br />

ist für uns „the fuzzy front end“ des Innovationsprozesses; hier<br />

begangene Fehler sind später kaum auszumerzen. Zuerst gilt<br />

„Doing the right things“, später „doing the things right“.<br />

Sind Innovationsziele besser in kleinen Teams als in Konzernstrukturen<br />

zu erreichen?<br />

Ja, wir wollen Unternehmen im Unternehmen. Dann erhalten<br />

die Prozesse den richtigen Schwung. In unseren fünf Business<br />

Groups, wie in meiner Verantwortung „Industrial“, gibt<br />

es verschiedene „Divisions“ wie in meinem Fall etwa Schleifmittel<br />

oder Klebstoffe. Jede Division ist eine Unternehmung;<br />

dort werden die Entscheidungen getroffen. Zu kleine Divisionen<br />

müssen wir größeren zuschlagen wie zuletzt die Einheit<br />

für Windelverschluss-Systeme an den Klebstoff-Bereich.<br />

Gelingen neue Geschäftsmodelle<br />

oder disruptive Innovationen<br />

bei 3M auch mit<br />

externen Entrepreneuren?<br />

Nein, auch diese bauen wir<br />

nur intern innerhalb einer<br />

Division auf und aus. Seltsamerweise ist das für Medienredaktionen<br />

offensichtlich nicht sexy genug. Von externen<br />

Start-ups scheint mehr Reiz auszugehen. Wenn in einem<br />

Wirtschaftsmagazin mal ein Beitrag über eines unserer Minderheitsinvestments<br />

in einem externen Start-up steht, brechen<br />

gleich die Telefonleitungen zusammen.<br />

Foto: 3M<br />

Der Sensor des „SpotOn“-Systems bleibt bei Bedarf bis nach der OP an<br />

der Patienten-Stirn - etwa zum Temperatur-Messen.<br />

Worauf führen Sie das zurück?<br />

Vielleicht liegt der Hype daran, dass aus Start-ups im Internetzeitalter<br />

in kurzer Zeit auch Giganten wie Facebook<br />

entstanden sind. Für 3M zählt dieses Engagement aber zu<br />

Randaktivitäten. Wir helfen den Start-ups vor allem dabei,<br />

namhafte Kunden zu finden, die auf uns eher reagieren.<br />

Jungunternehmer nutzen also unser Netzwerk. Unser<br />

finanzielles Engagement ist überschaubar: Wir investieren<br />

in die Gründerszene pro Jahr global mehrere Millionen, in<br />

unsere eigene FuE aber 1,8 Milliarden. Und von den weltweit<br />

90.000 Mitarbeitern bilden zehn den kleinen Bereich<br />

„New Ventures“.<br />

Wie stellen Sie sicher, dass Forschungszentren und Geschäftsbereiche<br />

sich gegenseitig befruchten?<br />

Zum einen strukturell: Es gibt nur eine 3M. Die volle Integration<br />

ist in allen 70 Ländern gewährleistet. Zum zweiten<br />

personell: Wir legen Wert auf regelmäßige Wechsel unserer<br />

Menschen, die verschiedene Stationen und Geschäftsbereiche<br />

durchlaufen. Das ist wichtig, weil Neue immer andere<br />

Fragen stellen. Ich selbst war erst im Geschäftsbereich<br />

Healthcare, dann im europäischen Marketing, dann Master<br />

Black Belt in Deutschland, die übergreifend Prozesse verbessern,<br />

dann war ich Personalchef und jetzt führe ich unseren<br />

Industriezweig. Insbesondere in FuE bietet 3M viele<br />

Austausch-Foren etwa zu neuen Technologien, den Zugriff<br />

auf umfangreiche Datenbanken und einen internationalen<br />

Austausch der Labore.<br />

Google nutzt intern Erkenntnisse von Wirtschaftsnobelpreisträger<br />

Daniel Kahneman, wonach das menschliche<br />

Verhalten wesentlich auf Instinkten basiert, und steuert<br />

damit Verhalten. Worauf setzt 3M beim Einzelnen?<br />

Auf sechs Erfolgsfaktoren für gute Zusammenarbeit. Es sind<br />

unsere sechs Regeln für „Leadership Behavior“. Eine lautet<br />

beispielsweise „play to win“. Weitere bedeuten „Innoviere!“,<br />

„Kollaboriere!“ oder „Entwickle andere und dich selbst!“.<br />

Wir stellen Bekanntheit und Transparenz zu den Inhalten<br />

sicher, denn jeder unserer 90.000 Mitarbeiter spricht mit seinem<br />

Vorgesetzten darüber. Wir wissen, dass ein gutes Miteinander<br />

für Erfolge sorgt. Jeder bekommt jeweils nach seinem<br />

Gespräch ein schriftliches Feedback, woran er noch arbeiten<br />

muss und wo seine Stärken liegen.<br />

Stärken stärken – der Leitsatz Ihrer Mitarbeiterführung?<br />

Ja, weil wir wissen wollen, wofür Mitarbeiter ihre größte<br />

Leidenschaft entwickeln. Wenn wir ihre Stärken für eine<br />

Aufgabe stärken, dann machen sie diese gerne. Für einen<br />

lausigen Projektmanager könnten wir weltweit die besten<br />

Fortbildungsangebote buchen, es würde niemandem nutzen.<br />

Wir streben nach Exzellenz. Ist der Mitarbeiter am richtigen<br />

Platz zufrieden, erzielen wir eine Win-win-Situation. Es geht<br />

Foto: 3M<br />

im Kern also um Persönlichkeiten passend für Kundenbetreuung,<br />

Controlling, Unternehmenskommunikation oder Labor.<br />

Welche Stärken zählen künftig stärker?<br />

Wir lassen uns nicht von Trends treiben. Die Kernkompetenzen<br />

zählen immer, was ich nach mehr als 20 Jahren bei 3M<br />

unterstreiche. Klar beobachten auch wir beim Nachwuchs,<br />

dass manche keine Karriere mehr machen wollen, weil ihnen<br />

Work-Life-Balance wichtiger ist. Wer nicht zu Standortwechseln<br />

bereit ist, bleibt aber in seiner Karriere limitiert.<br />

Wie steuert 3M bei Krisen entgegen?<br />

Krise verstanden als schlechte Entwicklung eines Geschäftsbereichs<br />

erkennen wir sehr früh. Kennzahlen unserer Leading<br />

Indicators signalisieren das manchmal als gut funktionierendes<br />

Frühwarnsystem. Wir gehen rechtzeitig rein, wenn die<br />

Profitabilität nicht mehr stimmt. Anders gesagt: Wir reparieren<br />

das Dach, solange die Sonne noch scheint. In den meisten<br />

Fällen können wir eine Negativentwicklung umdrehen.<br />

Alle zehn bis 15 Jahre müssen wir vielleicht auch mal einen<br />

Bereich schließen. Aber wir haben ein sehr ausgefeiltes Controlling.<br />

Preisentwicklungen und Marktindikatoren muss man<br />

auf dem Schirm haben. So gehen wir zum Beispiel davon aus,<br />

dass der Verbrennungsmotor in 20 Jahren eine untergeordnete<br />

Rolle spielt. Unser Mantra zur Krisenvermeidung heißt<br />

auch: Wir müssen die besten Kunden haben, denn sie sind<br />

zwar anspruchsvoll, aber auch strategisch gut aufgestellt. ~<br />

u Mehr unter www.<strong>return</strong>-online.de<br />

Erfinder-Gigant<br />

aus Minnesota<br />

Fünf Partner gründeten im Jahr 1902 die „Minnesota<br />

Mining & Manufacturing Company“ (3M), um Mineralvorkommen<br />

zum Herstellen von Schleifpapier zu<br />

nutzen. Vom Hauptsitz St. Paul im US-Bundesstaat<br />

Minnesota legte das Unternehmen früh mit Innovationen<br />

in Technik und in Marketing die Basis für den<br />

weltweiten Erfolg. Heute nutzen rund 8.000 Forscher<br />

insgesamt 45 eigene Technologie-Plattformen, um Erfindungen<br />

für Arbeit, Medizin und Freizeit hervorzubringen;<br />

bis jetzt verbrieft in 100.000 registrierten Patenten.<br />

Weltweit erzielt 3M in 70 Ländern mit knapp<br />

90.000 Mitarbeitern mehr als 30 Milliarden US-Dollar<br />

Umsatz; davon in Deutschland mit rund 6.700 Beschäftigten<br />

mehr als zwei Milliarden Euro.<br />

www.3mdeutschland.de<br />

Foto: Bernd Hegert<br />

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