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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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SCHWERPUNKT<br />

SCHWERPUNKT<br />

Richtig erarbeitete Szenarien lassen für Unternehmen „echte Landkarten künftiger Möglichkeiten“ entstehen.<br />

Unangenehme Erwartungen zählen auch dazu, um daraus realistische Strategien abzuleiten.<br />

Landkarten der Zukunft<br />

Wie Neues überrascht, ohne zu überrumpeln<br />

Viele Unternehmen versuchen, ihre langfristige Zukunftsplanung<br />

auf Prognosen aufzubauen, die mehr<br />

oder weniger aus Erfahrungen und vergangenheitsorientiertem<br />

Datenmaterial gespeist werden. „Big Data“ und „Predictive<br />

Analytics“ gelten als Heilsbringer auf dem Weg zur<br />

perfekten Vorhersage. Das mag in eng umgrenzten Themenfeldern<br />

und bei kurzfristigen Fragestellungen genau der richtige<br />

Weg sein – bei der mittel- und langfristigen Ausrichtung<br />

von Unternehmen gleicht der Einsatz von Prognosen nur zu<br />

oft der Fahrt auf einer kurvenreichen Bergstraße. Allerdings<br />

mit verklebter Frontscheibe und angestrengtem Blick in den<br />

Rückspiegel.<br />

Dies zeigt sich deutlich an Fehlurteilen renommierter Experten.<br />

So prognostizierte eine große Beratungsgesellschaft für<br />

das Jahr 2000 einen weltweiten Bedarf an Mobiltelefonen von<br />

900.000 Stück – der Produktion von drei Tagen. Microsoft-<br />

Gründer Bill Gates hielt 1995 das Internet für „just a hype“.<br />

Ben Bernanke, später US-Notenbankchef, glaubte noch 2004<br />

daran, die Politik könne die Konjunktur so weit im Griff haben,<br />

„dass sie keine schweren Krisen mehr verursachen kann.“<br />

Die Zunahme von Vielfalt und Dynamik in Märkten, Branchen<br />

und unternehmerischen Umfeldern lässt selbst verbesserte<br />

Prognose-Instrumente scheitern. Daher kommt einem<br />

zweiten Instrument große Bedeutung zu – den Zukunftsszenarien.<br />

Sie bilden nicht mehr ab, was sein wird, sondern was<br />

sein könnte. Dabei ist es das Ziel, alternative Möglichkeiten<br />

vorauszudenken, um auf diese Weise bessere Entscheidungen<br />

treffen zu können. Szenarien sind keine Strategien. Sie<br />

stellen mögliche Rahmenbedingungen fest, auf die ein Un-<br />

Text: Alexander Fink<br />

ternehmen künftig stoßen könnte. Etwa wie der Branchenwettbewerb<br />

sich entwickelt, wie Kundenanforderungen und<br />

Marktstrukturen sich verändern, oder wie die Wertschöpfung<br />

aussieht. Für sie betrachtet man zudem, wie sich generelle<br />

Einflussfaktoren auf Unternehmen auswirken – Demografie,<br />

Regulierung, Digitalisierung oder globale Sicherheit.<br />

Wie ein Wetterbericht<br />

für künftiges Geschäft<br />

Szenarien sind also so etwas wie ein Wetterbericht für künftiges<br />

Geschäft. Im Unterschied zu Trends und Prognosen, die<br />

häufig von Beratern und Trendforschern erstellt und geliefert<br />

werden, entstehen Szenarien in einem offenen Dialogprozess<br />

im Unternehmen. Dazu wird ein Szenarioteam zusammengestellt,<br />

dem Personen aus unterschiedlichen Geschäfts- und<br />

Funktionsbereichen angehören – nach Möglichkeit auch<br />

Personen mit unterschiedlichen Hintergründen, Perspektiven<br />

und Meinungen. In dem Szenarioprozess wird somit<br />

das Zukunftswissen der Organisationen strukturiert und zusammengeführt.<br />

Das Szenarioteam kann um Kunden, Lieferanten,<br />

Netzwerkpartner oder andere externe Innovatoren<br />

erweitert werden, um zusätzliche Impulse zu berücksichtigen.<br />

Zur Entwicklung von Szenarien ist es wichtig, sich vom klassischen<br />

Prognose-Denken zu verabschieden: Wahrscheinlichkeiten<br />

spielen keine Rolle. Stattdessen müssen die Teilnehmer<br />

lernen, in Szenarien zu denken. Die Szenarien selbst<br />

sind dann wie Bildbände aus der Zukunft. Sie vermitteln<br />

eine Vorstellung davon, wie ein Unternehmen in der Zukunft<br />

Foto: ktsimage<br />

agieren muss. Mit Szenarien ist es möglich, sich in eine bestimmte<br />

Zukunft hineinzuversetzen, um deren Dynamik zu<br />

verstehen. Sie helfen, Chancen und Gefahren besser zu erkennen<br />

und auf Veränderungen<br />

zu reagieren.<br />

Aus einzelnen Szenarien lassen<br />

sich strategische Entscheidungen<br />

schwierig ableiten. Unwägbarkeiten<br />

greifen, ob ein Szenario<br />

so eintreten wird oder ob es<br />

doch anders kommt. Daher ist es für Unternehmer und Planer<br />

wichtig, neben den einzelnen Szenarien auch den kompletten<br />

Raum im Blick zu haben. Dazu zählen Weggabelungen,<br />

Marktumfeld-Entwicklungen oder Pfad-Erkennungen.<br />

Wenn Szenarien richtig erarbeitet werden, dann entstehen<br />

nicht nur spannende Bildbände, sondern auch echte Landkarten<br />

künftiger Möglichkeiten. Dazu ist es notwendig,<br />

unterschiedliche Szenarien zu entwickeln – auch mit unangenehmen<br />

oder weniger wahrscheinlichen Zukünften. Die<br />

Erfahrung in vielen Szenario-Prozessen zeigt, dass die Visualisierung<br />

von großer Bedeutung ist.<br />

Szenarien – Jahre nutzen,<br />

aber stets neu bewerten<br />

Szenarien werden so entwickelt, dass sie mehrere Jahre genutzt<br />

werden können. Um aber die vielfach schnellen Veränderungen<br />

erfassen zu können, werden die Szenarien in regelmäßigen<br />

Abständen bewertet – nach jeweils heutigem Stand<br />

und/oder geänderten Zukunftserwartungen. Dieser Abgleich<br />

zur Bewertung ähnelt dem Finger auf der Landkarte.<br />

Szenarien sind Denk-Werkzeuge, aus denen Chancen, Gefahren<br />

und Handlungsoptionen abgeleitet werden können.<br />

Im Strategieprozess wird aber auch die Frage gestellt, auf<br />

Basis welcher Szenarien die eigenen Entscheidungen zu treffen<br />

sind. Dabei kommt abermals die Szenario-Bewertung<br />

ins Spiel. Denn sie beeinflusst maßgeblich die Entscheidung<br />

zwischen der fokussierten Planung, die auf einzelne Szenarien<br />

gestützt ist, und zukunftsrobuster Planung, die mehreren<br />

Umfeld-Entwicklungen gerecht wird.<br />

Je flexibler ein Unternehmen ist, desto eher kann es fokussiert<br />

agieren. Je ungewisser das Umfeld ist, desto stärker ist<br />

der Druck, sich zukunftsrobust aufzustellen. Szenarien sind<br />

also ein Werkzeug, mit dem Komplexität und Ungewissheit<br />

handhabbar gemacht werden.<br />

Zusätzlich zu den beschriebenen Umfeld-Szenarien können<br />

zwei weitere Formen von Szenarien genutzt werden: So lassen<br />

sich die eigenen Handlungsmöglichkeiten in Form von<br />

konsistenten Zukünften entwickeln und aufbereiten. Solche<br />

Strategieszenarien verdeutlichen den eigenen Strategieraum<br />

und erleichtern die Loslösung von tradierten Strategiekonzepten.<br />

Kann ein Unternehmen seine Branchen- und<br />

Rahmenbedingungen aktiv beeinflussen, können zudem<br />

Systemszenarien entworfen werden, mit denen neue Wertschöpfungsarchitekturen<br />

oder zukünftige Ökosysteme dargestellt<br />

werden. Nicht alle Ergebnisse eines Szenario prozesses<br />

müssen umgehend zu Entscheidungen führen. Es geht ums<br />

„Denken auf Vorrat ist wertvoll,<br />

um für die Zukunft schnelle und<br />

flexible Entscheidungen zu treffen.“<br />

Generieren von Orientierungswissen. Das Denken auf Vorrat<br />

ist ebenfalls wertvoll, um für die Zukunft schnelle und<br />

flexible Entscheidungen zu treffen. Die Zeit, die Unternehmen<br />

in eine gemeinsame Diskussion<br />

von zukunftsrelevanten<br />

Themen investieren, ist meist<br />

zu gering. Das liegt daran, dass<br />

negative Erfahrungen mit nicht<br />

zielgerichteten Diskussionen gesammelt<br />

wurden. Der systematische<br />

Prozess der Szenario-Entwicklung enthält verschiedene<br />

Foren, führt zu einem gemeinsamen Ergebnis und schafft<br />

zielführende Zukunftsdiskussionen. Bekannte Instrumente<br />

der Unternehmensführung wie Prognosemodelle, Simulationen<br />

oder einfache Trendbetrachtungen scheitern, wenn es um<br />

komplexe Fragestellungen wie die Zukunft der Mobilität, des<br />

Gesundheitswesens oder der Digitalisierung geht. Da in Szenarien<br />

qualitative Entwicklungen einzelner Schlüsselfaktoren<br />

betrachtet und verknüpft werden, eignet sich dieses Instrument<br />

für komplexe Fragestellungen.<br />

Viele Veränderungsprozesse scheitern nicht an der Einsicht,<br />

sondern an der inneren Vorstellung. Doch im Umgang mit<br />

der Zukunft ist es notwendig, sich von Erfahrungen zu lösen.<br />

Es gilt, offen für neue Sichtweisen zu sein. Szenarien können<br />

diesen Prozess nachhaltig unterstützen.<br />

Unternehmensstrategie<br />

kein Monopol der Spitze<br />

Strategische Unternehmensentwicklung darf nicht ein Monopol<br />

von Vorständen und Geschäftsführungen sein. Mit<br />

Szenarien lässt sich das Wissen weiterer Führungskräfte auf<br />

eine inspirierende Weise in den Prozess integrieren. Das bedeutet<br />

nicht, dass die oberste Führungsebene die finale Entscheidung<br />

aus der Hand gibt. Aber die Umsetzungsebene<br />

muss heute integriert sein. Szenarien sind dazu da, dass Unternehmen<br />

ihre Zukunftsbilder besser verstehen und damit<br />

ihre Möglichkeit erkennen, mit Kunden, Partnern, Politikern<br />

oder der breiten Öffentlichkeit in einen Dialog zu treten. Sie<br />

verstehen sich insofern als Kartografen der Zukunft und öffnen<br />

damit das Unternehmen. ~<br />

Weitere Informationen:<br />

Alexander Fink / Andreas Siebe:<br />

Szenario-Management – Von strategischem<br />

Vorausdenken zu zukunftsrobusten Entscheidungen,<br />

Campus, Frankfurt, <strong>2016</strong><br />

Der Autor ist Gründungsinitiator und Mitglied<br />

des Vorstands der Scenario Management International<br />

AG, eine der führenden Dienstleister<br />

für die Entwicklung und Anwendung von Zukunftsszenarien.<br />

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