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Die Bhagavad Gita

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Einleitung<br />

Mehr als 25 Jahrhunderte sind dahingegangen, seit das, was man die Ewige Weisheit<br />

nennt, zum ersten Mal der Schrift anvertraut wurde; und im Laufe dieser Jahrhunderte<br />

hat sie immer wieder ins Wort gefunden, hier teilweise, dort vollständig, hier<br />

in dieser, dort in jener Form. Im Vedanta, in der alttestamentarischen Prophetie, im<br />

Tao Te King, in den Dialogen Platons, im Evangelium des Johannes, in der Mahayana-Theologie,<br />

bei Plotin und dem Areopag, bei den persischen Sufis und den christlichen<br />

Mystikern des Mittelalters und der Renaissance – in allen asiatischen und europäischen<br />

Zungen hat die Ewige Weisheit gesprochen und sich der Terminologie und<br />

der Überlieferungen jeder höheren Religion bedient. Doch in allen Wirrnissen von<br />

Sprache und Mythen, ortsgebundener Geschichte und sonderrechtlichen Doktrinen<br />

bleibt ein höchster gemeinsamer Faktor, der die Ewige Weisheit enthält und der ihr<br />

chemisch reiner Zustand genannt werden kann. <strong>Die</strong> letzte Reinheit kann natürlich<br />

niemals durch eine philosophisch-sprachliche Darstellung ausgedrückt werden, so<br />

undogmatisch, so entschieden synkretistisch 15 diese Darstellung auch sein mag. Allein<br />

die Tatsache, dass sie zu einer bestimmten Zeit, von einem bestimmten Menschen,<br />

in einer bestimmten Sprache niedergeschrieben wird, unterlegt den so formulierten<br />

Lehren automatisch einen gewissen soziologischen und persönlichen Sinn.<br />

Nur im Akt der Kontemplation, der Worte und sogar die Persönlichkeit versinken<br />

lässt, kann die Ewige Weisheit in ihrer ganzen Reinheit erfahren werden. <strong>Die</strong> auf uns<br />

gekommenen Aussagen jener, die sie erfahren haben, machen es nur zu deutlich,<br />

dass sie alle, ob Hindu, Buddhist, Jude, Taoist, Christ oder Mohammedaner, das<br />

gleiche zu beschreiben versuchen: eine ihrem Wesen nach völlig unbeschreibbare<br />

Wahrheit.<br />

<strong>Die</strong> Urschriften der meisten Religionen sind poetisch und unsystematisch. <strong>Die</strong> Theologie,<br />

die im Allgemeinen als verstandesmäßiger Kommentar zu den Parabeln und<br />

Aphorismen der heiligen Schriften auftritt, erscheint erst auf einem späteren Schauplatz<br />

der Religionsgeschichte. <strong>Die</strong> <strong>Bhagavad</strong>-<strong>Gita</strong> nimmt eine Mittelstellung zwischen<br />

den Schriften und der Theologie ein; denn sie vereinigt in sich die Poesie der ersten<br />

mit der klar umrissenen Methodik der letzten. Man kann sie, wie Ananda K. Coomaraswamy<br />

in seinem bewundernswerten Werk ‚Hinduismus und Buddhismus’ sagt,<br />

beschreiben als ein Kompendium aus der ganzen vedischen Lehre, die sich in den<br />

frühen Veden, den Brahmanas und den Upanischaden findet und sie, da sie somit<br />

die Basis aller späteren Entwicklungen ist, als den Brennpunkt aller indischen Religion<br />

ansehen.<br />

Aber dieser Brennpunkt der indischen Religion ist einer der klarsten und verständlichsten<br />

Auszüge der Ewigen Weisheit, der je gemacht worden ist. Daher sein dauernder<br />

Wert nicht nur für die Inder, sondern für die gesamte Menschheit.<br />

Als Kern der Ewigen Weisheit finden wir vier grundlegende Lehren.<br />

Erstens: <strong>Die</strong> materielle Welt der Erscheinungen und des individuellen Bewusstseins<br />

– die Welt der Dinge, Tiere, Menschen und sogar Götter – ist die Manifestation eines<br />

göttlichen Urgrundes, in dem alle einzelnen Realitäten ihr Dasein haben und ohne<br />

dem sie nicht existieren würden.<br />

15 Synkretismus bedeutet allgemein die Vermischung verschiedener Religionen, Konfessionen oder<br />

philosophischer Anschauungen. Der Ausdruck geht auf die Kreter (griechisch syn gemeinsam; Krethi<br />

Kreter) zurück, die ihre gegenseitigen Streitigkeiten im Falle eines fremden Angriffes einstellten, um<br />

sich dem Feind mit vereinten Kräften entgegenzustellen (aus WIKIPEDIA).<br />

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