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Die Bhagavad Gita

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Büchern beladener Esel. Christliche, hinduistische und taoistische Meister schrieben<br />

nicht weniger nachdrücklich über die absurde Anmaßung des ausschließlich erlernbaren<br />

Wissens und analytischen Denkens. Nach den Worten des anglikanischen<br />

Gebetbuches fußt unser ewiges Leben jetzt und dereinst ‚in der Erkenntnis Gottes’<br />

und diese Erkenntnis entstammt nicht dem logisch schließenden Verstand, sondern<br />

‚dem Herzen’. Sie ist eine überrationale Intuition, unmittelbar, synthetisch und zeitlos.<br />

<strong>Die</strong> dritte Lehre der Ewigen Weisheit, welche von der Doppelnatur des Menschen<br />

spricht, tritt als wesentliches Prinzip in allen höheren Religionen auf. <strong>Die</strong> einende Erkenntnis<br />

des Göttlichen Urgrundes schließt als notwendige Bedingung Selbstverleugnung<br />

und Liebe ein. Einzig durch Selbstverleugnung und Liebe können wir das<br />

ablegen, woraus unsere sogenannte Persönlichkeit besteht, nämlich Wahn, Übel und<br />

Unwissenheit. Sie sind es, die uns hindern, den göttlichen Funken zu erkennen, der<br />

den inneren Menschen erleuchtet. <strong>Die</strong>ser innere Funke jedoch ist eng verwandt mit<br />

dem Göttlichen Urgrund. Indem wir uns mit ersterem identifizieren, können wir zu der<br />

einigenden Erkenntnis des Zweiten gelangen. <strong>Die</strong>se empirischen Tatsachen des<br />

geistigen Lebens wurden auf verschiedene Weise durch die Theologien der einzelnen<br />

Religionen vernunftgemäß erklärt. <strong>Die</strong> Hindus behaupten kategorisch: DAS bis<br />

du. Das heißt, der innewohnende Atman ist von gleichem Wesen wie Brahman. Für<br />

den orthodoxen Christen gibt es keine Identität zwischen dem Funken und Gott. Eine<br />

Vereinigung des menschlichen Geistes mit Gott findet statt – eine so vollkommene,<br />

dass sie ‚Vergöttlichung’ genannt wird – doch ist dies keine Einung gleichwertiger<br />

Substanzen. Nach der christlichen Theologie wird der Heilige ‚vergöttlicht’, nicht weil<br />

der Atman identisch ist mit Brahman, sondern weil Gott den geläuterten Geist des<br />

Menschen durch einen Akt der Gnade aufnimmt und sich gleichmacht.<br />

<strong>Die</strong> islamische Theologie trifft eine ähnliche Unterscheidung. Der Sufi Masur wurde<br />

hingerichtet, weil er den Worten ‚Vereinigung’ und ‚Vergöttlichung’ wörtlich den Sinn<br />

zugebilligt hat, den die Hindutradition ihnen gibt. Für unsere gegenwärtigen Zwecke<br />

ist es jedoch von Bedeutung, dass diese Begriffe tatsächlich von Christen und Mohammedanern<br />

gebraucht werden, um die empirischen Tatsachen metaphysischen<br />

Erlebens durch unmittelbare überrationelle Intuition zu beschreiben.<br />

In Bezug auf das Endziel des Menschen stimmen sämtliche höheren Religionen vollkommen<br />

miteinander überein. Der Zweck des menschlichen Lebens ist die Entdeckung<br />

der Wahrheit, die einende Erkenntnis Gottes. Der Grad, bis zu welchem die<br />

einende Erkenntnis auf Erden erlangt wird, bestimmt das Maß, in dem diese im Zustand<br />

nach dem Tode genossen werden kann. Kontemplative Betrachtung der<br />

Wahrheit ist der Zweck, Tätigsein das Mittel. In Indien, in China, im alten Griechenland,<br />

im christlichen Europa gehört dies zum unverkennbarsten und unumstößlichen<br />

Teil der Rechtgläubigkeit. <strong>Die</strong> Erfindung der Dampfmaschine hat nicht nur in der industriellen<br />

Technik eine Revolution hervorgerufen, sondern auch eine noch viel bedeutungsvollere<br />

in der Philosophie. Da die Maschinen mit der Zeit immer mehr verbessert<br />

werden können, kam der westliche Mensch auf den Gedanken, die Menschheit<br />

und ihre Gemeinschaften ließen sich ebenfalls ganz automatisch in entsprechendem<br />

Maße geistig und moralisch heben. <strong>Die</strong> gesamte Aufmerksamkeit und Hingabe<br />

richtete sich nun nicht mehr auf die Ewigkeit sondern auf eine utopische Zukunft.<br />

So kam es, dass äußere Umstände für wichtiger erachtet wurden als die Geistesverfassung<br />

in Bezug auf diese äußeren Umstände und Tätigsein als der Zweck<br />

des menschlichen Lebens galt, wobei die Kontemplation die Rolle des Mittels zu diesem<br />

Zweck spielte. <strong>Die</strong>se falschen und historisch abirrenden und ketzerischen Doktrinen<br />

werden heute systematisch in unseren Schulen gelehrt und tagtäglich von namenlosen<br />

Schreibern marktschreierischer Bücher wiederholt, die mehr als irgendwelche<br />

andere Lehrer die europäische und amerikanische Jugend mit ihrer billigen Le-<br />

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