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Die Bhagavad Gita

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Unsere Betrachtung wendet sich jetzt den ethischen Zusätzen der Ewigen Weisheit<br />

zu. ‚<strong>Die</strong> Wahrheit’, sagt Thomas von Aquin, ‚ist das letzte Ziel des gesamten Weltalls.<br />

Und die Kontemplation der Wahrheit ist die Hauptbeschäftigung der Weisheit.’<br />

‚<strong>Die</strong> sittlichen Tugenden’, sagt er an anderer Stelle, ‚gehören ihrem Wesen nach<br />

nicht notwendigerweise zur Kontemplation, sind aber eine unbedingt erforderliche<br />

Vorbedingung.’ Mit anderen Worten: Tugend ist nicht das Ziel, sondern das unerlässliche<br />

Mittel zur Erkenntnis der göttlichen Realität. Schankara, der bedeutendste indische<br />

Kommentator der <strong>Gita</strong>, hält sich an die gleiche Lehre. Rechtes Tun ist der Weg<br />

zur Erkenntnis, da es die Seele läutert. Denn nur zu einer von Selbstsucht freien<br />

Seele vermag die unmittelbare Erkenntnis vom Göttlichen Urgrund zu kommen.<br />

Selbstverleugnung kann nach der <strong>Gita</strong> durch die Übung von zwei alles umfassenden<br />

Tugenden erlangt werden: durch die Liebe und durch innere Lossagung. Letztere ist<br />

das Selbe wie der ‚heilige Gleichmut’, den der heilige Franziskus von Salia unermüdlich<br />

fordert. „Wer jede Tat auf Gott bezieht“, schreibt Camus, indem er seinen Meisters<br />

Lehre zusammenfasst, „und auf nichts anderes hinzielt als auf Seine Herrlichkeit,<br />

der findet überall Frieden, selbst mitten im heftigsten Aufruhr.“ So lange wir den<br />

Früchten unserer Arbeit mit dem heiligen Gleichmut gegenüberstehen, „wird keine<br />

rechtliche Tat uns von Gott scheiden; sie kann im Gegenteil zum Mittel einer noch<br />

innigeren Vereinigung werden“. Das Wort rechtlich ersetzt hier eine Einschränkung<br />

dieser Lehre, die ohne diese unvollständig und sogar potentiell gefährlich wäre. Es<br />

gibt Handlungen, die ihrem Wesen nach übel oder schädlich sind; und keine gute<br />

Absicht, keine bewusste Darbringung vor Gott, kein Verzicht auf ihre Früchte kann<br />

den ihnen innewohnenden Charakter wandeln. Nicht nur in Verbindung mit einer<br />

Reihe jedes Verbrechen untersagender Gebote muss der heilige Gleichmut gelehrt<br />

werden, sondern auch mit einem klaren Begriff dessen, was bei Buddhas achtteiligem<br />

Pfad „rechtes Handeln“ genannt wird. Daher ist für den Buddhisten rechtes<br />

Handeln unvereinbar mit der Herstellung tödlicher Waffen und Gifte, wie es für den<br />

Christen des Mittelalters unvereinbar gewesen ist mit Zinserhebung und verschiedenen<br />

monopolistischen Betätigungen, die heutzutage als rechtliches, gutes Gewerbe<br />

angesehen werden. John Woolman, der amerikanische Quäker, gibt ein höchst aufschlussreiches<br />

Beispiel für die Möglichkeit des Menschen, auf dieser Welt zu leben,<br />

vollkommene Löslösung von ihr zu üben und doch empfindsam zu bleiben für die<br />

Bedingungen des rechten Handelns. So weigerte sich Woolman, den Kunden, die in<br />

seinen Laden kamen, westindischen Zucker und Rum zu verkaufen, obgleich dies<br />

vorteilhaft für ihn und vollkommen rechtmäßig gewesen wäre. Er tat dies, weil diese<br />

Produkte der Ertrag von Sklavenarbeit waren. Ebenso wäre es durchaus gesetzmäßig<br />

und für ihn sehr bequem gewesen, mit der Postkutsche zu fahren, als er in England<br />

war. Trotzdem zog er es vor, seine Reisen zu Fuß zu machen. Warum? Weil die<br />

Annehmlichkeit des raschen Fahrens nur auf Kosten der grausam überforderten<br />

Pferde und Postkutscher genossen werden konnte, die unter unwürdigsten Bedingungen<br />

arbeiten mussten. In Woolman’s Augen war dieses Transportsystem als solches<br />

ablehnenswert, und keine noch so große persönliche Loslösung konnte es zu<br />

etwas begehrenswertem machen. Also schulterte er seinen Reisesack und ging zu<br />

Fuß.<br />

Auf den vergangenen Seiten habe ich zu zeigen versucht, dass die Ewige Weisheit<br />

und ihre ethischen Begleitsätze den höchsten gemeinsamen Faktor ausmachen, der<br />

allen Weltreligionen innewohnt. <strong>Die</strong>se Wahrheit zu bestätigen, ist niemals notwendiger<br />

gewesen als zu unserer Zeit. Nie wird es dauernden Frieden geben, so lange die<br />

Menschheit nicht so weit kommt, eine Lebensphilosophie anzunehmen, die den kosmischen<br />

und psychologischen Tatsachen mehr entspricht als die irren Abgöttereien<br />

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