etcetera 65

12 Holz|Oktober 2016
Wolfgang Mayer König
GEDICHTE UND ERZÄHLUNGEN AUS HOLZ –
DIE POETIK DES HOLZES
Bildbericht von Florian Mayer König
Der heilige Bernhard von Clairvaux, der im elften Jahrhundert
einerseits als begnadeter Prediger auch schon vor leerer Kirche
predigen musste und mit seinem Kreuzzugsaufruf eine
tausendjährige bis in die heutige Zeit andauernde, aktuell
wirksame, kulturell zersetzende, tödliche, humanitär verheerende
Auseinandersetzung der Menschheit beeinflusste,
hält andererseits für den literarisch interessierten Menschen
nachfolgender Generationen fest: „Glaube mir, denn ich
habe es erlebt, du wirst mehr in den Wäldern erfahren als in
Büchern“. So früh zeichnet sich also schon die Skepsis gegenüber
der didaktischen Vermittlungsfunktion der Literatur
ab und im Gegensatz dazu die exemplarische Begeisterung,
die von Wäldern ausgeht: Die Wirkung des Waldes auf die Erlebniswelt
des Menschen, seine Umsetzung in sprachliche,
bildhafte und figürliche Gestaltung - also die Charakterisierung
seiner Kultur und Weltanschauung.
Kein geringerer als der Dichter Peter Rosegger hat wie kein
anderer der pädagogischen Wirkungsweise des Waldes und
des Holzes ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Seine
Essay
Geschichten über die Waldschule und seine Charakterisierung
des Waldschullehrers im Kontext der unvergleichlichen
Strahlkraft und des auf das Wesentliche reduzierenden Geheimnisses
der Wälder führen schnurgerade in das Feld der
modernen Waldpädagogik. Auch der Lehrer und Begründer
der ersten Schweizer Waldschule Corray im Jahr 1912, er gilt
als Pionier der Waldpädagogik, wollte damit „in unserem
Zeitalter der Maschinen ein Gegengewicht in der Erziehung“
setzen. Die ersten für die Waldpädagogik bedeutsamen