f+h fördern und heben 6/2016
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INTERVIEW I MATERIALFLUSS<br />
wird, zum Beispiel eine Gravur – sprechen<br />
wir von Value Added. Damit sind wir<br />
schon bei Losgröße 1 angekommen, die<br />
eine große Herausforderung für die intralogistischen<br />
Prozesse bedeutet. Die Personalisierung<br />
<strong>und</strong> ihre Prozesse kosten Zeit,<br />
was sich in der Folge wieder auf die Lieferzeit<br />
auswirkt.<br />
Infolge der beschriebenen Veränderungen<br />
sehen sich die Händler mit einer größeren<br />
Anzahl kleinerer Lieferungen konfrontiert,<br />
müssen zudem eine größere Anzahl an<br />
Produkten vorhalten <strong>und</strong> auch deren Personalisierung<br />
in die Supply Chain integrieren.<br />
Diese Faktoren machen einen entsprechenden<br />
Prozessaufwand notwendig,<br />
bei dem Unternehmen schnell an einen<br />
Punkt ankommen, bei dem die bestehenden<br />
Systeme an ihre Grenzen stoßen.<br />
Wie gestalten sich die Lösungen, um den<br />
geforderten Servicegrad zu erreichen?<br />
Eine Lösung ist die effiziente Vernetzung<br />
der Prozesse. Dabei geht eine intelligente<br />
Vernetzung sogar über die eigenen Unternehmensgrenzen<br />
hinaus. Wenn zwei oder<br />
mehr Händler miteinander als strategische<br />
Partner kooperieren, können sie gegenseitig<br />
Synergien nutzen, ohne dass der K<strong>und</strong>e<br />
dies bemerkt.<br />
Ein Beispiel: Wenn ich mich als Händler<br />
mit einem anderen Händler vernetze, der<br />
gleichartige Produkte führt, dann können<br />
wir uns gegenseitig aushelfen. Dabei stehen<br />
jedem Händler auch Verpackung,<br />
Klebeband, Versanddokumente <strong>und</strong> weitere<br />
typischen Identifikationsmerkmale<br />
des jeweils anderen Händlers zur Verfügung,<br />
um in dessen Namen Sendungen<br />
abzuwickeln. Er agiert in dem Fall nicht<br />
als Händler, sondern als Logistikdienstleister<br />
des anderen Händlers. Auf diese<br />
Weise kann jeder Händler auf einen viel<br />
größeren Warenbestand zugreifen, ohne<br />
dass der K<strong>und</strong>e das bemerkt. Infolge vieler<br />
Kreuz- <strong>und</strong> Querverbindungen verschmelzen<br />
im E-Commerce auch die<br />
Grenzen von Händler, Lagerbestand <strong>und</strong><br />
Logistikdienstleister.<br />
Welche Branche unterliegt Ihren Marktbeobachtungen<br />
nach dem größten Wandel?<br />
Wir bei Vanderlande konnten die Umsätze<br />
im Foodbereich innerhalb der letzten fünf<br />
Jahre fast verzehnfachen. Allein aus diesem<br />
Bereich generieren wir derzeit ein<br />
Auftragsvolumen von 400 Millionen Euro.<br />
Das sind massive Projekte, etwa wenn ein<br />
Lager neu errichtet wird, von dem aus<br />
trockene Ware für eine bestimmte geografische<br />
Region geliefert wird. Bei solchen<br />
Projekten sprechen wir über sehr hohe<br />
Investitionen, weil hier sehr große Mengen<br />
umgeschlagen werden müssen.<br />
Worin sehen Sie im Foodbereich die<br />
größten Herausforderungen?<br />
Im Lebensmittelbereich sind zwei Dinge<br />
wichtig: Servicegrad <strong>und</strong> Kosten. Auf der<br />
einen Seite müssen alle Produkte vorrätig<br />
sein, die Frische muss stimmen <strong>und</strong> der<br />
K<strong>und</strong>e verlangt ein tolles Einkaufserlebnis.<br />
Dem stehen aber auch wirtschaftliche<br />
Aspekte gegenüber. Eine Erhöhung der<br />
Marge ist nicht möglich, weil hier alles<br />
bereits ausgereizt ist. Demzufolge liegt der<br />
Fokus auf einer Senkung der Kosten. Eine<br />
Analyse besagt, dass auf jeden Mitarbeiter<br />
im Distributionszentrum vier Mitarbeiter<br />
im Supermarkt kommen, die die Ware ins<br />
Regal räumen. Es macht also im ersten<br />
Schritt mehr Sinn, die Prozesse der vier<br />
Mitarbeiter im Supermarkt effizienter zu<br />
gestalten, weil hier ein höheres Einsparpotenzial<br />
vorhanden ist. Wenn etwa die Anlieferung<br />
der Ware auf eine Weise vorbereitet<br />
wird, dass die Befüllung der Regale<br />
effizienter geschieht, dann lassen sich im<br />
Supermarkt Personalkosten einsparen.<br />
Dies erreicht man an einer vorangegangenen<br />
Stelle innerhalb der Supply Chain,<br />
respektive durch eine tiefgreifende Automatisierung<br />
im Verteilzentrum: Auf Basis<br />
aller zur Verfügung stehenden Parameter<br />
generiert die Software eine wegeoptimierte<br />
<strong>und</strong> effiziente Verteilungsroute durch<br />
die Gänge des Supermarkts. Auf Basis<br />
dieser Reihenfolge wird das Lagebild der<br />
Lieferpaletten generiert <strong>und</strong> per Roboter<br />
erstellt. Der Mitarbeiter muss im Supermarkt<br />
dann nur noch die Palette von oben<br />
nach unten entladen <strong>und</strong> läuft auf diese<br />
Weise automatisch eine optimale Route<br />
durch die Filiale. Umwege gehören damit<br />
der Vergangenheit an.<br />
In welchen Ländern liegt nach Ihrer<br />
Erkenntnis der Fokus auf automatisierten<br />
Prozessen?<br />
Es sind im Gr<strong>und</strong>e die Länder, in denen<br />
Personalkosten vergleichsweise hoch sind<br />
oder Personal nur begrenzt verfügbar ist,<br />
etwa Westeuropa, Amerika, Skandinavien<br />
<strong>und</strong> Australien. In diesen Fällen lohnt sich<br />
eine Automatisierung. Ebenso muss man<br />
Massenmärkte automatisieren. Der<br />
E-Commerce in China etwa, weil teils<br />
enorme Wachstumsraten dazu führen,<br />
dass die Logistik hier zwingend automatisieren<br />
muss, um die enormen Mengen zu<br />
beherrschen.<br />
Aber auch in Deutschland bewegt sich in<br />
dieser Branche einiges. Vor einigen Jahren<br />
waren das noch einzelne Projekte, heute<br />
sind es strategische Projekte, die als Pilotprojekt<br />
gestaltet werden, um sie später<br />
auch auf andere Standorte kopieren zu<br />
können.<br />
Welche Lösungen bietet Vanderlande, um<br />
den genannten Betreiberansprüchen<br />
gerecht zu werden?<br />
Die Anforderungen, die sich aus den<br />
Trendthemen ergeben, fließen direkt in<br />
unsere Produktentwicklung ein. So wie<br />
beim Automated Case Picking ACP im<br />
Foodbereich. Bei dieser automatisierten<br />
Lösung werden Vollkartons auf Palette<br />
oder im Rollcontainer verbracht. So entstehen<br />
Systeme, bei denen 90 Prozent der<br />
Ware nie mehr durch einen Menschen<br />
berührt werden.<br />
Eine weitere Lösung ist das Shuttlesystem<br />
Adapto, das sich dreidimensional im Regal<br />
bewegen kann. Durch seinen sehr hohen<br />
Freiheitsgrad ergibt dies eine hohe Flexibilität,<br />
um auf Schwankungen im Warenfluss<br />
besser reagieren zu können. Das Produkt<br />
erschließt zudem weitere Möglichkeiten.<br />
Wir müssen nun lernen, all diese Möglichkeiten<br />
auszunutzen.<br />
Von der Intralogistikbranche werden die<br />
richtigen Lösungen erwartet <strong>und</strong> gefordert.<br />
Die Kosten müssen runter. Aber was<br />
schlussendlich am meisten wiegt, ist der<br />
Servicegrad: Richtiger Zeitpunkt, richtige<br />
Qualität, richtige Menge <strong>und</strong> richtiges<br />
Produkt. Wenn das nicht stimmt, dann hat<br />
man verloren.<br />
Vielen Dank für das Gespräch<br />
Fotos: <strong>f+h</strong>, Fotolia/Bearbeitung: VFV