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MOTORRAD Classic 01_02/2017

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IM FOKUS I<br />

Benelli 254<br />

Unglaublich, wie<br />

schmal ein Vierzylinder<br />

sein<br />

konnte. Bereits<br />

beim ersten<br />

Test 1979 (links)<br />

begeisterten<br />

die Fahrwerksqualitäten<br />

der 254<br />

und enttäuschte<br />

ihre Bremse<br />

Auf den ersten Blick wirkte es<br />

wie kühne Unvernunft, 231 cm³<br />

auf vier Zylinder zu verteilen.<br />

Doch auf den zweiten Blick schien es fast<br />

logisch – zumindest aus Sicht von Benelli.<br />

Denn in den 1960er-Jahren heimste Benelli<br />

mit seinen 250er-Rennmaschinen GP-Siege<br />

und Meisterschaften ein. Und diese Maschinen<br />

verteilten ihren Hubraum auf eben<br />

vier Zylinder. Was lag da also näher, als<br />

einen Serienableger zu bauen, der diesen<br />

Glanz, spät zwar, auf die Straße transportieren<br />

sollte?<br />

Was dann erstmals 1978 das Werk in<br />

Pesaro verließ, war feinste Kleinmechanik,<br />

eingepackt allerdings in ein etwas eigenwilliges<br />

Gewand. Die ab 1981 gebaute<br />

zweite Version, aus der auch unser Exemplar<br />

stammt, wirkte bereits etwas gefälliger.<br />

Ursprünglich trug sie eine eckige<br />

Lenkerverkleidung, die der Besitzer der<br />

von uns gefahrenen Maschine, Rainer<br />

Pietzsch, gegen eine Halbschale der Guzzi<br />

Le Mans I getauscht hat. Die darf getrost<br />

unter zeitgenössischem Zubehör verbucht<br />

werden. Zumal sie der kleinen Benelli<br />

ausgezeichnet passt.<br />

Im Mittelpunkt des Geschehens stand<br />

aber ohnehin der faszinierende Vierzylinder<br />

– bis heute der kleinste serienmäßige<br />

Vierling überhaupt. Mit seinen feinen<br />

Kühl rippen und den vier daumendicken<br />

Krümmern ist er eine richtig adrette Erscheinung.<br />

Nicht nur optisch zeigt er Nähe<br />

zu den kleinen Honda-Fours der Siebziger,<br />

sondern auch vom mechanischen Aufbau<br />

her. Steuerkette zwischen zweitem und<br />

drittem Zylinder, Primärantrieb über Zahnkette,<br />

das trugen auch die japanischen<br />

Fours. Aber eben nicht so kleine Zylindereinheiten.<br />

Aus den vier 57,8 cm³ Einzelhubräumchen<br />

presste sich der Benelli-Motor<br />

stolze 26 PS bei 10 500/min, dort beginnt<br />

auch der gelbe Bereich des Drehzahlmessers,<br />

Rot sieht er bei sagenhaften 12 000<br />

Touren. Was materialmordend klingt, ist in<br />

Wirklichkeit nur halb so wild, denn bei<br />

Nenndrehzahl beträgt die mittlere Kolbengeschwindigkeit<br />

aufgrund des kleinen<br />

Hubs von 38 Millimetern unbedenkliche<br />

13,3 m/s. Das Starten des Motors beginnt<br />

mit einer artigen Verbeugung nach links<br />

und nach rechts, denn es sind zwei Benzinhähne<br />

zu öffnen. Lange muss sich der<br />

Anlasser nicht mühen, dann ist der Vierer<br />

mit vorlautem Knurren da, brabbelt tatendurstig<br />

vor sich hin.<br />

Kaum größer als ein<br />

Kleinkraftrad<br />

Die Sorge, wie sich 1,85 Meter Körperlänge<br />

auf dem Winzling verstauen lassen, währt<br />

nur kurz. Sie lassen sich über raschend gut<br />

unterbringen, obwohl die Benelli kaum<br />

größer als ein Kleinkraftrad wirkt. Gut, die<br />

Beine müssen schon kräftig gefaltet werden,<br />

aber das Platzangebot ist längst nicht<br />

so knapp wie befürchtet und die Lenkerposition<br />

verlangt keinen un gebührlich<br />

tiefen Bückling vom Piloten. Bereits das<br />

Rangieren mit dem 124 Kilo leichten Floh<br />

fördert zwei Erkenntnisse zutage. Erstens:<br />

Beim Wenden sind die Daumen zwischen<br />

M-Lenker und Tank stark einklemmgefährdet.<br />

Und zweitens: Sollte man mal liegenbleiben,<br />

könnte man sich die Benelli<br />

sicher problemlos unter den Arm klemmen<br />

und heimtragen.<br />

Die ersten vorsichtigen Kilometer<br />

durch die Stadt sind ein willkommener<br />

Statt frei stehend auf dem hinteren<br />

Schutzblech ist das flache Rücklicht<br />

sauber in den Sitzbankabschluss<br />

eingepasst (oben). Die gerade daumendicken<br />

Krümmer unterstreichen<br />

den optischen Reiz des filigranen<br />

Motors (rechts). Kleinmechanik:<br />

Anders als bei den Sechszylindern<br />

von Benelli wird jeder Zylinder der<br />

254 von einem eigenen Vergaser<br />

gespeist<br />

16 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 1+2/2<strong>01</strong>7

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