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MOTORRAD Classic 01_02/2017

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HINTERGRUND<br />

Historie<br />

Erstmals erblickte die staunende Öffentlichkeit 1975 auf dem Mailänder Salon den kleinen Benelli-<br />

Vierzylinder. In doppelter Ausführung. Denn bis auf die Schriftzüge identisch, stand der Vierling<br />

auch auf dem Guzzi-Stand. Firmeneigner Alessandro de Tomaso wollte beide Marken mit außergewöhnlicher<br />

Technik und extravagantem Design ins Rampenlicht rücken. Dabei setzte<br />

er auf Mehrzylinder. Vier in den kleinen Klassen, für die 750er und später die 900er deren sechs.<br />

1978 tauchte die 254 erstmals im deutschen Modellprogramm auf. Während die Guzzi rasch wieder<br />

aus dem Programm verschwand, folgte 1981 bei Benelli die optisch etwas entschärfte Variante der<br />

254, zu der auch das gefahrene Exemplar zählt. Von Anfang bis Mitte der Achtziger wurde die 254<br />

auch von Importeur Amex als MotoBi mit anderer Handbremspumpe angeboten. Viele Liebhaber<br />

fand der kleine Giftzwerg nicht, zu groß war die zweitaktende 250er-Konkurrenz aus Japan. Daran<br />

konnte auch die optisch aufgewertete, aber hubraumgleiche 304 trotz überarbeitetem Rahmen und<br />

Bremsen nichts mehr ändern. Sie blieb noch von 1985 bis 1989 im Programm.<br />

Der Erstling im typisch kantigen de<br />

Tomaso-Design von 1978<br />

Die letzte, 304 getaufte Version kam<br />

mit massentauglichem Design<br />

Fotos: Schwab<br />

Anlass, die 2,5 Liter Motoröl anzuwärmen.<br />

Denn hohe Drehzahlen bei kaltem Motor,<br />

das behagte den filigranen Kipphebeln<br />

ganz und gar nicht, die solche Behandlung<br />

gerne mit abgeplatzten Laufflächen<br />

quittierten. Bei der Gelegenheit legt der<br />

Vierzylinder beachtliche Manieren an den<br />

Tag, denn er lässt sich durchaus drehzahlsparend<br />

warm fahren. Mit rund 4000/min<br />

kann man im fünften Gang geruhsam<br />

durch die Stadt schnurren. Beim Öffnen<br />

der Schieber der vier 18er-Dellorto-Vergaser<br />

würgt er dann nicht etwa angewidert<br />

am verabreichten Sprit, sondern legt stetig<br />

an Tempo zu. Donnerwetter.<br />

Ist der Motor warm und die Stadt im<br />

Rückspiegel entschwunden, beginnt der<br />

Spaß. Inzwischen hat man sich ganz und<br />

gar an die sportive Sitzposition gewöhnt,<br />

der Motor verlangt die Sporen und bekommt<br />

sie. Denn wenn es vorangehen<br />

soll, darf man keine Scheu vor hohen<br />

Drehzahlen haben. Der Vierzylinder hat<br />

sie schließlich auch nicht.<br />

Seine Laufkultur ist ausgezeichnet, er<br />

gestattet sich nur leichte Vibrationen, wenn<br />

er die obere Hälfte des Drehzahlbandes<br />

entert. Ab 6000/min beginnt sein Wohlfühlbereich.<br />

Dann heißt es die Drehzahl<br />

immer schön oben halten, nur keinen<br />

Schwung verlieren. Da kommt richtig<br />

Rennatmosphäre auf, wenn der Vierling<br />

heiser brüllend in den fünfstelligen Bereich<br />

jagt und dabei beileibe nicht wie eine<br />

250er klingt. Das ist Sound, Klang, Musik.<br />

Dank nachgerüsteter elektronischer Zündanlage,<br />

die auch gleich den unzuverlässigen<br />

mechanischen Fliehkraftregler ersetzt,<br />

dreht der Vierzylinder lochfrei und begeistert<br />

in die Höhe. Die Kupplung geht<br />

butterweich und perfekt dosierbar, sauber<br />

lässt sich Gang an Gang reihen. Dennoch<br />

sind hohe Dauerdrehzahlen mit etwas<br />

Vorsicht zu genießen. Denn im Gegensatz<br />

zu den Honda-Vierzylindern ist die Kurbelwelle<br />

nur dreifach gleitge lagert, was bei<br />

längeren Drehzahlorgien Biegeschwin -<br />

g ungen und damit Verschleiß begünstigt.<br />

Allerdings ist es gar nicht so leicht,<br />

beim flotten Kurvenschwingen den Drehzahlmesser<br />

im Auge zu behalten. Die Instrumente<br />

sind in einer Konsole in der<br />

Tankverkleidung untergebracht, die der<br />

Pilot in gebückter Haltung direkt vor der<br />

Brust hat. Dabei empfiehlt es sich, nicht zu<br />

lange nach dem Drehzahlmesser – der<br />

übrigens entgegen älteren Testberichten<br />

wie der Tacho auch ruhig und genau anzeigt<br />

– zu suchen, sondern mehr Aufmerksamkeit<br />

dem Streckenverlauf zu widmen.<br />

Denn zu spät sollte man nicht auf der<br />

Bremse sein. Die ist nun wirklich so zahnlos,<br />

wie in früheren Tests beschrieben. Nur<br />

mit gehöriger Handkraft lässt sich halb-<br />

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