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Graubünden Exclusiv – Winter 2016/2017

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Edy Reinalter war 1948 der<br />

letzte Schweizer, der in St. Moritz eine<br />

Goldmedaille gewann.<br />

D<br />

ie alpinen Weltmeisterschaften vom 6. bis 19. Februar<br />

<strong>2017</strong> sind bereits die fünften im Engadin <strong>–</strong> nach 1934,<br />

1948, 1974 und 2003. Kein Ort hat mehr Titelkämpfe organisiert.<br />

«Top of the World» ist auch die erste Adresse im alpinen<br />

Skisport, die temporär etwas in Vergessenheit geraten war.<br />

Hugo Wetzel, seinerzeit Präsident des Sport- und Kulturveranstaltungsfonds,<br />

und sein Adjudant Martin Berthod, Ex-<br />

Rennfahrer und Sportdirektor im Kurverein, weckten<br />

St. Moritz aus dem sportlichen Dornröschenschlaf. Während<br />

eines Vierteljahrhunderts, zwischen 1974 bis 1999, fand gerade<br />

mal ein einziges bedeutendes Skirennen statt, eine Weltcup-Abfahrt,<br />

die der Kanadier Steve Podborski vor dem Österreicher<br />

Peter Wirnsberger und dem Schweizer Peter<br />

Müller gewann. «Alles war etwas eingeschlafen, der Leistungssport<br />

vernachlässigt worden», sagt Hugo Wetzel. «Man<br />

hat dessen Bedeutung unterschätzt.»<br />

Wetzel, Berthod und Co. brachten St. Moritz wieder auf den<br />

skisportlichen Radar. Sie waren, unterstützt vom Gemeindepräsidenten<br />

Corrado Giovanoli, dem Vater des heutigen<br />

WM-Sportdirektors, die treibenden Kräfte bei der WM<br />

2003 <strong>–</strong> und auch bei der aktuellen. Ihr Motto, identisch mit<br />

jenem der WM, lautet. «Live the Future». Nach der WM<br />

übergeben sie das Zepter der nächsten Generation.<br />

St. Moritz ist international ausgerichtet. Zu den Zielmärkten<br />

gehören auch China, Indien und Brasilien, wie Tourismus-<br />

CEO Ariane Ehrat ausführt. Sie errang einst im benachbarten<br />

Bormio hinter Michela Figini WM-Silber.<br />

Beinahe könnte der Eindruck entstehen, die Schweizer Skirennfahrer<br />

hätten sich bei den bisherigen Titelkämpfen in<br />

St. Moritz aus Respekt gegenüber den ausländischen Gästen<br />

vornehm zurückgehalten. Der letzte Schweizer, der eine<br />

Goldmedaille gewann, stammt aus dem Jahr 1948! Edy Reinalter<br />

gewann damals den Olympia-Slalom, der auch als WM-<br />

Rennen galt, vor den überlegenen Favoriten aus Frankreich.<br />

Der «Sport», die damalige Fachzeitung, mit der Reporter-<br />

Legende Karl Erb, feierte das Ereignis mit einer Extra-Ausgabe.<br />

Bei der vorletzten WM 1974 schrammte Swiss-Ski, der damals<br />

noch SSV (Schweiz. Skiverband) hiess, haarscharf an<br />

einem Debakel vorbei. Kurz vor Schluss erlöste Lise-Marie<br />

Morerod, ein 17-jähriges Mädchen aus Les Diablerets, die<br />

stolze Skination, die zwei Jahre zuvor an den Olympischen<br />

Spielen in Sapporo Medaillen am Fliessband gehamstert hatte.<br />

Mit der Startnummer 39 errang sie sensationell Bronze <strong>–</strong><br />

Skirennfahrer Ruedi (Rudolf) Rominger mit Slalom-Olympiasieger Edy Reinalter (r.)<br />

die einzige Auszeichnung der WM. Zuvor war sie in jedem<br />

Slalom ausgeschieden.<br />

Roland Collombin, der haushohe Favorit, der die letzten vier<br />

Abfahrten vor der WM für sich entschieden hatte, landete<br />

nach 40 Sekunden im Schnee. Die einzige Fotografin, die den<br />

Sturz auf Zelluloid gebannt hatte, kassierte Honorare im<br />

fünfstelligen Bereich. Der «Sport» schrieb von einer Kerze,<br />

die an beiden Seiten brannte. Collombin war wiederholt aus<br />

dem Hotel auf Salastrains am Pistenrand ausgebüxt, wo die<br />

Schweizer in totaler Abgeschiedenheit logierten. Ein paar<br />

Monate später verunglückte er schwer und musste seine Karriere<br />

beenden.<br />

2003 hatten einige Medien schon die Messer gewetzt, als am<br />

letzten WM-Tag <strong>–</strong> Parallelen zu Morerod <strong>–</strong> Silvan Zurbriggen<br />

mit einer Silbermedaille im Slalom hinter Ivica Kostelic<br />

für einen versöhnlichen Abschluss sorgte. Drei Wochen vorher<br />

hatte der «Eiserne Karl» Frehsner noch dessen Disziplinentrainer<br />

zum Teufel gejagt. So durfte sich die Bilanz mit<br />

vier Medaillen (Zurbriggen plus Bruno Kernen, Marlies Oester<br />

und Corinne Rey-Bellet) gleichwohl sehen lassen. Nur<br />

auf einen Nachfolger von Edy Reinalter wartet Swiss-Ski immer<br />

noch <strong>–</strong> bis heute.<br />

DER AUTOR<br />

Richard Hegglin war als Agenturjournalist während<br />

vier Jahrzehnten für den Skisport unterwegs und<br />

sass 20 Jahre im FIS-Weltcup-Komitee. Heute schreibt er<br />

für «Snowactive» und verschiedene Tageszeitungen.<br />

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