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LA KW 06

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Einen „klaren Gesetzesbruch“<br />

und „ein menschliches Armutszeugnis“<br />

attestiert der Grüne Sozialsprecher<br />

Ahmet Demir jenen AntragstellerInnen,<br />

die das Betteln auf<br />

öffentlichen Plätzen per Gemeinderatsbeschluss<br />

verbieten wollen.<br />

„Der Verfassungsgerichtshof hat in<br />

einem ähnlichen Zusammenhang<br />

das Bettelverbot in Salzburg aufgehoben,<br />

weil das Verbot gegen<br />

die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

verstößt“, klärt Demir<br />

auf. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs,<br />

so Demir, sei es unzulässig,<br />

„die Bettelei schlechthin<br />

ohne jegliche Differenzierung zu<br />

verbieten“. Die Verbannung von<br />

Notreisenden aus dem öffentlichen<br />

Raum verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.<br />

„Wenn die Gemeinde<br />

ein Bettelverbot erlassen will,<br />

muss sie die konkreten Verhältnisse,<br />

die einen Missstand darstellen sollen,<br />

durch entsprechende amtswegige<br />

Erhebungen nachweisen (§10<br />

Abs.2)“, so Demir. Da diese Materie<br />

in das Landespolizeigesetz falle,<br />

müsse die Polizeiinspektion Landeck<br />

eingebunden werden. Aktuell<br />

gebe es keine derartige Erhebung,<br />

um die notwendigen Informationen<br />

qualitativ festzustellen. „Das<br />

Verbot wird nach Gutdünken erlassen.<br />

Ich will wissen: Wie viele Übertretungen<br />

nach dem Landespolizeigesetz<br />

(LPG) gab es bis dato? Und<br />

wie viele Anzeigen wegen Verstoßes<br />

gegen das LPG sind bei der Polizei<br />

eingegangen?“, so Demir.<br />

WEITERE ERMITTLUNGEN.<br />

Bgm. Dr. Wolfgang Jörg kündigt<br />

die Ausdehnung der Ermittlungen<br />

an (dem Stadtrat sei bereits ein Bericht<br />

der Stadtpolizei vorgelegen).<br />

Es werde über eine räumliche und<br />

zeitliche (nur am Freitag während<br />

des Frischemarktes?) Einschränkung<br />

diskutiert. Bgm. Jörg geht es<br />

vor allem um die organisierte Bettelei:<br />

„Da sind, glaube ich, auch<br />

Leute dabei, die ausgenützt werden“<br />

– und da fragt er sich, was das<br />

mit sozialer Wärme zu tun habe.<br />

Es würden nun jedenfalls weitere<br />

Ermittlungen durchgeführt, ehe das<br />

Thema im Gemeinderat behandelt<br />

wird.<br />

Armut, nicht die Armen bekämpfen<br />

Bettelverbot in Landeck bleibt heiß diskutiertes Thema<br />

(dgh) <strong>LA</strong> Ahmet Demir glaubt, dass ein für Landeck diskutiertes<br />

Bettelverbot keine gesetzliche Grundlage hat. Auch die<br />

„Bettellobby Tirol“ macht sich stark gegen das Vorhaben, das im<br />

Stadtrat bereits eine Mehrheit erhalten hat.<br />

RUNDER TISCH. Der Grüne<br />

Landtagsabgeordnete schlägt einen<br />

anderen Weg vor. Er plädiert<br />

für einen Runden Tisch, bei dem<br />

die Gesamtsituation erörtert und<br />

gemeinsam mit Exekutive und ExpertInnen<br />

Lösungen ausgearbeitet<br />

werden sollen. „Wer etwas plump<br />

verbietet, will sich einem Problem<br />

nicht wirklich stellen. Wir sind aber<br />

als PolitikerInnen gewählt, um Lösungen<br />

zu erarbeiten. Ich appelliere<br />

daher an alle GemeinderätInnen<br />

nicht den Weg des Gesetzesbruchs<br />

zu gehen, sondern den Weg der Lösungsfindung.<br />

Es gilt die Armut zu<br />

bekämpfen und nicht die Ärmsten.“<br />

GEGEN VERBOT. Seine Stimme<br />

gegen ein Bettelverbot in Landeck<br />

erhebt auch die Bettellobby<br />

Tirol – sie spricht sich für eine<br />

zukunftsorientierte, an den Grundrechten<br />

orientierte Praxis aus, welche<br />

sich gegen Verbote und soziale<br />

Ausgrenzung richtet. In einem offenen<br />

Brief fordert die Bettellobby<br />

Tirol die Mitglieder des Landecker<br />

Gemeinderats auf, das geplante Bettelverbot,<br />

für das sich der Stadtrat<br />

mehrheitlich ausgesprochen hat, zu<br />

überdenken und keine voreiligen<br />

kurzsichtigen Entscheidungen zu<br />

treffen. Die Erfahrungen der Bettellobby<br />

zeigten, dass Gespräche, Austausch<br />

und Informationen Ängste<br />

abbauen, Unsicherheiten lindern<br />

und dadurch zu einem unaufgeregteren<br />

Umgang mit dem Thema in<br />

der Mehrheitsbevölkerung beitragen<br />

können. Sie plädiert daher für<br />

bewusstseinsbildende Maßnahmen<br />

und Sensibilisierung statt Verbote<br />

– denn Betteln sei für viele Menschen<br />

die einzige Möglichkeit zur<br />

Veränderung unzumutbarer Verhältnisse<br />

auf der oft vergeblichen<br />

Suche nach alternativen Verdienstmöglichkeiten.<br />

Von den Landecker<br />

PolitikerInnen erwartet sich die<br />

Bettellobby Tirol einen verantwortungsvollen<br />

und solidarischen Umgang<br />

mit bettelnden Menschen und<br />

eine offene und sachlich geführte<br />

Diskussion zum Thema Betteln:<br />

„Wir fordern einen öffentlichen<br />

Raum, der für alle nutzbar und<br />

zugänglich ist, ein Ende der Kriminalisierung<br />

von bettelnden Menschen<br />

und eine zukunftsorientierte,<br />

an den Grundrechten orientierte<br />

Praxis, welche sich gegen Verbote<br />

und soziale Ausgrenzung richtet.“<br />

Die Bettellobby Tirol appelliert an<br />

Bgm. Wolfgang Jörg: Auch Menschen,<br />

die ausgenützt werden. RS-Fotos: Archiv<br />

den Landecker Bürgermeister und<br />

alle anderen ÖVP-PolitikerInnen<br />

des Gemeinderates, sich auf ihre<br />

christlich-sozialen Grundwerte zu<br />

besinnen. Schließlich stehe es jedem<br />

Menschen offen, Menschen,<br />

die auf Unterstützung anderer angewiesen<br />

sind, zu helfen. Bettelverbote<br />

würden jedoch die Situation<br />

armutsbetroffener Menschen noch<br />

weiter verschlimmern: „Sie drängen<br />

B RIEFKASTEN<br />

Ausgabe 4/2017<br />

„Es gibt keinen Grund“<br />

Mehrheit im Landecker<br />

Stadtrat für ein Bettelverbot<br />

Endlich findet sich in der Verordnung<br />

eines Bettelverbots eine<br />

Möglichkeit, sich politisch zu profilieren,<br />

nachdem in der Stadt viele<br />

Chancen etwas voranzubringen ungenutzt<br />

bleiben. Denken wir an das<br />

alte Kino, wo wegen provinziellem<br />

Polithickhack jahrelang nichts weitergeht.<br />

Die Blauen sind die Vordenker<br />

und die Bürgermeisterfraktion lässt<br />

sich vor den menschlich verwerflichen<br />

Karren spannen. Aus meiner<br />

Sicht ist das eine Schande für eine<br />

christlich-soziale Partei. Ich frage<br />

Die hier veröffentlichten Zuschriften geben die Meinung des Verfassers wieder.<br />

GR Ahmet Demir: als PolitikerInnen gewählt,<br />

um Lösungen zu erarbeiten.<br />

armutsbetroffene Menschen zunehmend<br />

von öffentlichen Plätzen, in<br />

die Kriminalität und weiter an den<br />

Rand der Gesellschaft. Armut und<br />

damit der Grund des Bettelns bleibt<br />

hingegen bestehen. Bettelverbote<br />

sind jedoch keine Lösung für eine<br />

Problematik, die strukturelle Ursachen<br />

hat. Es gilt die Armut zu beseitigen<br />

und nicht die von Armut<br />

betroffenen Menschen.“<br />

mich, wie das zu vereinen ist, eifrige<br />

Kirchgänge, Teilnahme an Prozessionen,<br />

wenn möglich auch gleich<br />

hinterm Himmel! Auf der anderen<br />

Seite schlimmste Aktionen gegen<br />

die Menschlichkeit. Das soll ihnen<br />

in Landeck kein Glück bringen, sich<br />

von den Populisten so dirigieren zu<br />

lassen. Ich für mich werde meine<br />

Sympathien künftig anderweitig dosieren.<br />

Dem Ahmet (Anm. d. Red.: Grün-<br />

<strong>LA</strong> GR Ahmet Demir) alle Achtung,<br />

er ist der Einzige in unserem Stadtparlament,<br />

der die richtigen Worte<br />

zu diesem menschlichen Skandal<br />

fand und den Sozis, deren Aufschrei<br />

man vermisst, denen ruf ich zu:<br />

„Seid ihr zu feig, zu sein dieselben<br />

in Wort und Tat wie in euren Träumen?“<br />

Mag. Karl Graber, Landeck<br />

E-Mail: leserbrief@rundschau.at<br />

RUNDSCHAU Seite 20 8./9. Februar 2017

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