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Lern- und Bildungsprozesse im Europäischen Freiwilligendienst

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10.3 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Als wichtigstes Ergebnis bleibt festzuhalten,<br />

dass die größten Kompetenzgewinne der Freiwilligen<br />

durch die Teilnahme am EFD <strong>im</strong> Bereich<br />

der Persönlichkeitsentwicklung zu suchen<br />

sind. Viele Jugendliche finden hier erstmals die<br />

Gelegenheit, ihr Leben weitgehend selbstständig<br />

zu gestalten.<br />

Das „Auf-sich-selbst-gestellt-Sein” in einem<br />

Land, dessen Sprache die Jugendlichen zumeist<br />

nur unvollkommen beherrschen, sowie die kontinuierliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Tätigkeitsbereich<br />

der Einsatzstelle ermöglichen es<br />

ihnen kaum, „aus dem Feld zu gehen”. Vielmehr<br />

sehen sie sich gezwungen, Probleme anzugehen,<br />

sich anderen verständlich zu machen <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt auch, mit sich selbst <strong>und</strong> anderen geduldiger<br />

zu werden <strong>und</strong> ihnen zuzuhören – Begriffe,<br />

die in den Antworten <strong>im</strong>mer wieder auftauchen.<br />

Die Herausforderung, sowohl passivrezeptive<br />

als auch aktiv-handlungsorientierte<br />

persönliche Qualitäten zu entwickeln, führt erstaunlicherweise<br />

in der Regel nicht zu einer<br />

Überforderung, sondern forciert die persönliche<br />

Reifung in einem für die Freiwilligen selbst<br />

bemerkenswerten Umfang.<br />

Neben den <strong>im</strong> engeren Sinne persönlichkeitsbildenden<br />

Kompetenzen kommt – erwartungsgemäß<br />

– dem Bereich interkulturelles <strong>Lern</strong>en eine<br />

besondere Bedeutung zu. Es ist allerdings<br />

durchaus bemerkenswert, dass dieser dem internationalen<br />

Charakter des <strong>Freiwilligendienst</strong>es<br />

geschuldete „europäische Mehrwert” ohne das<br />

Durchleben nennenswerter persönlicher Krisen<br />

erreicht zu werden scheint.<br />

Demgegenüber treten instrumentelle Fähigkeiten<br />

wie Spracherwerb, Teamfähigkeit <strong>und</strong> Flexibilität<br />

als berufliche Qualifikationen deutlich in<br />

den Hintergr<strong>und</strong>. Dies sollte jedoch nicht dahingehend<br />

interpretiert werden, dass dem EFD<br />

nur eine geringe Bedeutung <strong>im</strong> beruflichen Bereich<br />

zukommt. Zum einen wirkt sich der enorme<br />

Zugewinn an persönlichen Ressourcen mit<br />

an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

auch hinsichtlich des weiteren beruflichen<br />

Lebensweges der TeilnehmerInnen aus, selbst<br />

wenn dies von ihnen <strong>im</strong> Moment noch nicht so<br />

stark thematisiert wird; zum anderen gilt es festzuhalten,<br />

dass <strong>im</strong> beruflichen Zusammenhang in<br />

den Antworten weniger der unmittelbare Kompetenzerwerb<br />

<strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> steht, sondern<br />

viel mehr die „Klärung des Berufsziels” als starke<br />

Wirkung des EFD auffällt. Diese deutlichen<br />

beruflichen Klärungen erfolgen hierbei entweder<br />

dadurch, dass das ursprüngliche Berufsbild<br />

verstärkt oder aber EFD-bedingt verworfen<br />

wird. Auch das Abwenden vom ursprünglichen<br />

Berufsziel erfolgt in der Regel jedoch nicht<br />

resignativ, sondern beinhaltet nicht selten die<br />

Bereitschaft, in dem ursprünglich beruflich<br />

avisierten Bereich nun lieber ehrenamtlich aktiv<br />

zu werden. Die Tätigkeit in der Einsatzstelle<br />

bewirkt in beiden Fällen eine realistischere<br />

Einschätzung des Berufsfeldes, die mit der Einschätzung<br />

der eigenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Potenziale<br />

abgeglichen wird. Die diesbezüglichen Äußerungen<br />

sind – in Anbetracht des niedrigen<br />

Durchschnittsalters der Freiwilligen – bereits<br />

erstaunlich realitätsbezogen <strong>und</strong> können als<br />

Ausdruck persönlicher Reife angesehen werden.<br />

Was den Bereich der politischen Bildung, speziell<br />

die Auseinandersetzung mit dem Topos<br />

„Europäische Integration” angeht, so kann hinsichtlich<br />

der Letzteren zwar ein Akzeptanzzuwachs<br />

festgestellt werden, es bleibt aber<br />

durchaus zweifelhaft, inwieweit dies mit einem<br />

Zugewinn an Reflexivität der Auseinandersetzung<br />

mit politischen Vorgängen einhergeht.<br />

„Europa” wird von den Jugendlichen doch sehr<br />

stark mit Reisefreiheit <strong>und</strong> dem Gewinn persönlicher<br />

Fre<strong>und</strong>schaften mit Menschen aus<br />

dem Gastland gleichgesetzt. Die Vorstellung,<br />

der EFD erbringe quasi automatisch einen<br />

„Mehrwert” <strong>im</strong> Bereich der politischen Bildung,<br />

speziell <strong>im</strong> Hinblick auf den Prozess der<br />

europäischen Integration, wird durch die Studie<br />

widerlegt. Im Gegenteil kontrastiert die abstrakt-klischeehafte,<br />

ausweichende oder fragmentierte<br />

Auseinandersetzung mit diesem Thema<br />

sehr stark mit den oben genannten, durch ein<br />

hohes Maß an Realitätsbezogenheit <strong>und</strong> persönlicher<br />

Reife gekennzeichneten Äußerungen <strong>im</strong><br />

Kontext persönlicher <strong>und</strong> beruflicher Fragestellungen.<br />

Dieser Bereich muss daher als Einziger<br />

als defizitär bezeichnet werden. Qualität <strong>und</strong><br />

Quantität entsprechender flankierender Maßnahmen<br />

<strong>im</strong> Programmkontext sollten evaluiert<br />

<strong>und</strong> verbessert werden.<br />

In der Gesamtwürdigung zeigt sich ein unterschiedlicher<br />

Handlungsbedarf hinsichtlich der<br />

weiteren Programmentwicklung. Im persönlichen<br />

Bereich wäre eine begleitende Betreuung<br />

angemessen, da sich hier enorme subjektive<br />

Veränderungsprozesse vollziehen, welche nicht<br />

selten krisenhaft erlebt werden. Der Bereich der<br />

beruflichen Klärung ist dagegen wesentlich unproblematischer,<br />

sodass hier eine intensivere<br />

Begleitung nicht erforderlich zu sein scheint.<br />

Auch was den nicht sehr bedeutsamen Erwerb<br />

der dem beruflichen Kontext unmittelbar zugeordneten<br />

Qualifikationen angeht, ergibt sich aus<br />

der vorliegenden Untersuchung kein zwingender<br />

Handlungsbedarf, da diese Kompetenzen<br />

mittelbar über die Persönlichkeitsentwicklung<br />

quasi mit erworben werden; die <strong>im</strong> beruflichen<br />

Kontext empirisch ohnehin wesentlich relevantere<br />

Klärung des Berufsziels verläuft als Wirkung<br />

des EFD zudem völlig unproblematisch.<br />

10 Zusammenfassung <strong>und</strong> Empfehlungen<br />

91

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