Lern- und Bildungsprozesse im Europäischen Freiwilligendienst
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vorgaben von keinem Träger ausdrücklich zur<br />
Voraussetzung gemacht. Allerdings ergibt sich<br />
aus dem Anforderungsprofil, dass am ehesten<br />
AbiturientInnen diesem entsprechen.<br />
Neben den personenbezogenen Kriterien werden<br />
bei der Auswahl auch prozedurale Kriterien<br />
verwendet. In dieser Weise wirken sich zum<br />
Beispiel nicht selten die von den Freiwilligen<br />
ausgedrückten Länderprioritäten sowie die tatsächliche<br />
oder vermutete Eignung für eine spezielle<br />
Einsatzstelle aus – für ein Land beziehungsweise<br />
für ein Projekt wird gezielt nach geeigneten<br />
Freiwilligen gesucht. 81<br />
8.4.2.1.2 Negativkriterien<br />
Als Negativkriterien werden vereinzelt genannt:<br />
- Fehlende Offenheit gegenüber den Entscheidungen<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten anderer:<br />
„Wir nehmen niemanden, der sagt, er habe eine<br />
Stelle <strong>und</strong> ausschließlich dorthin wolle er gehen.<br />
Wenn Freiwillige nicht offen sind, in andere Einsatzstellen,<br />
andere Länder zu gehen...”<br />
- Fehlende Vorkenntnisse beziehungsweise Erfahrungen<br />
<strong>im</strong> geplanten Einsatzbereich:<br />
„Jemanden vorzuschlagen, der in dem [Einsatz-]Bereich<br />
noch nichts gemacht hat, ist meistens<br />
aussichtslos.”<br />
„Ich hab’ lieber Leute, die konkretere Vorstellungen<br />
haben über das gewünschte Land oder<br />
das spezielle Thema. Leute, denen alles egal ist,<br />
sind dann eher zweite Wahl.”<br />
- Ein starkes persönliches Motiv der Flucht aus<br />
dem Elternhaus<br />
In allen drei Fällen liegen jedoch auch Äußerungen<br />
anderer Gesprächspartner vor, dass sie<br />
ihrerseits diese Gesichtspunkte ausdrücklich<br />
nicht bei der Freiwilligenauswahl berücksichtigen<br />
<strong>und</strong> bei Vorliegen auch keinen Hinderungsgr<strong>und</strong><br />
für eine erfolgreiche Vermittlung sehen.<br />
8.4.2.1.3 Steuerwirkung der Auswahlkriterien<br />
Die steuernde Wirkung der Kriterien auf die<br />
Auswahl der Freiwilligen wie auf die später erwartbaren<br />
<strong>Lern</strong>prozesse ist evident <strong>und</strong> wird<br />
von den Gesprächspartnern zumeist bewusst<br />
geplant <strong>und</strong> eingesetzt.<br />
Dies geschieht teilweise auch in dem Bewusstsein,<br />
dass die kumulative Wirkung der Kriterien<br />
jenen Filtereffekt erzeugt, der eigentlich nicht<br />
beabsichtigt <strong>und</strong> in keinem Fall programmatisch<br />
formuliert ist:<br />
81 siehe Kapitel 8.4.4 zum “Matching-Prozess”, S. 117<br />
8 <strong>Lern</strong>prozesse <strong>und</strong> Kompetenzerwerb aus Sicht der Entsendeorganisationen<br />
„Generell hat der, der Abitur hat, einen ganz<br />
anderen Horizont, von den Sprachen <strong>und</strong> von<br />
seiner Bildung her.”<br />
8.4.2.2 Organisatorische Aspekte des<br />
Auswahlverfahrens<br />
Auch das Auswahlverfahren für die ins Ausland<br />
gehenden Freiwilligen ist unterschiedlich ausgestaltet.<br />
Einige Träger (vor allem aus der oben<br />
beschriebenen ersten Trägergruppe) entscheiden<br />
rein „nach Aktenlage”. Hier werden interessierte<br />
Jugendliche ausschließlich auf der Basis<br />
des standardisierten Antragsformulars1 <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
zusätzlich erfragter Angaben zum<br />
gewünschten Einsatzland akzeptiert (oder abgelehnt).<br />
Die meisten Träger gehen, soweit sie nicht die<br />
interessierten Jugendlichen bereits aus ihrer bisherigen<br />
Arbeit kennen, jedoch erheblich weiter:<br />
- Die meisten Träger versuchen, sich ein persönliches<br />
Bild zu verschaffen, <strong>und</strong> nutzen dazu –<br />
wenn möglich – die Vorbereitungs- <strong>und</strong> Orientierungsseminare.<br />
Wenn dies nicht möglich ist,<br />
wird zumindest ein persönliches Gespräch oder<br />
ein Telefongespräch geführt. Teilweise wird<br />
auch den in Aussicht genommenen Aufnahmeprojekten<br />
eine Mitsprachemöglichkeit eingeräumt.<br />
- Einige Träger fordern von den interessierten<br />
Jugendlichen ausführliche schriftliche Bewerbungen.<br />
Ein Träger legt insbesondere Wert auf<br />
eine aussagekräftige Darstellung der persönlichen<br />
Sozialisation:<br />
„Dahinter verbirgt sich unsere Erfahrung, dass<br />
ein hochidealistischer Mensch bei uns in der Gefahr<br />
steht zu scheitern.”<br />
- Ein Träger verlangt die Vorlage von vier Referenzen.<br />
- Einige Träger laden Interessenten (teilweise ergänzend<br />
zu den Vorbereitungsseminaren) zu<br />
persönlichen Einzelinterviews ein oder versuchen,<br />
sich telefonisch ein Bild zu machen:<br />
„Kein Freiwilliger wird vermittelt, mit dem<br />
nicht vorher gesprochen wurde.”<br />
Eine Steuerwirkung der unterschiedlichen Verfahrensansätze<br />
lässt sich nach den Angaben der<br />
Gesprächspartner erwarten, jedoch mit den hier<br />
erhobenen Daten allein nicht belegen.<br />
82 Derzeit das zwei Seiten umfassende sogenannte “Freiwilligendatenblatt”,<br />
das Angaben über die folgenden Parameter abfragt:<br />
erreichter Bildungsabschluß, Sprachfertigkeiten, derzeitige sozioprofessionelle<br />
Kategorie (Beschäftigter, Arbeitsloser, in Ausbildung/<br />
Studium, andere), Vorerfahrung mit <strong>Freiwilligendienst</strong>en/ehrenamtlicher<br />
Arbeit, besondere Bedürfnisse, Führerscheinbesitz, besondere<br />
Fähigkeiten, Beschreibung der Motivation, Einschätzung des<br />
eigenen Charakters.<br />
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