Lern- und Bildungsprozesse im Europäischen Freiwilligendienst
Lern- und Bildungsprozesse im Europäischen Freiwilligendienst
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Träger selbst. Typische Motivationen sind hierbei<br />
etwa „Neue Horizonte für den ländlichen<br />
Raum öffnen”, „Zu Toleranz beitragen”, „Ausländerfeindlichkeit<br />
abbauen” oder „Internationale<br />
Kontakte schaffen”.<br />
Typische Vertreter dieser recht kleinen Gruppe<br />
sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes<br />
beziehungsweise Teile von Stadtverwaltungen,<br />
die internationale Kontakte aufbauen oder bereits<br />
bestehende Kontakte beispielsweise <strong>im</strong><br />
Rahmen von Städtepartnerschaften ausbauen<br />
wollen, oder kleinere gemeinnützige Vereine,<br />
die erstmals Erfahrungen mit Freiwilligenprogrammen<br />
sammeln <strong>und</strong> gleichfalls den Anschluss<br />
an Tätigkeitsfelder <strong>im</strong> internationalen<br />
Sektor suchen.<br />
Vertreter von Trägern der ersten Gruppe berichten<br />
zumeist von einer Umsetzung des <strong>Freiwilligendienst</strong>es,<br />
die soweit wie möglich an die<br />
idealtypischen Vorgaben des EFD-Konzeptes<br />
herangebracht wird <strong>und</strong> darüber allerdings häufig<br />
auch nicht hinausgeht. Die Verwaltungsschritte<br />
müssen teilweise völlig neu aufgebaut<br />
werden, was zumindest in der Anfangsphase des<br />
EFD häufig zu zusätzlichen Belastungen für alle<br />
Beteiligten geführt hat.<br />
Streben diese Träger eine längerfristige Partnerschaft<br />
(Aufbau eines Netzwerkes) an, wie dies<br />
einige Träger <strong>im</strong> Interview angegeben haben,<br />
neigen sie dazu, eher mit Organisationen zusammenzuarbeiten,<br />
mit denen ein direkter Austausch<br />
möglich ist, das heißt, beide Organisationen<br />
treten dann als Entsende- <strong>und</strong> Aufnahmeorganisation<br />
in Erscheinung.<br />
In einer zweiten Gruppe von Trägern (zu der<br />
auch die „klassischen” <strong>Freiwilligendienst</strong>-Organisationen<br />
gehören) liegen dem EFD vergleichbare<br />
eigenständige <strong>und</strong> historisch meist<br />
auch wesentlich ältere Zielsetzungen (<strong>und</strong> Erfahrungen)<br />
vor. Das Engagement <strong>im</strong> EFD ist<br />
eine relativ „junge” Entwicklung <strong>und</strong> teilweise<br />
erst nach längeren internen Willensbildungsprozessen<br />
zu Stande gekommen. Die Mitwirkung<br />
am EFD wird hier intern ständig mit<br />
„eigenen” Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit<br />
beziehungsweise anderen <strong>Freiwilligendienst</strong>en<br />
verglichen, <strong>und</strong> es wird dafür Sorge<br />
getragen, dass aus dem EFD-Engagement keine<br />
Störung der anderen Programmabläufe entsteht.<br />
Die programmatischen Zielsetzungen der Träger<br />
werden – ebenso wie die Verwaltungspraxis<br />
– wegen des EFD nicht gr<strong>und</strong>legend geändert.<br />
In dieser zweiten Trägergruppe existieren teilweise<br />
deutlich von den Erwartungen der <strong>Europäischen</strong><br />
Union abweichende Zielvorstellungen:<br />
8 <strong>Lern</strong>prozesse <strong>und</strong> Kompetenzerwerb aus Sicht der Entsendeorganisationen<br />
„Also wenn jetzt sechzig glückliche Jugendliche<br />
[nach dem <strong>Freiwilligendienst</strong>] zurückkommen,<br />
die dann hier genau das Gleiche weitermachen<br />
wie vorher, wäre mein Ziel nicht erreicht. Das<br />
Ziel der <strong>Europäischen</strong> Kommission wäre damit<br />
vielleicht erreicht... Ich denke, be<strong>im</strong> EFD bestehen<br />
schon Unterschiede zu dem, was wir wollen,<br />
die Zielsetzung ist nicht ganz die gleiche. Andererseits<br />
sind [die Ziele] auch nicht so diametral<br />
entgegengesetzt... Der EFD hat sich jetzt nicht<br />
‚Gerechtigkeit‘ auf’s Banner geschrieben, <strong>und</strong><br />
trotzdem denke ich, dass wir unsere Arbeit darin<br />
machen können.”<br />
„Wir vollziehen diese thematisch-konzeptionelle<br />
weite Perspektive des <strong>Europäischen</strong> Freiwilligenprogramms<br />
so nicht nach. Für mich ist es<br />
nicht verständlich, dass die Fußballweltmeisterschaft<br />
mit zwanzig Freiwilligen [ausgestattet<br />
wird.]... Unsere Ausgangsbasis für den Dienst ist<br />
das Bekenntnis zur Menschenwürde, das Eintreten<br />
für Menschenrechte. Und wer an der Stelle<br />
mitgeht, der kann <strong>im</strong> <strong>Freiwilligendienst</strong> mitgehen.”<br />
„Negativ wirkte sich in der Diskussion sehr stark<br />
der Fakt aus, dass der EFD eben ein innereuropäisches<br />
Programm ist, die Sorge, ob sich das auf<br />
unsere Partner in der Dritten Welt auswirkt.<br />
Also wir sind da sehr zögerlich.”<br />
„Wir möchten nicht, dass der <strong>Freiwilligendienst</strong><br />
zu stark auf die eigenen Interessen [der Freiwilligen]<br />
hin instrumentalisiert wird. Der <strong>Freiwilligendienst</strong><br />
darf nicht Mittel zum Zweck sein.”<br />
„Uns geht es nicht vorrangig um die individuellen<br />
Erfahrungen [der Freiwilligen], sondern vor<br />
allem um den Nutzen [des Programms] für das<br />
Projekt vor Ort.”<br />
Durch die Integration (oder zumindest die produktive<br />
Koexistenz) des EFD mit anderen Programmen<br />
ein <strong>und</strong> desselben Trägers unter einem<br />
organisatorischen Dach entstehen in dieser Trägergruppe<br />
typischerweise die folgenden Konstellationen:<br />
- Die pädagogischen Qualitätsstandards anderer,<br />
vergleichbarer Programme werden auf den<br />
EFD übertragen.<br />
- Wesentliche Teile der Programmabwicklung –<br />
Ausschreibung, Teilnehmerrekrutierung, Vorbereitung<br />
der Teilnehmer <strong>und</strong> Aufnahmeprojekte<br />
– werden analog gestaltet <strong>und</strong> teilweise<br />
integriert.<br />
- Die für andere Programme aufgebauten Netzwerke<br />
(ausländische Partner, inländische Projekte,<br />
Ehrenamtlichen-Struktur) werden soweit<br />
wie möglich auch für den EFD genutzt.<br />
- Die EFD-TeilnehmerInnen arbeiten häufig<br />
mit TeilnehmerInnen anderer Freiwilligenprogramme<br />
zusammen.<br />
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