Gsungen & G\'spielt 4/2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
INT´RESSANTERWEIS<br />
alten Klöpflerlied: „Heut ist die heilige<br />
Klöpfelnacht, Wo ma Nudl und Küchl<br />
bacht, Nudl heraus, Küchl heraus! Oder<br />
wir schlagen ein Loch ins Haus“.<br />
Seit vielen Jahren hat aber eine Umgestaltung<br />
des Brauches stattgefunden:<br />
Der Brauch wird von den Trägern und<br />
Organisatoren oftmals mit dem „Herbergsuchen“<br />
verwechselt und vermischt.<br />
Der Hinter- bzw. Beweggrund hierfür<br />
ist, dass das Lied „Wer klopfet an ...?“<br />
wohl irritierend wirkt. Das Herbergsuchen<br />
hat aber eine ganz andere Tradition<br />
und kann erst später, ca. seit dem<br />
16. Jahrhundert, als verbreiteter Brauch<br />
nachgewiesen werden. Erstmals taucht<br />
das Herbergsuchen in Weihnachtsspielen<br />
auf und wurde dann als (Heische-)<br />
Brauch neu installiert: gewissermaßen<br />
als ein in die volkstümliche Praxis umgesetztes<br />
Theaterereignis.<br />
Fakt ist also, dass sich beide Bräuche in<br />
ihren Aufführungsformen oftmals vermischen<br />
und die thematische Intention<br />
allein durch ein Lied verloren geht.<br />
Frautragen<br />
Ein kleiner, aber feiner Brauch ist das<br />
„Frautragen“ – heute noch im Tiroler<br />
Unterland, u. a. in der Wildschönau<br />
praktiziert. Ein Marienbild (manchmal<br />
auch eine Darstellung vom Herbergsuchen<br />
oder von Maria Heimsuchung)<br />
wird im Laufe des Advents so weitergereicht,<br />
dass jede beteiligte Familie einen<br />
Tag lang die „Frauentafel“ beherbergt.<br />
Nach dem Betläuten um 18:00 Uhr wird<br />
das Bild ins nächste Haus gebracht,<br />
man betet und singt Adventlieder. Das<br />
Repertoire der Lieder beschränkt sich<br />
auf „Klassiker“, und so manche Familie<br />
bietet auch musikalische Begleitung und<br />
besondere Liedtexte zum Mitsingen. Es<br />
ist kein lauter Brauch, es ist ein Zusammenkommen<br />
von Familien mit wenigen,<br />
aber einprägsamen Momenten.<br />
Kindlwiegen<br />
Völlig abgekommen ist der Brauch des<br />
Kindlwiegens, auch wenn es vor einigen<br />
Jahren Versuche in Innsbruck gegeben<br />
hat, diesen wiederzubeleben. Vornehmlich<br />
gab es das Kindlwiegen im städtischen<br />
Bereich, wo arme Frauen mit<br />
ihren Kleinkindern in die Bürgerhäuser<br />
kamen. Das kleine Kind (symbolisch für<br />
das Christkind stehend) wurde in eine<br />
Wiege gelegt und die Frauen sangen<br />
Weihnachts- bzw. Wiegenlieder. Auch<br />
dieser Brauch ist eine theatralische,<br />
volksnahe Ableitung aus der Klostertradition,<br />
wo in Frauenorden zu Weihnachten<br />
während der Mette das Christkind<br />
von den Nonnen gewiegt wurde.<br />
Dramatische Elemente während der<br />
Weihnachtszeit<br />
Fernab dieser eher kleinen und vorwiegend<br />
im familiär bestimmten Raum<br />
stattfindenden Bräuche boomen seit einigen<br />
Jahrzehnten Adventsingen, Hirten-<br />
und Weihnachtsspiele. Der Hintergrund<br />
hierfür sind spätmittelalterliche<br />
bzw. barocke (religiöse) Theateraufführungen,<br />
die eines zum Ziel hatten: einem<br />
breiten Publikum die weihnachtliche<br />
Heilsgeschichte möglichst dramatisch<br />
und eindringlich vor Augen zu halten.<br />
Es ging und geht um Sinnlichkeit, um<br />
das Erlebnis Weihnacht zu vermitteln.<br />
Und ganz prinzipiell: Es gibt nicht das<br />
eine ultimative Tiroler Krippenspiel<br />
bzw. Tiroler Adventsingen.<br />
Schon vor mehr als 400 Jahren erfreuten<br />
sich derartige (vor)weihnachtliche<br />
Aufführungen großer Beliebtheit. Und<br />
gerade auch zu dieser Zeit entstanden<br />
viele Weihnachtslieder – von ganz<br />
unterschiedlichen Komponisten und<br />
Musikanten. Gesangsbücher oder Liedschriften<br />
im herkömmlichen Sinne gab<br />
es damals noch nicht. Vielmehr kolportierte<br />
man die neuen Melodien und<br />
Texte über Flugblätter. Und nur wer des<br />
Lesens kundig war, konnte damit etwas<br />
anfangen. Aber Melodien konnte man<br />
als versierter Musikant nachspielen:<br />
Und gerade dies machte den Erfolg der<br />
Spiele und Aufführungen aus.<br />
Hirtenspiele<br />
Allen voran sei hier der im gesamten<br />
Alpenraum bekannte „Hirtenschlaf“ erwähnt:<br />
Ein Engel weckt die schlafenden<br />
Hirten, kündet ihnen von der Geburt des<br />
Heilands und weist ihnen den Weg zur<br />
Krippe. Dies erfolgt mit Gesprächen,<br />
aber nicht zuletzt auch mit Gesängen,<br />
die eines verband: Volksnah sollte es<br />
sein. Wesentlichen Anteil an der Verbreitung<br />
dieser Spiele (mit großem Anteil<br />
an Liedgut) hatten nicht zuletzt die<br />
Jesuiten. Ihnen war es ein vordringliches<br />
Anliegen, auch damit das Alltagsleben<br />
der Menschen zu beeinflussen. Und so<br />
verwundert es auch nicht, dass in dieses<br />
weihnachtliche Repertoire auch viele<br />
Weltlebensszenarien miteinflossen:<br />
Missgunst, Neid, Trunkenheit, Unzüchtigkeit,<br />
Streit u. a. wurden volksnah dramatisiert.<br />
Reste von diesen ehemaligen<br />
Thematiken gibt es heute nur noch bei<br />
den traditionellen Nikolausspielen.<br />
Bei den Hirten- und Krippenspielen<br />
heutzutage distanziert man sich weitgehend<br />
von derartigen deftigen Szenen.<br />
Grund hierfür ist nicht zuletzt die Tatsache,<br />
dass es vor allem Kinder bzw.Schüler<br />
sind, die als Protagonisten agieren.<br />
Das Lied- und Spielgut orientiert sich an<br />
den Spielleitern, an den Organisatoren.<br />
Adventsingen<br />
Nicht zu vergessen sind natürlich auch<br />
die zahlreichen Adventsingen im ganzen<br />
Land. Hierbei irritiert vielleicht<br />
bisweilen die Bezeichnung: Denn hier<br />
wird nicht nur – nomen est omen – heimisches<br />
Liedgut präsentiert, sondern es<br />
wird auch musiziert zum Teil zumindest<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 41. JAHRGANG | HEFT 03 | SEPTEMBER <strong>2016</strong><br />
9