O+P Fluidtechnik 4/2017
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VERBINDUNGSELEMENTE<br />
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED<br />
4.2. VOLUMENÄNDERUNGSFUNKTION FÜR<br />
UNBEHINDERTE AXIALDEHNUNG<br />
Bei unbehinderter Axialdehnung müssen sowohl die tangentialen<br />
als auch die axialen Beiträge zur Volumenänderungsfunktion ψ berücksichtigt<br />
werden. Für diese gilt damit:<br />
( ) d σϕ<br />
d σ<br />
2 3 ( 1 2 )<br />
d<br />
r<br />
σz<br />
ψ = −µ − µ + − µ<br />
(28)<br />
dp dp dp<br />
Wie Gleichung 28 zeigt, hängt die Volumenänderungsfunktion neben<br />
den Tangential- und Radialspannungen im vorliegenden Fall<br />
auch von der axialen Spannung ab. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />
n Verschwindende Axialspannung (σ z<br />
= 0)<br />
n Durch anschließende Bauteile induzierte Axialspannung (σ z<br />
≠ 0)<br />
Eine unbehinderte axiale Dehnung mit verschwindender Axialspannung<br />
stellt sich beispielsweise dann ein, wenn die betrachtete<br />
Leitung mit Dehnungskompensatoren ausgestattet ist. Durch die<br />
Kompensatoren wird eine näherungsweise unbehinderte axiale<br />
Dehnung ermöglicht, bei der sich keine nennenswerte axiale Spannung<br />
einstellen kann.<br />
Der Fall einer axialen Belastung des Rohres durch Druckkräfte<br />
tritt zum Beispiel dann auf, wenn ein einseitig fest eingespanntes<br />
Rohr am gegenüberliegenden Rohrende durch einen Rohrkrümmer<br />
abgeschlossen wird. Bei Vernachlässigung der Biegesteifigkeit<br />
der an den Krümmer anschließenden Rohre kann davon ausgegangen<br />
werden, dass sich das Rohr frei dehnen kann, wobei neben der<br />
vom Krümmer ausgeübten Axialspannung auch die Querkontraktion<br />
infolge der radialen und tangentialen Beanspruchung zur Längenänderung<br />
beiträgt. Die als über dem Rohrradius konstant angenommene<br />
axiale Spannung σ z<br />
berechnet sich in diesem Fall zu:<br />
2<br />
ϲ<br />
σ<br />
z<br />
=∆p<br />
(29)<br />
2<br />
1−<br />
ϲ<br />
Substitution der Spannungen in Gleichung 28 ergibt die in<br />
Tabelle 03 aufgeführten Volumenänderungsfunktionen:<br />
Modell ε ≠ 0, σ = 0 Quelle ε ≠0, σ ≠0<br />
Quelle<br />
Exakt [2] [2]<br />
2 ⎛1<br />
⎞<br />
2 1<br />
1+ µ + 2ϲ<br />
⎛ ⎞<br />
⎜ − µ ⎟ 1+ µ + 3ϲ<br />
⎜ − µ<br />
2<br />
⎟<br />
2 [4]<br />
2<br />
⎝ ⎠<br />
2<br />
⎝ ⎠<br />
2<br />
2<br />
1−<br />
ϲ<br />
1−<br />
ϲ<br />
Dünnwandig<br />
z<br />
z<br />
⎛ µ ⎞d<br />
⎜1−<br />
⎟<br />
⎝ 2 ⎠ e<br />
[3] 2− µ + 3ϲ<br />
1−<br />
µ –<br />
ϲ<br />
2<br />
1−<br />
ϲ<br />
Tabelle 03 Volumenänderungsfunktionen ψ für Rohre mit<br />
unbehinderter Axialdehnung<br />
z<br />
z<br />
( )<br />
Im Folgenden sollen die Auswirkungen der angegebenen Volumenänderungsfunktionen<br />
auf die Schallgeschwindigkeit untersucht<br />
werden.<br />
4.3. EINFLUSS DER RANDBEDINGUNGEN<br />
Die Volumenänderungsfunktionen hängen neben den Randbedingungen<br />
auch von der Querkontraktionszahl der Leitungswand ab.<br />
Typische Konstruktionswerkstoffe für Rohr- und Schlauchleitungen<br />
weisen Querkontraktionszahlen im Bereich 0,3 < μ < 0,5 auf, weswegen<br />
diese beiden „Grenzwerte“ für die folgenden Betrachtungen<br />
im Vordergrund stehen.<br />
Eine Querkontraktionszahl μ = 0,5 (z. B. Gummi) bedeutet bei isotropen<br />
Werkstoffen, dass durch eine Spannungsänderung praktisch<br />
keine Volumen- bzw. Dichteänderung des Wandmaterials induziert<br />
werden kann, d. h. näherungsweise inkompressibles Verhalten vorliegt<br />
(K → ∞). Bei Werkstoffen mit dieser Eigenschaft fallen die<br />
Volumenänderungsfunktionen für die drei behandelten Randbedingungen<br />
zusammen und nehmen den folgenden Wert an:<br />
3<br />
ψ ( µ = 0,5 ) = (30)<br />
2<br />
1 − ϲ<br />
Für (näherungsweise) inkompressible Werkstoffe erübrigt sich daher<br />
eine Unterscheidung der vorgestellten Volumenänderungsfunktionen<br />
und die oben stehende Beziehung kann unabhängig<br />
von der Lagerungsart der Leitung verwendet werden.<br />
Mit abnehmender Querkontraktionszahl differieren die Volumenänderungsfunktionen<br />
für verschiedene Randbedingungen dagegen<br />
teilweise deutlich, wie Bild 02 entnommen werden kann.<br />
Dieses zeigt die Verläufe der verschiedenen Volumenänderungsfunktionen<br />
beim unteren Grenzfall μ = 0,3 sowie – zum Vergleich –<br />
den Verlauf der einzigen Volumenänderungsfunktion für μ = 0,5 im<br />
technisch relevanten Wandstärkenbereich (e/d > 0,01).<br />
Die Abweichungen zwischen den Volumenänderungsfunktionen<br />
für die verschiedenen Randbedingungen nehmen mit abnehmender<br />
relativer Wandstärke zu. Die größte Abweichung stellt sich<br />
zwischen den Lagerungsfällen „unbehinderte Axialdehnung bei<br />
nicht verschwindender Axialspannung“ (ε z<br />
≠ 0, σ z<br />
≠ 0, Fall „A“) und<br />
„unbehinderte Axialdehnung bei verschwindender Axialspannung“<br />
(ε z<br />
≠ 0, σ z<br />
= 0, Fall „B“) ein. Der Fehler, der in die Berechnung der effektiven<br />
Schallgeschwindigkeit durch die Auswahl einer unpassenden<br />
Volumenänderungsfunktion eingeführt wird, ist demnach<br />
bei Verwechslung dieser beiden Lagerungsfälle und bei sehr kleiner<br />
relativer Wandstärke (e/d → 0 bzw. ϱ → 1) am größten. Dieses Beispiel<br />
bietet sich daher an, um den Einfluss der Randbedingungen<br />
auf die effektive Schallgeschwindigkeit zu untersuchen.<br />
Als Fehlermaß wird dazu die relative Abweichung der Schallgeschwindigkeit<br />
∆a/a verwendet. Nimmt man – zwecks konservativer<br />
Abschätzung – die kleiner ausfallende Schallgeschwindigkeit bei<br />
Lagerungsfall „A“ als Bezugsgröße, so kann folgender Ausdruck für<br />
das Fehlermaß hergeleitet werden:<br />
2 Ks<br />
⎡<br />
2⎛1<br />
⎞⎤<br />
( 1− ϲ ) + 2 1 3<br />
a<br />
E<br />
⎢ + µ + ϲ ⎜ − µ ⎟<br />
∆ 2<br />
⎥<br />
⎝ ⎠<br />
=<br />
⎣<br />
⎦<br />
−1 (31)<br />
a<br />
2 Ks<br />
⎡<br />
2⎛1<br />
⎞⎤<br />
( 1− ϲ ) + 2 1+ µ + 2 ⎜ − µ ⎟<br />
E<br />
⎢ ϲ<br />
2<br />
⎥<br />
⎣ ⎝ ⎠⎦<br />
Neben der relativen Wandstärke und der Querkontraktionszahl<br />
hängt der Fehler zusätzlich vom Steifigkeitsverhältnis K s<br />
/E von<br />
Fluid und Rohrwand ab. Bei kleiner werdender Wandstärke<br />
(ϱ →1) nimmt der Einfluss des Steifigkeitsverhältnisses jedoch<br />
stetig ab, sodass sich für den Grenzfall einer verschwindenden<br />
Wandstärke ein vom Steifigkeitsverhältnis unabhängiges Fehlermaß<br />
ergibt, das gleichzeitig dem Maximalwert des Fehlers entspricht:<br />
∆a<br />
⎛∆a⎞<br />
2,5−<br />
2µ<br />
lim = ⎜ ⎟ = −1 (32)<br />
ϲ →1<br />
a ⎝ a ⎠ 2 − µ<br />
max<br />
Für den hier als untere Grenze angenommenen Wert μ = 0,3 ergibt<br />
sich ein maximaler Fehler von etwa 5,72 %. Mit zunehmender<br />
Wandstärke sinkt dieser Fehler rasch zu kleineren Werten ab, wobei<br />
das Fehlermaß mit kleiner werdendem Steifigkeitsverhältnis<br />
schneller fällt. Die Auswahl der für die vorliegenden Randbedingungen<br />
passenden Volumenänderungsfunktion (und damit die<br />
Berücksichtigung der genauen Einspannsituation) ist für typische<br />
Rohr- und Schlauchleitungswerkstoffe (0,3 < μ < 0,5) folglich von<br />
untergeordneter Bedeutung für die rechnerische Bestimmung der<br />
effektiven Schallgeschwindigkeit. Möchte man – der Einfachheit<br />
halber – gänzlich auf eine Unterscheidung der verschiedenen<br />
70 <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 4/<strong>2017</strong>