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Unser tägliches Brot - Kirchenbezirk Geislingen

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Hartes <strong>Brot</strong><br />

MARKUS LAIDIG<br />

„<strong>Brot</strong> ist nicht hart. Kein <strong>Brot</strong> – das ist hart.“ Vielleicht<br />

kennen Sie diesen Spruch oder haben ihn auch schon einmal<br />

bei einem Bäcker auf einer kleinen Tafel über den<br />

<strong>Brot</strong>regalen gelesen. Auf meinem Schulweg in der Nähe<br />

von Stuttgart bin ich immer an einem solchen Bäckerladen<br />

vorbeigekommen. Immer wenn ich dort einkaufen<br />

ging, war es eine „Pausen-Brezel“ oder etwas anderes,<br />

dann fiel mein Blick auf diese kleine Tafel und ich versuchte<br />

mir vorzustellen, was ihre Worte meinten.<br />

Das <strong>Brot</strong> bei diesem Bäcker war tatsächlich gerne etwas<br />

hart . . .<br />

Gastfreundlich<br />

reich gedeckter Tisch<br />

„<strong>Brot</strong> ist nicht hart. Kein<br />

<strong>Brot</strong> – das ist hart.“ Was<br />

dieser Spruch bedeutet,<br />

darum wissen wohl besonders<br />

diejenigen, die in ihrem<br />

Leben schwere Zeiten<br />

durchleben mussten, die<br />

wirklich am eigenen Leib<br />

erfahren haben, was es für<br />

unser Leben und Überleben<br />

bedeutet, wenn es kein<br />

<strong>Brot</strong> mehr gibt. Kein <strong>Brot</strong>,<br />

an dem man sich satt essen<br />

kann. Kein <strong>Brot</strong>, das man<br />

teilen, von dem man anderen<br />

abgeben kann.<br />

<strong>Brot</strong>, wertvoller als Gold<br />

Schwere Not, Katastrophen, Krieg-Zeiten in denen <strong>Brot</strong><br />

rar wird und in denen der Wert von <strong>Brot</strong> weit den des<br />

Goldes übersteigt. In Deutschland leben noch viele Menschen,<br />

die sich selbst an solche Zeiten im Zweiten Weltkrieg<br />

erinnern, die selbst Krieg und Verfolgung durchlitten<br />

haben. Aber auch alle Flüchtlinge heute, die vor den<br />

gegenwärtigen Kriegen in ihren Ländern auf der Flucht<br />

sind, wissen, was Krieg und Verfolgung bedeuten, und<br />

dass es hart ist, kein <strong>Brot</strong> zu haben.<br />

Olga W. Temirbulatowa ist Russlanddeutsche und Pastorin<br />

der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St.<br />

Georg zu Samara in Russland. Zu ihren Aufgaben gehört<br />

der Besuch zahlreicher Gemeindeglieder – Menschen, die<br />

meist wie sie selbst deutsche Wurzeln haben, deren deutsche<br />

Lebensgeschichte ganz eng mit der russischen<br />

Geschichte verwoben ist. Und so haben die älteren<br />

Deutschstämmigen die Zeit des Zweiten Weltkriegs und<br />

die Zeit danach in Russland meist erlebt als harte und<br />

schwere Zeit.<br />

Ohne einen Krümel <strong>Brot</strong><br />

Olga Temirbulatowa berichtet über einen Geburtstagsbesuch:<br />

„Gestern waren wir bei Frau Ida zum Geburtstag in Pridoroshnyj.<br />

Sie erzählte über die Zeit der Aussiedlung und<br />

über die Zeit in der Trudarmee (Arbeitslager):<br />

Ihre Familie war 1941, wie auch die anderen, ausgesiedelt<br />

und nach Sibirien gebracht worden. Am Fluss Enisej gibt<br />

es eine Stadt: Turuchansk. Sie waren noch nördlich von<br />

dort im Wald. Sie wurden dahin gebracht. Zwei Wochen<br />

lagen sie in den Baracken ohne einen Krümel <strong>Brot</strong> oder<br />

irgendwas zu Essen. Es war Winter, alles war verschneit.<br />

Die Frauen hatten alles, was sie hatten an Kleidern, an<br />

verschiedenen Sachen, die sie noch hatten mitbringen<br />

können, gegen Kartoffeln, <strong>Brot</strong> oder Mehl eingetauscht.<br />

Aber eines Tages war alles zu Ende. Es war eine Frau<br />

dabei, die einen fünfjährigen Sohn hatte. Er musste<br />

besonders unter dem Hunger leiden. Es war der neunte<br />

oder zehnte Tag nach ihrer Anreise. Viele lagen und<br />

konnten sich kaum bewegen, so ausgehungert waren sie.<br />

Dieser kleine Junge saß auf einem Hocker in der Mitte der<br />

Pastorin Olga mit Gemeindegliedern<br />

Baracke und flehte die Mutter an: „Mama, wenn Du mir<br />

ein kleines Stückchen <strong>Brot</strong> geben könntest! Ganz klein!“<br />

Dabei streckte er sein kleines dünnes Fingerchen und<br />

zeigte an der Fingerchenspitze, wie klein das <strong>Brot</strong>stückchen<br />

sein dürfte . . . Die Mutter schrie aus lauter<br />

Verzweiflung, da sie schon alles getauscht hatte. Nur der<br />

Mantel an ihrem Körper war<br />

geblieben und sie hatte<br />

nichts mehr – ich konnte<br />

es weiter nicht hören<br />

und wir haben das Thema<br />

gewechselt.“<br />

Olga Temirbulatowa berichtet<br />

weiter: „Jetzt beim<br />

Schreiben dieser Geschichte<br />

stehen mir Tränen in den<br />

Augen. Einige Tage später haben die Menschen in der<br />

Baracke, etwas zu essen bekommen.“<br />

Kein <strong>Brot</strong> – das ist hart. Möge es nur noch Zeiten geben,<br />

in denen Menschen den Sinn dieser Worte, wenn überhaupt,<br />

dann nur noch erahnen können!<br />

TISCHGEBET AUS RUSSLAND:<br />

Wir leben nicht allein vom <strong>Brot</strong><br />

und doch tut uns das Essen not.<br />

Wir bitten dich du treuer Gott<br />

um Lebenswort und Lebensbrot<br />

Markus Laidig ist Pfarrer in der<br />

Stadtkirche, er war zwei Jahre Pfarrer<br />

in Samara, Russland.<br />

EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

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