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Unser tägliches Brot - Kirchenbezirk Geislingen

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Ersana<br />

gemacht. Einer Vereinigung von Freiwilligen und Lehrern<br />

einer nahe gelegenen Schule, die sich dafür einsetzen,<br />

dass die Kinder des Campo Rom zur Schule gehen. Seither<br />

geht er fast jeden Tag in den Campo, hilft hier und<br />

dort. Er ist ein guter Freund der Familie Sali und kümmert<br />

sich deswegen besonders um den Schulbesuch Ersanas.<br />

Zusammen fahren wir dann in den Campo. Denn obwohl<br />

ich die Familie nun kenne und auch ein paar andere Leute,<br />

gehe ich nicht ohne Danilo dorthin. Er kennt alle und alle<br />

kennen ihn. Es gibt durchaus Leute, denen ich ohne ihn<br />

nicht begegnen möchte. Der Nachteil ist, dass ich von<br />

ihm anhängig bin. Wenn er also verhindert ist, bedeutet<br />

das, dass ich Ersana dann nicht holen kann. Also gibt es<br />

Wochen, in denen Ersana zum Beispiel nur dreimal zur<br />

Schule geht. Dann muss man sie wieder aufs Neue motivieren,<br />

denn die Verlockung, den ganzen Tag wie die<br />

Geschwister auf dem Campo zu spielen, ist groß. Auch<br />

merkt sie natürlich, dass ihr drei Tage fehlen und die Kinder<br />

in der Schule ein wenig weiter sind als sie. Dann verbringen<br />

wir morgens fünf Minuten damit ihr zu erklären,<br />

wie wichtig es ist in die Schule zu gehen und, dass sie<br />

auch ihre Freunde dort hat. Am Ende geht sie dann immer<br />

gerne mit, da es ihr Spaß macht, in die für sie „andere<br />

Welt“ einzutauchen.<br />

Ich bin sehr froh meinen Teil dazu beizutragen, dass<br />

dieses Kind, das mir so<br />

ans Herz gewachsen<br />

ist, in die Schule geht.<br />

Sie ist wirklich ein<br />

lustiges und aufgewecktes<br />

Mädchen.<br />

Wenn es mehr Ersanas<br />

und mehr solcher<br />

Schulen gäbe, könnte<br />

man viel ändern. Der<br />

Campo wird immer leerer. Früher lebten dort an die 2000<br />

Menschen. Wie eine eigene Stadt in der Stadt. Heute sind<br />

es noch ein paar Hundert. Sie sind weggegangen, weil sie<br />

sich woanders mehr Glück versprechen oder Probleme<br />

hatten mit den Dokumenten und dem Gesetz. Ich hoffe,<br />

Ersana nimmt sehr viel mit durch diesen Schulbesuch. Ich<br />

hoffe, sie kann sich eine Zukunft außerhalb des Lebens im<br />

Campo schaffen. Doch das wird sehr schwierig.<br />

Meine Arbeit ist außer den üblichen Einkaufstouren für<br />

Küche und die Kinderheime im Centro und dem Tischdecken<br />

in der Mensa sehr abwechslungsreich. Ich übersetze<br />

viel Dokumente für deutsche Partner des Centros,<br />

die kleine Zeitung des Centros, die auch nach Deutschland<br />

geschickt wird und für deutsch- und englischsprachige<br />

Gäste der Foresteria. Das Wechseln von Glühbirnen<br />

und Herumtragen irgendwelcher Stellwände oder Tische<br />

der Schule oder sonstiges zählt zu den unbeliebten Arbeiten.<br />

Doch das gehört dazu.<br />

Sehr große Freude habe ich an der Arbeit mit den Kindern<br />

in der „Scuola Materna“ (der Vorschule), weil ich oft einspringe,<br />

wenn eine Erzieherin oder eine Freiwillige von<br />

uns krank ist. Das macht mir sehr viel Spaß. Als kleinen<br />

Überstunden-Nebenverdienst empfange ich manchmal<br />

Foresteria-Gruppen außerhalb der Öffnungszeiten des<br />

Büros. Ich fahre ab und an zum Flughafen, um Leute, die<br />

ins Centro kommen, abzuholen.<br />

Seit ein paar Wochen haben wir eine neue Freiwillige.<br />

Sie heißt Emily und kommt aus New York. Als wir am<br />

Tag der Befreiung Italiens vom Faschismus durch Amerika<br />

zusammen saßen, wurde uns bewusst, dass dies eine<br />

besondere Situation ist und vor ein paar Jahren so noch<br />

nicht denkbar gewesen wäre. Ich sitze an diesem Tag als<br />

Deutscher in Italien und plaudere mit einer Amerikanerin.<br />

Und das macht ein solcher „Friedensdienst“ möglich,<br />

solche Begegnungen.<br />

Mafia in Sizilien<br />

In letzter Zeit beschäftige ich mich auch sehr mit dem<br />

Thema Mafia. Selber bekommen wir nicht das Geringste<br />

mit. Außer, wenn eine Razzia stattfindet, so wie im<br />

Januar. Ich las das Buch von Ex-Bürgermeister Leoluca<br />

Orlando, ein Mann der mich sehr beeindruckt hat. Die<br />

Geschichte zu lesen, während man sich in Palermo<br />

befindet, war für mich unglaublich spannend. Wie er es<br />

geschafft hat die Stadt von Denkformen und Vorgängen,<br />

vom Gestank der Mafia zu „befreien“, ist sehr beeindruckend,<br />

und wie er diesen Weg versucht auf andere<br />

Länder anzuwenden durch die Organisation „Die sizilianische<br />

Wiedergeburt“. Ich ging daraufhin zu einer politischen<br />

Kundgebung von ihm, die sich gegen ein neues<br />

Wahlgesetz der „Berlusconianer“ bezog. Dieses Thema<br />

werde ich auch in Zukunft verfolgen. Denn die Mafia existiert<br />

und wirkt. In anderer, eher wirtschaftlicher Form<br />

zwar, doch nach wie vor erschreckend.<br />

(www.leolucaorlando.it)<br />

Hier, sicher noch mehr als in Deutschland, stand der Tod<br />

von Papst Johannes Paul II. im Mittelpunkt des Gesprächs.<br />

Sizilien war in Trauer und es gab viele Gottesdienste. Die<br />

Wahl seines Nachfolgers wurde mit Spannung verfolgt.<br />

Die Züge nach Rom waren voll. Im Bus hörten wir noch<br />

jemanden scherzen über Ratzinger („’ne Kartoffel als<br />

Papa, das wär’ was“). Und als ich im Supermarkt stand,<br />

rief mich Nina, unsere Sprachkurslehrerin aus dem Centro<br />

an und teilte mir aufgewühlt mit, dass es „der Deutsche“<br />

geworden ist. Das musste natürlich gleich an andere<br />

Supermarktbesucher weitergegeben werden. So also<br />

erfuhr ich von „Papa Ratzi“. Viele im (nicht sehr katholischen)<br />

Centro machten sich einen Spaß und begrüßten<br />

uns deutsche Freiwillige mit Knicks, wenn man irgendwo<br />

eintrat: „Oh, ein Deutscher. Muss ich mich jetzt verbeugen?“<br />

<strong>Unser</strong> Freizeitleben gestaltet sich jetzt im Sommer sehr<br />

schön. Strand, Meer und Palmen sind quasi vor der<br />

Haustüre. Mir geht es also sehr gut. Daran hat sich nichts<br />

geändert.<br />

Jakob Leube ist der<br />

Sohn der Donzdorfer<br />

Pfarrerin Annette Leube<br />

EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

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