ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger
ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger
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Der VOGEL mit dem<br />
Klaus Böhme<br />
Überhaupt stammen so viele<br />
der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen<br />
Quellen aus der<br />
Schweiz, dass der Waldrapp damals<br />
für lange Zeit als «<strong>Schweizer</strong><br />
Vogel» in die Literatur Eingang<br />
fand. Auch der englische<br />
Arzt und Theologe William Turner<br />
bezeichnete ihn 1544 sogar<br />
als «Helvetiorum Vualtrapus»,<br />
allerdings ohne dem Vogel selbst<br />
eine nähere Beschreibung zu widmen.<br />
Wesentlichsten Anteil an dieser<br />
Einschätzung hatten aber die zu<br />
diesem Vogel zwar recht kurzen,<br />
aber doch umfassenden Ausführungen<br />
des Züricher Arztes und<br />
Naturforschers Conrad Gesner<br />
(1516–1565). In dem der Vogelwelt<br />
gewidmeten dritten Teil seiner<br />
«Historia animalium» ordnet<br />
er den schwarzen Gesellen allerdings<br />
noch keineswegs den Ibissen,<br />
sondern den Rabenvögeln<br />
zu und versieht ihn folgerichtig<br />
mit dem wissenschaftlichen Na-<br />
GREISENANTLITZ<br />
Die aussergewöhnliche Geschichte einer fast<br />
unbekannten Art (Teil 2)<br />
Rotgeränderte Augen, ein langer roter Schnabel, der wie eine überdimensionale<br />
Nase herabhängt, sowie eine warzige «Glatze», so präsentiert sich<br />
der Waldrapp. Kein Wunder, dass die Wissenschaftler ihn «den Greisenhaften»<br />
nannten. Erfahren Sie im Bericht von Klaus Böhme mehr über den<br />
«Vogelgreis».<br />
Ruhend auf<br />
einem Ast<br />
präsentiert<br />
sich hier ein<br />
Waldrapp in<br />
voller Grösse.<br />
men «Corvus sylvaticus». So ist<br />
dann im Kapitel «Von dem Wald-<br />
Raben», der von den Bearbeitern<br />
späterer Ausgaben dann aber<br />
auch schon «Wald-Rapp» genannt<br />
wird, zu lesen:<br />
«Der Vogel / welches Figur hie<br />
verzeichnet stehet / wird von den<br />
unsern gemeiniglich ein Wald-<br />
Rab genennet / dieweil er in den<br />
einöden Wäldern wohnet: da er<br />
dann in den hohen Felsen / oder<br />
alten Türmen und Schlössern<br />
nistet / daher er auch ein Steinrab<br />
genennet wird / und anderswo<br />
in Bayern und Steyrmarck<br />
ein Klaußrab / von den Felsen<br />
und engen Klausen / darin er sein<br />
Nest macht. … An anderen Orten<br />
ein Waldrab / als in Italien /<br />
da er dann bißweilen von einem<br />
Menschen / so an einem Seil hinab<br />
gelassen worden / außgenommen<br />
/ und für einen Schleck gehalten<br />
wird: wie er auch bey uns<br />
auff etlichen hohen Felsen bey<br />
dem Bad Pfäfers gefunden wird /<br />
da sich auch die Weydleut hinab<br />
lassen / ihn zu fangen. Von seiner<br />
Stimm wird er auch ein Scheller<br />
geheißen…. Unser Waldrab ist in<br />
der Größe einer Hennen / gantz<br />
schwartz gefärbet / wenn du ihn<br />
von weiten anschauest: Besiehest<br />
du ihn aber in der nähe / sonderlich<br />
gegen der Sonnen bedünckt<br />
er mit grün vermischet sein. Seine<br />
Füß sind auch beinahe wie der<br />
Hennen / länger / und zerspalten.<br />
Der Schwantz ist nicht lang / und<br />
hat auf seinem Kopff ein Sträußlein<br />
hinter sich gerichtet / nicht<br />
weiß ich ob dies an allen / und<br />
allzeit gesehen wird. Der Schnabel<br />
ist röthlich / lang und bequem<br />
im Erdtreich zu graben / und in<br />
die engen Klüffte der Mauren /<br />
Bäumen und Felsen zu stossen /<br />
damit er die verborgene Würmlein<br />
und Käferlein herauß ziehe.<br />
Er hat lange dunckel rothe Bein.<br />
Sie leben von den Häwschrecken<br />
/ Grillen / Fischlein und kleinen<br />
Fröschlein. Mehrentheils nistet er<br />
auff den alten und hohen Mauern<br />
der zerbrochenen Schlösser: welcher<br />
dann im Schweitzerland sehr<br />
viel gefunden werden…»<br />
Recht ungewöhnlich für die<br />
Zeit um 1555, als Gesners «Vo-<br />
<strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 9/2009 29