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ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger

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Leser schreiben<br />

Wildtierkorridore nur<br />

auf Papier und in den Köpfen?<br />

Jedes Jahr fallen mehrere<br />

Tausend Rehe, Dachse oder<br />

Rothirsche sowie unzählige<br />

Kleinsäuger und Vögel<br />

dem Verkehr zum Opfer. In<br />

der Schweiz leben unzählige<br />

Wildtierarten mit einem unterschiedlichen<br />

Raumbedarf.<br />

Die wichtigsten Rückzugsgebiete<br />

für grosse Tierarten stellen<br />

die ausgedehnten Waldge-<br />

Wildtierkorridor bei Birchiwald, Kanton Bern.<br />

biete im ganzen Alpenraum,<br />

im Emmental insbesondere<br />

im gesamten Arc Jurassien<br />

dar. Aufgrund der teilweise<br />

sehr grossen Raumansprüche<br />

der einzelnen Individuen mit<br />

einem Flächenanspruch von<br />

teilweise mehreren Hundert<br />

Quadratkilometern und der<br />

enormen Wanderfähigkeiten<br />

(mehrere Dutzend Kilometer<br />

pro Tag) benötigen diese Arten<br />

Räume oder Landschaftsteile,<br />

die ihre Lebensräume<br />

verbinden. Wir sprechen hier<br />

von Wander- oder Wildtierkorridoren.<br />

Der Rothirsch gilt unter<br />

den Grosswildtieren als ausgesprochener<br />

«Wanderer».<br />

Stets wechselt dieser von seinem<br />

Sommer- in den Wintereinstand.<br />

Gefährdung durch<br />

Zerschneidung<br />

Zu den bedeutenden Gefährdungsfaktoren<br />

für einheimischeLebensgemeinschaf-<br />

54 <strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 9/2009<br />

ten und viele Arten zählen die<br />

Zerschneidung bzw. Zersiedlung<br />

oder Unterbrechung von<br />

Lebensräumen.<br />

In erster Linie sind das<br />

dichte Strassennetz zu nennen,<br />

insbesondere die Autobahnen<br />

und teilweise auch die Bahnlinien.<br />

Im Berner Mittelland<br />

zerschneidet die A1 die Wanderachse<br />

von Ost nach West<br />

praktisch lückenlos. Die Wanderungen<br />

und Ausbreitungsbewegungen<br />

werden zwischen<br />

Thun und Bern und ab Kirchberg<br />

bis nach Baden gänzlich<br />

verunmöglicht. Längs<br />

der Autobahnachsen, welche<br />

mit Wildschutzzäunen ausgestattet<br />

sind, bilden nahezu<br />

eine vollständige Abriegelung<br />

bzw. Barrieren für die meisten<br />

Wildtiere ab der Grös se eines<br />

Igels.<br />

Durchlässigkeit des<br />

Strassennetzes<br />

Wildtiere haben es heute<br />

sehr schwer, auf ihren Wanderwegen<br />

erfolgreich verriegelte<br />

Verkehrsachsen zu passieren<br />

und schaffen dies in<br />

der Regel nur, wenn sie günstig<br />

gelegene Bauwerke (im<br />

Idealfall Viadukte und andere<br />

Grossbrücken oder Tunnel)<br />

finden, die eine Unter- oder<br />

Überquerung ermöglichen.<br />

Für den Wolf und ebenfalls<br />

für den Luchs sind diese vom<br />

Menschen geschaffenen Barrieren<br />

überwindbar und für deren<br />

Ausbreitung kaum von Bedeutung.<br />

Rothirschkonzept 2006 des<br />

Kantons Bern<br />

Der Rothirsch wurde vor<br />

rund zweihundert Jahren systematisch<br />

dezimiert und ausgerottet.<br />

Bis heute fristet der<br />

Bild: Martin Frick, TBA<br />

Hirsch ein schlechter Ruf, der<br />

dem grössten einheimischen<br />

Wiederkäuer als Schädling –<br />

insbesondere für die Forstwirtschaft<br />

– anhaftet.<br />

Erst im Jahre 2003 mit der<br />

Anpassung der neuen Jadgverordnung<br />

wurde der Hirsch Gegenstand<br />

einer konsequenten<br />

Jagdplanung. Bis zu diesem<br />

Zeitpunkt wurde der Hirsch<br />

im Kanton Bern unverhältnismässig<br />

und in allen Alterskategorien<br />

bejagt, damit zerstörte<br />

man auch die Sozialstruktur<br />

der Rothirsche.<br />

Mit dem heutigen Rothirschkonzept<br />

und mit einer<br />

strukturierten und ausgewogenen<br />

Jagdplanung wurde eine<br />

Massnahme zur Ausbreitung<br />

der Hirsche im Kanton Bern<br />

verwirklicht.<br />

Hirsche im Längwald<br />

Teils überraschend für Experten<br />

und von der Politik<br />

nicht prognostizierbar, sind<br />

sie nun da – in grosser An-<br />

zahl. Die Populationsdynamik<br />

der Rothirsche wurde unterschätzt<br />

und ist auf dem Papier<br />

kaum planbar.<br />

Die Wanderfreudigkeit der<br />

Rothirsche bestätigt bereits<br />

innerhalb von 3 Jahren, dass<br />

die Hirsche ihren Lebensraum<br />

selbständig nach ihrer Wesensart<br />

zurück erobern. Heute zählen<br />

wir rund 25 Rothirsche im<br />

Längwald.<br />

Beeinflusst durch die Barriere<br />

der A1 kommen diese nicht<br />

weiter. Bereits werden Stimmen<br />

laut, einzelne Rothirsche<br />

abzuschiessen. Die Schäden<br />

im Wald sind zwar noch zumutbar,<br />

aber auf «Dauer» für<br />

die Forstwirtschaft unerträglich.<br />

Wie weiter<br />

Das Rothirschkonzept des<br />

Kantons Bern ist beispielhaft.<br />

Nun braucht es weiterführende<br />

Umsetzungsmassnahmen und<br />

Taten – die politischen Behörden<br />

sind gefordert!<br />

Pro Natura Bern hat anlässlich<br />

seiner Delegiertenversammlung<br />

2009 in Langnau<br />

eine Resolution hierzu<br />

verabschiedet. Darin wird das<br />

UVEK/ASTRA aufgefordert,<br />

dass die Erstellung von national<br />

bedeutenden Wildtierkorridoren<br />

mit Priorität zu behandeln<br />

sind.<br />

Es gilt nun vereint und kantonsübergreifend<br />

mit interessierten<br />

Partnerorganisationen<br />

zusammen zu arbeiten und gemeinsam<br />

die Thematik voranzutreiben.<br />

Wildtiere sind glücklicherweise<br />

an keine Kantonsgrenzen<br />

gebunden und benötigen<br />

auch keinen Passierschein –<br />

definitiv aber ein entsprechendes<br />

Bauwerk als Brücke in zersiedelter<br />

und vom Menschen<br />

geschaffener Landschaft!<br />

Wir werden mit Beharrlichkeit<br />

dieses Thema weiterverfolgen.<br />

Hirschkomitee<br />

Mario Fracheboud,<br />

David Gerke

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